Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
o


10. I Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- _ Erscheinen wöchentlich. Subscriplionspreis für! TT LX

-jhandlungen. sowie von allen Postämtern A-M., den Band von 24 Nummern 3 fl.36 kr. R.-W.I

und Zeitungsexpediti onen angenommen. od. 2 Rthlr. Einzelne Nummern kosten l 2 kr.R.-W od. 3 ggr.

Großes keroplaftisches Kabinet.

Cm unbändig gefühltes, eigenthümliches Bedürfniß sprach
sich bereits seit einer Reihe von Jahren in jedem wahrhaft
Gebildeten Europa's so lebhaft aus. ja schrie so zu sagen laut
auf. ohne daß im Geringsten von irgend einer Seite ein
Schimmer von Hoffnung auf Befriedigung oder Stillung in
Aussicht war. Tausenden von weniger Bemittelten oder zu
Entfernten, war bisher ein in seiner Art einziger Genuß ver-
sagt. Tausende konnten sich nur nothdürftig an den zwar groß-
artigen. aber stets unvollkommenen Schilderungen laben, welche
von Mund zu Mund gingen, und verließen zuletzt den sonni- I
! gen Garten hienieden. in dem für sie eine der schönsten Blu- I
' men nicht blühte.

Wie viele Thronen der Sehnsucht mögen insgeheim ge-
floffen, wie vielen Nächten der Schlaf verscheucht worden — wie
viele Seufzer mancher harrenden Brust entflohen sein? Frage
i sie nur diese grippebleichen Antlitze, die dir hie und da auf-
stoßen — beinahe immer ist es nur dieses eine und selbe namen-
lose Sehnen.

Wir meinen nämlich und es ist wohl kaum ein Zweifel,
daß irgend Jemand, der auf Bildung Anspruch machen will,
noch etwas andres meinen könnte:

Das weltberühmte große keroplastische Kabinet des
G. Kienle seligen aus Nördlingen am Ries und
W. Brennecke aus Leipzig.

Es sei uns vorerst vergönnt, ein paar Worte über die Kero-
plastik (oder Wachsbildnerei) im Allgemeinen auszusprechen.

Betrachten wir die Sculpturen des Alterthums oder der Neu-
zeit — alle die Statüen und Büsten, sei es in Marmor, in
Bronze, oder in Alabaster, oder in Sandstein. Gyps u. s. f.;
wen» wir aufrichtig sein wollen, so muffen wir gestehen, daß
wirklich ein enormer Grad von EinbUdungskraft dazu gehört, sich
darunter wirkliche Menschen, lebende Menschen von Fleisch und
Blut, was sie denn eigentlich doch vorstellen wollen, vorzustellen.

So eine Stein- oder Gypsfigur. die uns mit leerem tobten
Auge anstarrt ohne Pupille, mit einem Teint, der noch über
die Todtenfarbe hinausgeht und schon an das Gespenstische
streift (vom Eostüm gar nicht zu reden, das oft höchst sparsam
und zuweilen gar nicht vorhanden ist. und daher noch oben-
drein gegen alle Sittlichkeit verstößt) so eine Figur, sage ich.
macht immer nur einen höchst unangenehmen ja oft widerlichen
Eindruck, und ist auch nur rein auf eine krankhafte Pedanterie
und klaffische Antiken-Frefferei berechnet — nur für solche Leute
berechnet, die durch einen gewissen Grad von Bildung es schon
so weit gebracht haben, daß sie beinahe mehr in der Einbildung
als in der Wirklichkeit leben, die nicht bedenken, daß die Alten
nur aus der kleinlichen Eitelkeit auf den Gedanken geriethen,
ihre Antiken in Bronze zu gießen und in Marmor zu hauen,
um ihnen größere Dauer zu geben, und sie bis auf unsre
Zeit und für unsre Sammlungen zu erhalten, was in ihrer
Zeit, wo noch alle die Vervielsältigungsmittel, als Bücher-,
Holz- und Steindruck fehlten, leicht verzeihlich, ja als natürliche
Folge erscheint.

Wir hingegen, einer ganz andern Zeit angehörend, nämlich
der unseligen. sind eben durch die gänzliche Umgestaltung der-
selben nunmehr für unsre neuen Antiken auch auf ein anderes
Material angewiesen. Und dieses ist das Wachs.

Betrachten wir nun einmal im Gegensätze z. B. eine Büste
oder Figur von Wachs, vielleicht Porträtfigur, in der nicht
nur die Züge, sondern auch die Farbe des Dargestelltwerden-
sollenden treu wieder gegeben sind, und nicht mit einem leeren
Auge, sondern einem wirklich und natürlich erscheinenden,
jedoch künstlichen Auge von Glas (jetzt in Paris dis zur letz-
ten. äußersten Täuschung angefertigt, am besten 8uo Vi-
vienne 7, Frerps Battista, und wozu nur ein Muster ein-
gesandt zu werden braucht) den Scheitel von wirklichen Haa-
ren umkränzt, und wo der Rumpf mit natürlichen Kleidern
bekleidet ist: so werden wir sehen, daß das Kunstwerk seine
beabsichtigte Wirkung auf den Beschauer nie verfehlen, und.
ohne die Einbildungskraft besonders anzuspannen, einen unge-
heuer frappanten Eindruck machen wird, der dadurch, daß

10
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen