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Handlungen, sowie von allen Postämtern und rw’
Zeitungsexpeditionen angenommen.
Erscheinen wöchentlich. Subscriptionspreis für TT £{„„}>
den Band von 24 Nummern 3 st. 36 kr. R W " ptulu-
od. 2 Rthlr. Einzelne Nummern kosten 12 kr. od. 3 ggr.
Lt. Urbans Kellerhals.
Ein Märchen von F. M. Duttenhofer.
«Schluß.)
Die Stimme der Wanderers weckte in Michels Brust alte
süße Erinnerungen.
— Diese Stimme sollte ich kennen, sagte er zu sich selbst und
duckte sich hinter ein an der Straße stehendes Buschwerk wie ein
Wegelagerer, um den Sänger des Liedes beobachten zu können.
Ein rüstiger junger Mann von etwa dreißig Jahren kam
des Weges gegangen; er trug eine alte Pelzmütze und ein
graues Wamms. Seine Beinkleider waren gestreift, wie es die
Matrosen zu haben pflegen, und auf dem Rücken hatte er einen
Tornister. Seine blauen Augen sahen lustig und forschend in
der Gegend umher und seine gelben Locken wallten bis gegen
die Schultern hinab. Er schritt rüstig des Weges entlang
und trug einen starken Knotenstock von Hartriegel.
Mein Bruder! rief Michel, als er ihn ankommen sah,
sprang aus dem Gebüsche hervor und lag im nächsten Augen-
blicke in den Armen des Ankömmlings.
— Und wie ist es dir denn gegangen? fragte Michel
seinen Bruder, nachdem die herzlichen Begrüßungen des Wieder-
sehens vorüber waren.
— Gut und schlecht, antwortete Jonathan; das Beste ist.
daß ich wohlbehalten hier bin. Ich habe dir Vieles zu er-
zählen, das will ich auch, sobald wir zu Hause sind.
Sie kamen bald im Dorfe an, und saßen in Michels niederer
Stube. Nachdem Michel einige unerläßliche Geschäfte been-
digt hatte, wozu auch der Gang auf das Rathhaus gehörte,
erzählte Jonathan seine Geschichte mit folgenden Worten:
— Vor zehn Jahren reifete ich, wie Ihr wißt, nach Amerika.
Meine Hinreise ging glücklich und ohne weiteres Ungefähr von
statten. Ich kam in Baltimore an und erkundigte mich nach
dem Vetter Jörg in Ohio. Von diesem wollte Niemand etwas
wissen. Endlich sagte mir ein junger Mann, der deutsch sprach:
„Ei! der Vetter Jörg, den kenn' ich wohl; da müßt Ihr in
dieses Haus gehen", und dabei bezeichnete er mir ein schönes
Haus, vor welchem zwei Schildwachen standen. „Geht nur
hinauf", fuhr er fort, „und klopft an der ersten Thüre rechts;
geht hinein, wenn man auch nicht herein ruft, und seid nicht
ängstlich, denn Vetter Jörg ist ein wenig taub; Ihr müßt
überhaupt laut mit ihm reden, sonst versteht er Euch nicht."
Ich befolgte diesen Rath. Aber denkt Euch meinen Schrecken,
als ich beim Eintreten einen alten General ttaf, der mich ver-
wundert ansah. Er fragte mich in englischer Sprache, was ich
wolle, und ich antwortete so gut, als ich während der Ueber-
fahrt etwas englisch gelernt hatte, ich wolle zu meinem Vetter
Jörg, aber ich sehe wohl, daß man mich irre geführt habe.
Der General hatte meine Rede verstanden und antwortete: „Das
ist sicher ein schlechter Scherz von meinem ungezogenen Neffen;
er weiß, daß ich die deutschen Tölpel nicht leiden kann, aber Ihr
seht mir aus, wie ein tüchtiger Bursche; was versteht Ihr?"
Ich sagte ihm, daß ich Weingärtner sei und Gartenarbeit ver-
stehe. „Schön", erwiderte er; „wollt Ihr bei mir in Dienste
treten?" Ich war das zufrieden und ttat bei ihm in Dienste,
weil ich dachte, über kurz oder lang meinen Vetter'doch aus-
findig zu machen. Der General machte mich zu seinem Garten-
knecht und stellte mich unter die Leitung seines Gärtners; er
hatte ein prächtiges Gewächshaus, in welchem Pflanzen von
Brasilien, Ostindien und Neuholland in der schönsten Aus-
wahl zu tteffen waren, und einen Garten, in welchem nichts
fehlte, was man sich von schönen und nützlichen Pflanzen
wünschen kann. Bei dem Gärtner, der mich wegen meines
Fleißes und Geschickes vorzog, lernte ich bald sehr viel, denn
wie Ihr wißt, hatte ich von Jugend auf Vorliebe zur Gärt-
nerei, und was man mit Liebe treibt, lernt man schnell.
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Lt. Urbans Kellerhals.
Ein Märchen von F. M. Duttenhofer.
«Schluß.)
Die Stimme der Wanderers weckte in Michels Brust alte
süße Erinnerungen.
— Diese Stimme sollte ich kennen, sagte er zu sich selbst und
duckte sich hinter ein an der Straße stehendes Buschwerk wie ein
Wegelagerer, um den Sänger des Liedes beobachten zu können.
Ein rüstiger junger Mann von etwa dreißig Jahren kam
des Weges gegangen; er trug eine alte Pelzmütze und ein
graues Wamms. Seine Beinkleider waren gestreift, wie es die
Matrosen zu haben pflegen, und auf dem Rücken hatte er einen
Tornister. Seine blauen Augen sahen lustig und forschend in
der Gegend umher und seine gelben Locken wallten bis gegen
die Schultern hinab. Er schritt rüstig des Weges entlang
und trug einen starken Knotenstock von Hartriegel.
Mein Bruder! rief Michel, als er ihn ankommen sah,
sprang aus dem Gebüsche hervor und lag im nächsten Augen-
blicke in den Armen des Ankömmlings.
— Und wie ist es dir denn gegangen? fragte Michel
seinen Bruder, nachdem die herzlichen Begrüßungen des Wieder-
sehens vorüber waren.
— Gut und schlecht, antwortete Jonathan; das Beste ist.
daß ich wohlbehalten hier bin. Ich habe dir Vieles zu er-
zählen, das will ich auch, sobald wir zu Hause sind.
Sie kamen bald im Dorfe an, und saßen in Michels niederer
Stube. Nachdem Michel einige unerläßliche Geschäfte been-
digt hatte, wozu auch der Gang auf das Rathhaus gehörte,
erzählte Jonathan seine Geschichte mit folgenden Worten:
— Vor zehn Jahren reifete ich, wie Ihr wißt, nach Amerika.
Meine Hinreise ging glücklich und ohne weiteres Ungefähr von
statten. Ich kam in Baltimore an und erkundigte mich nach
dem Vetter Jörg in Ohio. Von diesem wollte Niemand etwas
wissen. Endlich sagte mir ein junger Mann, der deutsch sprach:
„Ei! der Vetter Jörg, den kenn' ich wohl; da müßt Ihr in
dieses Haus gehen", und dabei bezeichnete er mir ein schönes
Haus, vor welchem zwei Schildwachen standen. „Geht nur
hinauf", fuhr er fort, „und klopft an der ersten Thüre rechts;
geht hinein, wenn man auch nicht herein ruft, und seid nicht
ängstlich, denn Vetter Jörg ist ein wenig taub; Ihr müßt
überhaupt laut mit ihm reden, sonst versteht er Euch nicht."
Ich befolgte diesen Rath. Aber denkt Euch meinen Schrecken,
als ich beim Eintreten einen alten General ttaf, der mich ver-
wundert ansah. Er fragte mich in englischer Sprache, was ich
wolle, und ich antwortete so gut, als ich während der Ueber-
fahrt etwas englisch gelernt hatte, ich wolle zu meinem Vetter
Jörg, aber ich sehe wohl, daß man mich irre geführt habe.
Der General hatte meine Rede verstanden und antwortete: „Das
ist sicher ein schlechter Scherz von meinem ungezogenen Neffen;
er weiß, daß ich die deutschen Tölpel nicht leiden kann, aber Ihr
seht mir aus, wie ein tüchtiger Bursche; was versteht Ihr?"
Ich sagte ihm, daß ich Weingärtner sei und Gartenarbeit ver-
stehe. „Schön", erwiderte er; „wollt Ihr bei mir in Dienste
treten?" Ich war das zufrieden und ttat bei ihm in Dienste,
weil ich dachte, über kurz oder lang meinen Vetter'doch aus-
findig zu machen. Der General machte mich zu seinem Garten-
knecht und stellte mich unter die Leitung seines Gärtners; er
hatte ein prächtiges Gewächshaus, in welchem Pflanzen von
Brasilien, Ostindien und Neuholland in der schönsten Aus-
wahl zu tteffen waren, und einen Garten, in welchem nichts
fehlte, was man sich von schönen und nützlichen Pflanzen
wünschen kann. Bei dem Gärtner, der mich wegen meines
Fleißes und Geschickes vorzog, lernte ich bald sehr viel, denn
wie Ihr wißt, hatte ich von Jugend auf Vorliebe zur Gärt-
nerei, und was man mit Liebe treibt, lernt man schnell.
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