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Mispel, der Kobold.

wuchs von Tag zu Tag. TaS Fernrohr brachte der Admiral
nicht vom Auge, und endlich schwamm der Feinde Flotte heran.
„Die wäre verloren", meinte Mispel, der von Zeit zu Zeit mit
durchs Fernrohr sah; „wenn Du nur nicht retiriren müßtest."
— „Wer sagt das?" fragte Julius heftig und voll Kampfbe-
gierde; „danken muß mir's das Land, wenn ich einen vollen
Sieg erringe, und diese Gelegenheit lasse ich nicht Vorbeigehen.
Der Kapitän lasse die Signale anfziehen! Zur Schlacht rüste
' sich die Flotte, und Sie, wcrthester Mispel, geben ein bischen
acht ans mich. Tie Feinde sind verloren und uns fehlt nur
ein ziemlicher Sturm, uni sie gänzlich zu zerstreuen." — „Den
will ich gleich machen", erwiderte das Teufelchen dienstfertig,
kratzte sich hinter den Ohren, und der Wind sprang plötzlich
um, wüthete gegen die feindliche Flotte, und ein tüchtiges
Unwetter zog mit Donner und Blitz am Horizont herauf. Vom
Orlogschiffe donnerten die Lärmkanonen, flatterten die Signale
auf und nieder. — Die Schlacht begann, und Julius siegte
unter dem Toben der Elemente. Was seinen Kriegern entkam,
ging im Meeresstrudel oder unter den Meilenweit nachreichenden
Zündraketen, die Mispelchen austheilte, zu Grunde. — Die
frohe Botschaft sandte Julius zur Heimath, und erhielt, statt
Lohn und Ruhm, die Weisung, sich vor der Nation zu stellen
und erschießen zu lassen, weil er seinen Instruktionen zuwider
gehandelt. Er fiel aus den Wolken und über seinen armen
Teufel her, der ihn nicht gewarnt. — „Ei, was weiß ich von
Euren Gesetzen!" schalt dieser; „ich bin nicht Jurist. Aber,
damit Du Dich von meiner Ehrlichkeit überzeugst, will ich Dich
mit heiler Haut zu retten suchen. „Was willst Tu jedoch begin-
nen?" „Man sucht unfern von hier einen König. Möchtest

Tu vielleicht"-Freudetrunken sprach Julius sein Bejahen

aus, und während er an die Lust dachte, gar keinen Herrn über
sich zu haben, hatte er schon die Krone auf dem Kopfe.

4.

Welche Lust, Regent zu sein! Auf dem Balkon des Schlosses
stand Julius der Erste, und sah vornehm, — er war schon an
Wunder gewöhnt, dein Prunk- und Festzuge zu, den sein treues
Volk ihm brachte. Alle Zünfte, mit Gaben ihres Fleißes be-
laden, triumphirten au ihm vorüber, und unter dem Krönungs-
mantel klopfte ihm höher das Herz, als das tauseudsttmmige
„Vivat!" ihm gebracht wurde, als die Mützen flogen und der
Weihrauch in balsamischen Säulen empordampfte, „Nun werde
ich doch zufrieden sein," sprach er leise vor sich hin und klopfte
dankbar dem als Page dastehenden Mispel aus die Schulter;
„nun bin ich doch frei und meinem Winke stehen alle Freuden
des Erdballs zu Gebot." — Und da er nun hiueinging in den
weiten Saal, in welchem die Stände seines Reichs versammelt
waren, ihre Huldigung ihm darzubringen, da mehrte sich sein
Vergnügen und sein stolzes Bewußtsein. — „Heil dem Könige!"
sprachen die Pairs und Repräsentanten des Landes ; „doppelt
Heil ihm, gibt er bald dem Reiche eine Mutter und kräfttge
Söhne, Erben seiner Vorzüge!" —Diese Anspielung war nicht
nach seinem Geschinacke, und mit einem kurzen: „J’y penserai,“
entließ er die Getreuen, eine Epoche beginnend, die jeden Tag

mit Rosen seinen Weg bestreute. Jagd und Ball, Concert und
Illumination, Fackelzug und Heerschau, folgten rasch aufeinan-
der. In langen Zügen schlürfte er den Becher der Wonne ;
aber so wie dieser der Neige sich näherte, so füllte auch seine
Brust sich mit einer Leere, die je länger, je unbehaglicher wurde.
Ter Teufelspage verschwendete all seinen Scharfsinn, um neue
Freuden zu ersinnen, aber auch des Teufels Scharfsinn hat
Gränzen, wie jeder geschaffene Geist. — „Mir gefällt's hier
nicht mehr", sagte Julius einst im ttüben Unmuthe, „ich will
reisen, nach Jahren erst mein Erbe Wiedersehen." — „Wenn's j
nur angeht," meinte Mispel achselzuckend. „Welche Sprache!"
zürnte der unwillige König ; man spanne an, man fülle die
Chatoulle; morgen schon will ich fort." — Da versammelten
sich die Stützen des Thrones abermals und sprachen ein gebie-
terisches „Nein", weigerten sich, die Chatoulle zu füllen, und
ihn von dannen zu lassen. — Julius stand wie verdutzt. „Wer
ist denn hier der Fürst?" rief er, „Ihr oder ich?" — „Die j
Verfassung, Herr!" antwortete der unerschrockene Sprecher, „sie
spricht durch unfern Mund. Des Hausvaters Platz ist bei den
Seinen; anders wäre es, hätten Ew. Majestät dem Wunsche
des Volkes nachgegeben, der Ehe Band geknüpft, und einen
Erben uns geschenkt, den wir bewachen könnten als Pfand
des künftigen ungestörten Friedens." — „Vermessene!" schalt
der König! „Zwang soll ich leiden? Ich werde niemals mich
vermählen, und reisen, wenn es mir beliebt." — „So werden
wir einen andern Herrn wählen," erwiderten die Abgeordneten,
„denn das erlaubt uns das Gesetz im vorliegenden Falle." —
Sie gingen davon um den Ohnmächtigen abzusetzen. — „Rathe,
hilf!" sprach Julius, vor Wuth zitternd zu Mispel. — Der
Kobold zuckte die Achseln und schwieg. — Soll ich denn immer
Unterthan sein und selbst im Hermelin eines Popanzes Knecht?"
fragte Julius heftig weiter; „lieber wollt' ich über Heiden
regieren, als ferner hier mich necken lassen." — „Zu Befehl,"
versetzte der treue Kobold; „zu Damask ist man um einen
Sultan in Verlegenheit. Beliebt auch da zu kosten?" „Herr-
lich!" rief Julius, dem alle Märchen der Tausend und Einen
Nacht vor's Gedächtniß traten und schon lag er auf weichen
Polstern im Kiosk der Sultane von Damaskus.

5.

Die Neuheit der Gegenstände versetzte den Exkönig in eine
Art von Taumel. Vor seinen Fenstern wiegte sich in hoher Luft
die Palme, schöne Jtschaglans servirten ihm Kaffee und Opium;
der Chasnadar bot die Schlüssel zum Schatze, der Kislar Aga
die des Harems an; feierlich schweigend umringten ihn seine
Kapidschipaschis, und Alles hing nur an dem Zucken seiner
Wimpern. Der dienstbare Kobold saß als Papagei aus der
Stange. „Ich will ausreiten!" befahl der Herr und vor seiner
Thüre schnaubte das Roß, der Papagay flatterte auf seine Faust,
und federgeschmückte Trabanten geleiteten den unumschränkten
Fürsten. — Aber, wo er sich auch hinlvendete, floh Alles von
den Sttaßen; Thüren und Fensterladen schlossen sich. Kein
menschlich Gesicht ließ sich vor dem Herrscher sehen. — „Was
ist das?" fragte er. — „Seit der letzten Plünderung sind die

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