106
Wie man eine
zu der ganzen Geschichte das Geld hergiebt, aber der Tebel
hole mir, das ist recht großmüthig geredet, das Geld giebt der
Publikus her, der sich dafür unterrichten und anlügen läßt und
der Herr Verleger streicht am meisten das Geld ein.
Das waren so die Gedanken in meinem dummen Kopfe,
; als ich, mit einem Korb voll Holz auf dem Rücken, die Treppen
! hinausstieg, aber fast wäre ich droben gleich wieder umgekehrt,
denn da hing eine große Tafel mit goldenen Buchstaben:
ysr Damit der Geschäftsgang nicht gestört wird, darf
hier Niemand vor 12 Uhr eintreten.
Aber immer drauf los, ich hinein und meine Sach besorgt.
In einer Stunde war Alles geheizt, nusgefegt, ausgeschnitten
(das Auf schneiden ist nämlich die Hauptsache, damit es schnell
vorwärts geht mit der Zeitungsmacherei!) wie's so nach und
nach von der Post oder wer weiß woher sonst noch ankam,
und eine Hitze in den fünf Zimmern, daß man einen Ochsen
hätte braten können. Na es sah da ziemlich grusterich aus:
nichts als ein Paar Stühle, Tische, Pulte, Wandbörter, alles
voll Zeitungen und Bücher gepackt. Jetzt kamen die Herren
Zeitungsschreiber angewackelt, einer nach dem andern; es mochten
wohl so ein Dutzend bei einander sein, aber der Tebel hole mir,
ich kann's nicht sagen, ob alle wirklich auch dazu gehörten oder
ob nicht einige sich nur zum Spaß bei uns herumgetrieben. Was
ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Einige von den Herren
benahmen sich wie ehrbare Leute, machten sich's bequem mit Schlaf-
rock und Pfeife und gingen gleich an die Arbeit; die meisten
aber waren so junges Volk mit Schnürröcken und Brillen auf
der Nase. Die stührten in den Zeitungen und Briefen oder
rekelten sich am Ofen, schwatzten von ihrem Saufen und Tanzen
gestern Abend und was sie Neues gehört und gesehen hatten, und
dann lief einer mal hin zum Pult und schrieb ein paar Worte,
las sie den Anderen vor und legte es zuletzt dem Herrn Direktor
auf's Pult. Der Tebel hole mir, es war ein Geschrei und Durch-
einander, daß man sein eigen Wort nicht verstehen konnte.
Jetzt trat der Herr Direktor ein, mit einem Pack Briefe
und geschriebene und gedruckte Papierstreifen in der Hand. Er
grüßte Alle sehr wichtig, warf das, was er in der Hand hielt,
auf den Boden, las die Zettel auf seinem Pulte und warf sie
auch auf den Haufen, daß ich, der Tebel hole mir, schon dachte,
all das Geschrei und Arbeit wäre umsonst gewesen. Aber auf
einmal schrie der Herr Direktor in ein Sprachrohr in der Wand:
Abholen! und gleich darauf kam mein Freund, der Herr Factor,
mit drei bis vier baarfüßigen Druckerjungen anmarschirt und
ließ den ganzen Zettelkram in die Druckerei tragen. Er stellte
sich aber eine Weile zu mir hinter den Ofen, um sich etwas
durchzuwärmen. Der hat mir's nun Alles ordentlich erklärt
und wir waren ganz ungestört, denn der Lärm wurde jetzt noch
größer, weil Alle zugleich mit dem Herrn Direktor reden woll-
ten, der Tebel hole mir, ich hätte fast dazwischen geschrieen:
Singen können viel auf einmal, aber reden nur Einer! Allein
ich dachte daran, daß ich hier zehn Thaler monatlich hätte und
was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz, und so
hörte ich denn still zu, was der Herr Factor vorbrachte. Sieht
Er, sagte er, die langen geschriebenen Zettel, das sind die lei-
denden Artikel, die handeln davon, was man nicht glauben
sollte, aber doch wahr ist; die kleinen aber —
Jh, sagte ich, woran leiden sie denn? — so nem Zettel
wird doch kein Mensch was zu leide thun? —
Sieht Er, sagte er, die haben viel zu leiden, denn die
werden so oft .gestrichen" wie ein russischer Rekrut. Der
Verfasser streicht sie heraus, der Herr Direktor streicht sie an.
Zeitung macht?
der Censor streicht sie durch. Doch das versteht Er nicht, aber
sieht Er, sagte er, die kleinen Briefe und die Zettel, welche die
Herren meist aus den Zeitungen herausschneiden, das sind
die Correspondenzen oder auswärtigen Berichte, in denen steht,
was man glauben soll, was aber doch nicht wahr ist. Sieht
Er, sagte er, das sollte Er einmal mit ansehen, in Wien und
Berlin, Cöln und Frankfurt die Studentle, wie sie da Abends
im Bierhaus zusammensitzen und sich gegenseitig anlügen und
dann setzt sich Einer hin und schreibt: „In den bestunterrichteten
Kreisen der höheren Gesellschaft herrscht das Gerücht u. s. w."
oder gar: „Als Augenzeuge kann ich Ihnen berichten re., und
so lügt er den Herrn Direktor an und der lügt wieder das
Publilum an und das Publikum lügt sich wieder gegenseitig an
aus der Zeitung, und Alle kriegen dafür bezahlt — nur das
Publikum nicht. Davon heißt's gelogen, wie gedruckt.
Auf einmal wurde es ganz still in der Zeitungsschreiberei,
denn der Herr Direktor drehte sich herum auf seinem Hocker
und schaute die Herren Einen nach dem Andern curios an.
Sieht Er, sagte er, nämlich der Factor, leise zu mir, jetzt
kommt das Beste. Jeder von den Herren da hat „eine An-
sicht." Weiß Er, was das ist? —
Der Tebel hole mir, sagte ich, ich weiß es nicht, wenn's
was besonders sein soll.
Schadt nix, sagte er, die Herren wisien's auch oft selbst
nicht. Sieht Er, sagte er, Ansicht, das ist so die Manier, wie
man die Sache ansieht, und das hängt davon ab, wie man
steht, sitzt oder gestellt ist. Einige von den Zeitungsschreibern
stehen sich gut, einige schlecht, einige sitzen, die anstelligsten An-
sichten giebt das Anstellen. Die Ansichten sind oft sehr ver-
schieden, allein — —
„Der Herr Factor soll die Correktur machen!"
brüllte es auf einmal aus dem Sprachrohr in der Wand. Der
Factor machte, daß er hinauskam.
„Meine Herren, sagte der Herr Direktor, der Ruf unserer
Zeitung steht auf dem Spiele, es fehlt uns heut an interessan-
ten Correspondenzen. Also fordere ich Sie zu außerordentlichen
Anstrengungen auf! — —"
„Der Tebel hole mir, dacht' ich, haben die sich denn schon
angestrengt? —"
„Herr Nebelreiter," fuhr der Direktor fort, „berathen Sie
sich mit Herrn Mäusefresier. Sie sollen vom Cap der guten
Hoffnung etwas Unwahres über den Carlsruher Zollcongreß
und letzterer Herr dagegen die Wahrheit aus England schreiben.
Sie wissen aber, für Inländisches interessirt sich nur ein kleiner
Wie man eine
zu der ganzen Geschichte das Geld hergiebt, aber der Tebel
hole mir, das ist recht großmüthig geredet, das Geld giebt der
Publikus her, der sich dafür unterrichten und anlügen läßt und
der Herr Verleger streicht am meisten das Geld ein.
Das waren so die Gedanken in meinem dummen Kopfe,
; als ich, mit einem Korb voll Holz auf dem Rücken, die Treppen
! hinausstieg, aber fast wäre ich droben gleich wieder umgekehrt,
denn da hing eine große Tafel mit goldenen Buchstaben:
ysr Damit der Geschäftsgang nicht gestört wird, darf
hier Niemand vor 12 Uhr eintreten.
Aber immer drauf los, ich hinein und meine Sach besorgt.
In einer Stunde war Alles geheizt, nusgefegt, ausgeschnitten
(das Auf schneiden ist nämlich die Hauptsache, damit es schnell
vorwärts geht mit der Zeitungsmacherei!) wie's so nach und
nach von der Post oder wer weiß woher sonst noch ankam,
und eine Hitze in den fünf Zimmern, daß man einen Ochsen
hätte braten können. Na es sah da ziemlich grusterich aus:
nichts als ein Paar Stühle, Tische, Pulte, Wandbörter, alles
voll Zeitungen und Bücher gepackt. Jetzt kamen die Herren
Zeitungsschreiber angewackelt, einer nach dem andern; es mochten
wohl so ein Dutzend bei einander sein, aber der Tebel hole mir,
ich kann's nicht sagen, ob alle wirklich auch dazu gehörten oder
ob nicht einige sich nur zum Spaß bei uns herumgetrieben. Was
ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Einige von den Herren
benahmen sich wie ehrbare Leute, machten sich's bequem mit Schlaf-
rock und Pfeife und gingen gleich an die Arbeit; die meisten
aber waren so junges Volk mit Schnürröcken und Brillen auf
der Nase. Die stührten in den Zeitungen und Briefen oder
rekelten sich am Ofen, schwatzten von ihrem Saufen und Tanzen
gestern Abend und was sie Neues gehört und gesehen hatten, und
dann lief einer mal hin zum Pult und schrieb ein paar Worte,
las sie den Anderen vor und legte es zuletzt dem Herrn Direktor
auf's Pult. Der Tebel hole mir, es war ein Geschrei und Durch-
einander, daß man sein eigen Wort nicht verstehen konnte.
Jetzt trat der Herr Direktor ein, mit einem Pack Briefe
und geschriebene und gedruckte Papierstreifen in der Hand. Er
grüßte Alle sehr wichtig, warf das, was er in der Hand hielt,
auf den Boden, las die Zettel auf seinem Pulte und warf sie
auch auf den Haufen, daß ich, der Tebel hole mir, schon dachte,
all das Geschrei und Arbeit wäre umsonst gewesen. Aber auf
einmal schrie der Herr Direktor in ein Sprachrohr in der Wand:
Abholen! und gleich darauf kam mein Freund, der Herr Factor,
mit drei bis vier baarfüßigen Druckerjungen anmarschirt und
ließ den ganzen Zettelkram in die Druckerei tragen. Er stellte
sich aber eine Weile zu mir hinter den Ofen, um sich etwas
durchzuwärmen. Der hat mir's nun Alles ordentlich erklärt
und wir waren ganz ungestört, denn der Lärm wurde jetzt noch
größer, weil Alle zugleich mit dem Herrn Direktor reden woll-
ten, der Tebel hole mir, ich hätte fast dazwischen geschrieen:
Singen können viel auf einmal, aber reden nur Einer! Allein
ich dachte daran, daß ich hier zehn Thaler monatlich hätte und
was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz, und so
hörte ich denn still zu, was der Herr Factor vorbrachte. Sieht
Er, sagte er, die langen geschriebenen Zettel, das sind die lei-
denden Artikel, die handeln davon, was man nicht glauben
sollte, aber doch wahr ist; die kleinen aber —
Jh, sagte ich, woran leiden sie denn? — so nem Zettel
wird doch kein Mensch was zu leide thun? —
Sieht Er, sagte er, die haben viel zu leiden, denn die
werden so oft .gestrichen" wie ein russischer Rekrut. Der
Verfasser streicht sie heraus, der Herr Direktor streicht sie an.
Zeitung macht?
der Censor streicht sie durch. Doch das versteht Er nicht, aber
sieht Er, sagte er, die kleinen Briefe und die Zettel, welche die
Herren meist aus den Zeitungen herausschneiden, das sind
die Correspondenzen oder auswärtigen Berichte, in denen steht,
was man glauben soll, was aber doch nicht wahr ist. Sieht
Er, sagte er, das sollte Er einmal mit ansehen, in Wien und
Berlin, Cöln und Frankfurt die Studentle, wie sie da Abends
im Bierhaus zusammensitzen und sich gegenseitig anlügen und
dann setzt sich Einer hin und schreibt: „In den bestunterrichteten
Kreisen der höheren Gesellschaft herrscht das Gerücht u. s. w."
oder gar: „Als Augenzeuge kann ich Ihnen berichten re., und
so lügt er den Herrn Direktor an und der lügt wieder das
Publilum an und das Publikum lügt sich wieder gegenseitig an
aus der Zeitung, und Alle kriegen dafür bezahlt — nur das
Publikum nicht. Davon heißt's gelogen, wie gedruckt.
Auf einmal wurde es ganz still in der Zeitungsschreiberei,
denn der Herr Direktor drehte sich herum auf seinem Hocker
und schaute die Herren Einen nach dem Andern curios an.
Sieht Er, sagte er, nämlich der Factor, leise zu mir, jetzt
kommt das Beste. Jeder von den Herren da hat „eine An-
sicht." Weiß Er, was das ist? —
Der Tebel hole mir, sagte ich, ich weiß es nicht, wenn's
was besonders sein soll.
Schadt nix, sagte er, die Herren wisien's auch oft selbst
nicht. Sieht Er, sagte er, Ansicht, das ist so die Manier, wie
man die Sache ansieht, und das hängt davon ab, wie man
steht, sitzt oder gestellt ist. Einige von den Zeitungsschreibern
stehen sich gut, einige schlecht, einige sitzen, die anstelligsten An-
sichten giebt das Anstellen. Die Ansichten sind oft sehr ver-
schieden, allein — —
„Der Herr Factor soll die Correktur machen!"
brüllte es auf einmal aus dem Sprachrohr in der Wand. Der
Factor machte, daß er hinauskam.
„Meine Herren, sagte der Herr Direktor, der Ruf unserer
Zeitung steht auf dem Spiele, es fehlt uns heut an interessan-
ten Correspondenzen. Also fordere ich Sie zu außerordentlichen
Anstrengungen auf! — —"
„Der Tebel hole mir, dacht' ich, haben die sich denn schon
angestrengt? —"
„Herr Nebelreiter," fuhr der Direktor fort, „berathen Sie
sich mit Herrn Mäusefresier. Sie sollen vom Cap der guten
Hoffnung etwas Unwahres über den Carlsruher Zollcongreß
und letzterer Herr dagegen die Wahrheit aus England schreiben.
Sie wissen aber, für Inländisches interessirt sich nur ein kleiner
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie man eine Zeitung macht?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 38, S. 106
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg