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138

Eine Nacht aus dem Leben eines Dichters.

Wäldern und Gebirgen auf harmlose Kaufieute lauerte, und
lehnte sich an den Kasten neben der Thüre, die zur Stiege hin-
ausführte, auf der die Muthwilligcn heraufkommen mußten.
Vergebens beschwor ihn die Frau, abzustehen von seinem Vor-
; haben, umsonst bat und weinte heute das Töchterlcin; der kleine
; Mann blieb unbeweglich; er wollte einmal fest auftreten, um zu
zeigen wer und was er sei.

Wie die Spinne in des Gewebes dunkelstem Winkel verbor-
! gen lauert, so das Männlein mit den stahlgrauen Haaren. Heute
\ durfte kein Licht das Zimmer erhellen, damit ja kein Verdacht
bei den Studenten reg« würde, als ob er lauere, und sic um so
sicherer in die Schlinge gingen; Frau und Tochter mußten in's
Bette, um ja nicht zu hindern, und selbst der kleine zottige
Schooshund mußte mit, um nicht durch voreiliges Gebell den
wohlerwogenen Plan zu vereiteln. Mit bleischweren Füßen
schritten die trägen Stunden am Lauernden vorüber; die Chri-
stenheit war längst aus der mitternächtlichen Andacht heimge-
kchrt in's trauliche Stübchen, oder zu Bette gekrochen, und noch
j stand der Held auf seinem Posten, noch kamen die Polterer nicht.
Der schwere Säbel drückte die Achseln, und die Muskete wurde
von Stunde zu Stunde schwerer; weglegen oder hinlehnen durfte
! er sie nicht; denn wie leicht konnten die losen Vögel gerade
kommen, und in der Hast und Eile und Fiusterniß und Ver-
I worrenheit möchte sie nicht gleich zu finden sein. Er nahm sie
bald unter den linken, bald unter den rechten Arm, stand bald
auf dem bald auf dem andern Fuß, indem er sich nicht zu sehen
getraute, da nach seinem besten Wissen die Helden seiner Lieb-
lingsbücher sich auf der Wacht auch nicht setzten; aber das ver-
trieb die Langweil ihm nicht. Stunde an Stunde s chlich vor-
über, der Schlaf drückte die schweren Augenlider, Mattigkeit
zerrte an allen Knochen, das Gewissen begann in unheimlicher
Sprache mit dem Schneiderlein zu flüstern, und es ward der
Geist eines wirklichen Helden erfordert, auf diesem Posten
auszuhalten. Von Zeit zu Zeit rief die schlaflose Ehehälfte: „Komm
lieber Mann, leg dich zu Bette, du erkältest dich," erhielt aber
keine Antwort; „Vater, lieber Vater," ächzte des Töchterleins
melancholische Stimme aus dem stillen Kämmerlein, „geh zu
Bette, du bekömmst Husten und Fieber; ich bitte, leg dich nie-
der! Hu! wie kalt da draußen!" Aber es folgte keine Antwort.

Endlich erscholl ein Getümmel von der Straße, die Hausthür
knarrte, und ein Geräusche ließ sich unten an der Stiege ver-
; nehmen; dann aber war Alles so still und ruhig wie zuvor.

„Daß die Pest!" murmelte der Schneider vor sich hin; „der
Plan muß verrathen worden sein; sie schleichen ganz still die
Stiege herauf;" aber kaum hatte er dies gemurmelt, erhob sich
' vor seiner Thüre ein Getrampel, Gestampfe und Gepolter mit
Füßen und Stöcken, ein Gebrüll und Pfeifen und Schreien, wie
wenn eine Legion Tollhäusler draußen rumorten. „Meckmeck-
meh! meckmehl" gellte es gräßlich herein, und rief den Helden
aus seiner anfänglichen Betäubung zu sich. „Ihr Lumpenkcrle!"
schrie er hinaus zur geöffneten Thüre, und streckte die Muskete
vor sich kluger Weise hinaus und drückte mit zitternder Hand

und geschlossenen Augen los. Zu seiner großen Verwunderung
hörte er keinen Knall, und spannte hastig den Hahn, drückte
wieder mit geschlossenen Augen los, und sieh! ein heller Blitz
durchzuckte das Dunkel zu nicht geringem Schrecken des Männ-
leins und der Studenten.

„Flieht!" schrieen alle zusammen, „er hat ein Gewehr!"
und rannten die Stiege hinauf; aber wie das Wetter stürmte
der Mann im Biber nach, mit lautem Feldgeschrei sich anfeuernd
und die Muskete zur Vorsicht voraus streckend.

„Jesus, Maria!" schrie mit einemmale eine Stimme, „ich
bin erstochen; ich stürze, ich falle." Es war der Poet, und die

übrigen waren der lange Hans, der lustige Zeisig, Bruder
Schlick, und einige Mitkonsortcn. Der Schneider hatte im Dun-
kel und in seinem wüthigen Heldenmuth den armen Thomas
ganz von Ungefähr mit dem Bajonette in den Schenkel gesto-
chen, und der war voll Schrecken umgefallen.

„Licht her! Licht her! der Schneider ist toll!" schrie man
oben, während von unten Heulen und Schreien in feierlichem
Chore antwortete. Mit ihren Stöcken hielten die Polterer die
Thüre besetzt, und als das Licht die Finsterniß verjagt hatte,
sahen sie nur Thomas Knappauf am Boden liegen mit geschlos-
senen Augen, der auf ihr Schütteln und Rütteln endlich zum
Leben kam, und als sie nach seiner Wunde fragten, mit weiner-
licher Stimme nach dem Schenkel wies, wo denn freilich eine
kleine Wunde das mürbgesessenc Beinkleid geröthct hatte; der
Held aber war längst die Stiege hinabgerannt in sein Stüb-
chen, wo ihm Weib und Kind schreiend und heulend entgegen
kamen; denn sie hatten mit Schaudern des Poeten Angstschrei:
„ich bin erstochen!" vernommen, und glaubten, er sei in der
That erstochen worden.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Nacht aus dem Leben eines Dichters."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Flucht <Motiv>
Treppenhaus
Gewehr
Karikatur
Verfolgung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 42, S. 138

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