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St. Urbans Kellerhals.

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ein lieblicher Duft wie von Traubenblüthe entgegen. Sein Weib
saß aufrecht im Bette und betete. Neben dem Bette stand in einem
Wasserkruge ein kleiner Rebenzweig, der herrlich blühte und kleine -
grüne Blätter hatte. Michel blieb an der Thüre stehen und rührte
sich nicht; in der Scene, die er vor sich hatte, lag etwas erhaben
Frommes, das ihn erschütterte.

Endlich entfaltete das Weib ihre geschloffenen Hände, reichte
. ihm die Rechte, und hieß ihn willkommen.

— Ich habe einen harten Kampf gehabt, sprach sie. Das
Herz wollte mir zerspringen, und du kamst nicht; dreimal habe
ich den Buben nach dir geschickt, er traf dich das erste Mal beim
Würfelspiel, dann aber nicht mehr. Endlich hörte ich Tritte und
dachte, du seiest es; aber da kam ein uralter Mann mit einem
langen Bart, der trug eine Bütte und hatte einen Kranz von
blühenden Reben um den Kopf. Dieser Mann kam an mein
Bett und bot mir den goldnen Becher, den er in der Hand hatte,
an. Weib, sagte er, du gehst einer großen Versuchung entgegen,
möge dich Gott bewahren. Trink diesen Wein, er wird dir dein

j armes Herz stärken. Ich trank, der Wein war süß und labend;
als ich ihm den Becher zurückgab, nahm er von seinem Kranze
' eine Rebe heraus, die gab er mir und sagte: Diese Rebe soll dich
beschützen; so lange du fromm und fleißig bist, wird sie blühen,
wenn du sie ins Waffer stellst, gehst du aber auf bösen Wegen,
so bleibt sie ein dürres Holz. Armuth, sprach er, ist ein herbes
Loos, aber noch bitterer und herber ist Reichthum mit einem bösen
Gewiffen. Dann ging er hinaus. Ich glaube es war ein Engel
vom Himmel, der mich getröstet hat. denn ich bin ganz gesund und
kräftig.

Michel war von der Rede seines Weibes so sehr ergriffen,
daß er die Hände sich vor das Gesicht hielt und bitterlich weinte.
Er fühlte sein Gewiffen nicht rein und dachte an das böse Spiel,
und den noch böseren Handel. Die Mahnung des heiligen Urban,

den er als den Tröster seiner kranken Frau erkannte, fand
einen kräftigen Wiederhall in seinem Herzen, und die zwölf
Goldstücke des Krämers brannten ihm auf der Seele. Er um-
armte sein Weib schweigend, nahm den Rebenzweig aus dem
Wasser und legte ihn in seine Bibel; versteckte die Goldstücke,
die er als einen Sündenlohn betrachtete, in die entferntesten
Winkel des Schubfaches und legte sich schlafen.

Der Schlaf floh die Augen Michels so lange, bis er
einen energischen Enffchluß gefaßt hatte , den er am andern
Tage auszuführeu beschloß.

Vor Tages Anbruch stand er auf, nahm den Rebzweig
des heiligen Urban aus seiner Bibel, und steckte ihn in die
Busentasche; dann nahm er die Goldstücke, ergriff eine Hand-
haue und ging hinaus in seinen Weinberg. Vor der steiner-
nen Hütte machte er ein Loch in den Boden und legte die

wieder Erde darüber; dann ging er froh, dieser Bürde los
zu sein, hinauf in den Tannenwald, welcher gleich einem
grünen Kranze das beschneite Haupt des Berges bedeckte, in
der Absicht, für seine Kinder einen schönen Christbaum zu
hauen. Er durfte nicht weit gehen, um einen solchen zu
finden, denn der Wald hatte Ueberfluß an jungen Tannen.
Kaum hatte er sich aber ein junges und schön aufrechtes
Bäumlein auscrsehen, und war im Begriff seine Haue zu
schwingen, so klopfte ihm Jemand auf die Schulter. Er sah
sich um und erblickte — den Krämer.

— Guten Morgen Michel, sagte dieser; schon so fleißig.
Sieh ich habe für dich gesorgt, du brauchst dir keinen Christ-
baum zu holen.

Mit diesen Worten zeigte der Krämer auf einen schönen
Christbaum, der neben ihm stand und wundervoll aufgeputzt
war. Da hingen Nüsse von massivem Silber und Gold,
kleine Tannenzapfen von durchsichtigem bräunlichen Bernstein
allerlei Früchte von edlen Steinen, Kirschen von Carneol,
Oliven von Smaragd, Johannisbeeren von Granaten glänz-
ten an dem Baume; am hellsten aber funkelten erbsengroße
Diamanten, welche hier und da in der Form von natürlichen
Terpentintropfen an den Aesten und an dem Stamme klebten.
Eine Menge von kleinen aber sehr glänzenden Lichtern saßen
auf den Zweigen umher, und gaben dem Baume eine feen-
hafte Bedeutung.

Von dem Glanze und Reichthume dieses Baumes waren
Michels Sinne geblendet; er sah ihn lang und schweigend an.

— Weißt du auch was er werth ist? raunte ihm der
Krämer, der hinter ihm stand, in's Ohr; wohl dreimal soviel
als dein reicher Bmder hat, wie der dicke Kunz erzählte.
Ich schenk ihn dir. Nimm ihn nach Hause.

Michel entgegnete. nichts, er zog aber seinen Rebzweig
aus dem Wamms hervor und schlug damit an den prächtigen
Baum; da verwandelte sich dieser in ein dürres Gezweig, an
welchem Todtenköpfe von Affen, Hunden und halbverfaulte
Glieder von Thieren und Menschen hingen, so daß es scheuß-
lich anzusehen war. — Da wurde das erdfahle Gesicht des
Krämers schwarz vor Zorn, er ergriff Michel beim Kragen
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"St. Urbans Kellerhals."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Wochenbett <Motiv>
Wein <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Bacchus

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 44, S. 156

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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