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(rin Brief Theobalds re. 13

teufelter Diabel in deiner Nähe ist, so brauche hübsch Fremd-
wörter, das ist ungeheuer vornehm und gebildet. Damit Tu
mit der Aussprache nicht im Ambra geräthst, habe ich sie Dir
alle in bester deutscher Orthografie Übermacht. Wenn Tu über
etwas gefragt wirst, so mußt Du sagen, besonders bei Musik,
was Rellstab in der Vossischen gesagt hat; und wenn der noch
nichts gesagt hat, so sagst Du, wie die andern sagen, entweder
mangnifiek, diwien, ziberbe, scharmant, pikant, spirituell oder
detestabel, abominabel, fatigant, pitogabel, fäbel, absurde,
annigant, odiö, ridikühl, triste. — Man wird Dich alsdann
für ein famoses, fabelhaftes, spirituoses Mädchen halten.

Ich quittire das Gebiet der Wissenschaft und gehe wie-
der auf das der Kunst über. Ich sprach davon, daß ich auch
Concerte besucht hatte; ich werde jetzt gleich hiervon sprechen,
weil man sich die besten Bissen bis zuletzt aufsparen muß.

} In den Coucerten habe ich einen gewissen Vivies ans dem
Horn blasen hören. Der Wundermensch bläst vier Töne auf
einmal. Hierüber zerbrechen sich die Gelehrten die Köpfe,
ich erkläre mir das aber ganz zimpcl und uatllrcllemann da- j
durch, daß er noch drei kleine Teufel mit drei kleinen Wald-
hörnern im Leibe hat. — Ein ziberber Einfall! Bon Vieux- !
[ temps haben die Leute ein großes Fraka gemacht. Er soll
der größte Heros auf der Geige sein. Na meinetwegen! j
Mir war er zu kalt. Musik muß sein wie ein Hagelkorn, j
das von den Strahlen des Phöbus geküßt, zerschmilzt. Der
Virtuose muß die Augen verdrehend, den Lockenkopf oder die
Mähne schüttelnd, den Körper in Fieberaufregung treibend,
stoßseufzend spielen, sonst ist er nicht mein Mann; jeder Ton ,
muß eine Thräne sein. Ich stelle daher Herrn Litolff be-
k sonders im Mienenspiel höher. Eine Violoncellistin, denk
Dir eine cüriose Idee, sie, d. h, die Bioloncellistin hieß Life
Christiani, eine herrliche Erscheinung mit sehr viel weiblicher
Seele im Bogenstrich. Ich wollte für sie in Begeisterung
ausbrechen, da reiste sic ab. — Ich abonnirte auch ans die
Sinfoniesoareen Eh bieu! ich war mit der ersten parfäte-
mann konntentirt. Sie spielen Sinfonien von Beethoven,
Mozart, Haydn und andern solchen Kerlen. Ich hatte mich
heillos annigirt. Frl. v. K., — Frl. v. Z, die Oberst-
wachtmeisterin v. L. und der Hofrath Vorwärts sagten; zi-
berbe, mangnifiek, diwien. Donnerwetter, dachte ich, die kön-
nen sich doch besser verstellen als du, und sagte darum: ganz
scharmant, fabelhaft mirakulös, und dachte im Herzen hol
Euch * * *. Es ist mir sauer genug geworden, mir ehrlichem
Pommer, aber man muß auf seine Rcputazion etwas halten, !
wenn man zur Bohmonde und Hotvoleh gehören will. Ich
glaube, daß Du Dich aus diesen Zeilen weit bester musikalisch,
hotvolehisch bilden wirst, als aus allen musikalischen Zeitungen.

Doch nun zu ihr, der himmelentsproflenen Tänzerin. Wie
; ein Flaum vom Zephyr gewogt, so tanzt sie. Ihr Fuß ver-
s achtet diese schlechte Erde, und diese Bretter, auf dem die schlech-
ten Füße der Statisten einherschreiten. Thusnelde, es gibt Elfen
und sie ist Titania: alle ihre Bewegungen umschließt ein eßtheetisch
ätherischer Tonschleier. Keiner hörte diese Harmonieen, nur ich.

— Und dieses Beet von Singelehrer hat mir das Gehör ab-

streiten wollen. — O es gab Augenblicke, wo ich ganz hin-
gerissen war, ich gestehe meine Schwäche ein, ich dachte zu-
weilen : was ist mir Hekuba? und glühte nur für Fanny's
Kunst; doch auch die Erinnerung an jene, wie könnte sie schwin-
den? Nach der dritten Vorstellung faßte ich mir ein Herz,
denn meine unglücklichen Abenteuer, die allein dem Censvr
zur Last fallen, hatten mich etwas dekuhraschirt. Mein Un-
ternehmungsgeist war niedergeschlagen. Ich eilte nach der
Beendigung des Ballets spornstreichs nach dem Ausgang für
die Bühnenmitglieder. Ich Unglücklicher! eine Kutsche hielt.
Ich rief bloß: ist Sie darin? Ja, erwiderte Jemand. Mit
einem Satz und unter dem donnernden Ruf: Hurrah! Hus-
sah! Viva Fanny Cerrito! e viva for ever, sprang ich auf
den Kutscher los und deplazirte ihn. Ich sprang hinterdrein,
schnitt die Pferde von den Strängen ab, gab ihnen ein paar
derbe Klapse, daß fie spornstreichs von dannen liefen, und
setzte mich in Galopp. Der Kutscher brüllte jämmerlich, und
das war der Grund, weshalb eine Menge Schandarmen und
j Logenschließer über mich und den Wagen herfielen. Wir wur-
den gehemmt, dabei öffnete sich die Kuffchenthür, und wer
trat heraus? Hr. Louis Schneider, der mir ganz kaltblütig '
sagte: „Sie haben sich tüchtig eschoffirt, mein Guter. Ssin
Sie so gut, und geben Sie mir Ihre Adresse, ich werde zu
Ihnen schicken, wenn ich Sie wieder brauche; vorläufig erwarte !
ich Sie am 1. April 1847, um acht Uhr Abends vor dem
Stadttheater in Hamburg." Ich hatte nicht einmal das süße
Bewußtsein, sie gezogen zu haben. — Genug, ich war wieder
rüdikühlisirt. — Und Kosten wird das verursachen, Heil- und
Schmerzensgelder für den Kutscher, Ersatz für das verdorbene
Geschirr, Strafe für den Straßenscandal, nichts als Geldkosten.
Und jetzt habe ich kein Geld! Und wer ist Schuld daran?
Doch, ich lasse lieber diese desagreablen Betrachtungen über !
den schmutzigen Mammon bis zum Schluß des Briefes. Ge- j
nug, ich bin Einer, den die Kunst mit Stolz zu Einem der ■
Ihrigen zählen kann, denn ich habe ihr ungeheure Zakrifize
gebracht; sowohl an Mammon als an leiblichem Ungemach.

(Schluß folgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Brief Theobalds an seine Base Thusnelde."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tänzerin <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 50, S. 15
 
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