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22

Ein Brief Theobalds rc.

Ein Brief Theobalds an seine Base
Thusnelde

im hintersten Hinterpommern.

Milgelheitt von Carl Gaillard.

(Schluß.)

Nach dem Opernhause konnte ich nach dieser Affäre nicht
wieder gehen, den» die Logenschließer kennen mich nun, und
unter diesen Umständen würde die Ironie wie ein telegraphi-
scher Galvanismus mit elcktrophorischen Funken mich ange-
sprüht haben. Zu den Italienern wollte ich nicht gehen, weil
sie nicht so recht, trotz der ausgezeichneten Anstrengungen ein-
zelner braver Männer, und aus andern Gründen, in die Mode
kommen wollen. Mein Geld wurde ohnedies knapp, leihen
wollte Niemand mehr. Das ist keine Schande, denn das
arrivirt auch den höchsten Personen; aber davon aussührlicher
nachher. Jndcffen ich glaube, daß diese Prüfungen nur dazu
destinirt waren, um mir für die höchsten Leistungen in der
Kunst Augen und Ohren zu öffnen. Ich besuchte den Zirk
der Herren Euzcnt und Lejars, berittene Mambers de la So-
ziüthee de Sotörs dramatiecks a Paris. Ich sah Jsaura. Die.
Sonne der Tropen ging mir auf. Als sie den Schleiertanz
tanzte, diesen Gürtel der Venus, war mir das Problem der

Kunst und mein Berus gelöst, das ist die hohe, wahre, ritter-
liche Kunst. Sage selbst Neldchen, ist es nicht erhabener auf
dem Rücken des Roffes zu tanzen, als auf Holz? Welche Er-
habenheit, wenn schmetternde Fanniahren zum Hufschlag des
Roffes ertönen, der edle Renner wannter ä Terr durch den
Cirkuß dahinbraußt, über ihm die Psyche von der plumpen Ma-
terie befreit flattert, und sich schaukelt auf den Tonwcllen;
welche majestätischen Gefühle im Ton-Ozean: Tonika, die rau-
schende Fannfahre — Terz, die Aristokratie des Thierreichs —
Dominante, die ochszüllirende Psyche: O warum war ich nicht
früher hierher gekommen! Doch pö a pö erschließt sich der
- Sinn für das Hohe, Schöne, Erhabene; erst muß er kultivirt
werden. Und dabei braucht man nicht den Verstand anzustren-
gcn; man braucht nur zu fühlen, zu empfinden, zu schwelgen.
— Ich weiß, was Kunst ist. Züperbe Buketts konnte ich nicht
mehr kaufen, das Geld wurde täglich knapper, (wovon aus-
führlicher nachher,) desto schwärmerischer flogen ihr die Buketts
meiner Seele zu. Ich mußte mich damit kontentiren, dem kleinen

Scharrel Düten mit Bonbons zuzuwerfen, die man hier wie
die Musikalien zur Hälfte des Ladenpreises haben kann. —
Nähern konnte ich mich der hohen Künstlerin nicht, denn ich
wagte es meines Pechs wegen nicht. Ich wollte wieder dich-
ten, aber meine Empfindungen waren zu erhaben, sie spotteten
des Reimes. Um sich einer weiblichen Heroine der Kunst nahen
zu dürfen, muß man entweder Prinz, Millionär. Journalist
oder Artist sein. Die ersteren Beiden liegen mir ziemlich fern,
Journalist will ich nicht werden, ich habe einen satanischen
Horrör vor diesen Leuten; ich werde berittenes Mitglied der
Soziäthee dramatieck a Paris und Cornettist a Pistol. Kunst-
adel, wahrer Beruf meines Lebens, ich habe dich erkannt;
Musik und Tanz und Röffebändiger. Ich übe jetzt schon
tüchtig in meinem Zimmer kühne Sprünge, besonders wenn
die junge Schuhmacherstochter über mir die Tänze aus dem
Kinderball spielt. Habe schon allerlei Spektakels darüber
gehabt. Unter mir wohnt ein Gelehrter, der machte Randal,
der Wirth kam, und machte Spektakel, daß ich den Kalk
loßtanzte, ich dachte: möchten die Steine hinterdrein folgen,
so wär ich ein Orfeus. Ich warf die Leute, diese rohen ge-
fühllosen unkünstlerischen Menschen die Treppe hinunter, einen
Serschanten, der zur Hülfe geholt wurde, hinterdrein. Das
wird wieder viel Geld kosten, «ich komme nun gleich an die-
ses Kapitel) und wohl auch etwas Gefängnißstrafe; indeffen
glaube ich, daß ich nicht gegen die schuldige Loyalität ver- i
stoßen werde, wenn ich mich diesem letztern Desagerman durch
eine Kunst- und Erholungsreise in das Ausland entziehe,
Thusnelde, es ist nicht anders möglich, als daß ich ein sehr
großer Artist werde. Die Kunst ist nicht undankbar, und
welche immense Opfer habe ich ihr gebracht. Wenn es nicht
anders ist, d. h. wenn Ihr mir kein Geld schickt, und ich
habe keins mehr, so werde ich ihr noch dezidirtere Zakrifize
bringen. Ich werde mit meiner Hände Arbeit meine Kunst-
ausbildung bezahlen, d. h. ich werde Pferde striegeln, wenn
es sein muß. Aber ich weiß, wenn dem Alten das vernünf-
tig vorgestellt wird, so läßt er es nicht zu einem solchen Ekla
kommen, sondern er nimmt lieber eine Hypothek auf. Bei-
läufig kannst du dem Alten sagen, daß er zu viel schweren
Wein, und der Alten, daß sie zu viel und zu starken Kaffee
trinkt. Ihm wäre ein gutes Dünnbier'und Ihr Eichelkaffee
viel gesünder. Ich bringe der Musik jedes Opfer. Musik
ist der rothe Faden meines Lebens, zerreißt Ihr ihn, zerreißt
Ihr mich.

A. Vermögenszustand.

Meine Ausgaben seit dem 1. Oktober 1845:

30 Blllets zu den Vorstellungen der
Fräul. Jenny Lind (Fremdenlogen-
billets ä 10 Thlr.) hätte es manch-
mal billiger haben können, hatte
aber die Garantie für jede Vor-
stellung ........ 300 Thlr. sgr. pf.

20 verschiedene Buketts, durchschnitt-
lich ä 20 Thlr. 400 „ „ „

Conccrtbillets, mehrere Freibillets u.

spottbillig gekaufter wegen nur . 20 „ „ „

Latus 720 Thlr. sgr. pf.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Brief Theobalds an seine Base Thusnelde."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Akrobatik
Schleier <Motiv>
Pferd <Motiv>
Tänzerin <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 51, S. 22
 
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