Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Geschichte vom groften Wcinfaft zu Grüningen. 29

Zn dem bischöflichen Schloßhose zu Grüningen an der Bode,
saß einst an einem heitern Sommerabend der Bischof Heinrich
von Halberstadt, und neben ihm ein anderer Bischof, der aus
fernem Lande kam, und seit einem Monate sein Gast war. Auf
dem zierlich geschnitzten Tischlein stand vor ihnen der Nacht-
trunk, in gewichtigen Pokalen, Nachdem der Bischof Heinrich
mit beiden Händen den Pokal gefaßt hatte, und seinem Gaste
Bescheid getrunken, sagte er zu ihm: „Mein edler Bruder,
wie ist es denn mit dem Ungeheuern Weinfaß, das einer unsrer
Brüder am Rhein erbauen ließ?" Der andere erzählte ihm, daß
es über 200 Fuder Wein halte, und es sei billig, daß jeder
geistliche Fürst, um seinem Hoflager den geziemenden Glanz zu
geben, ein ähnliches Faß haben müsse. Die Sache wurde nun
von den beiden Herren hin und her verhandelt, und jeder sprach
den Wunsch aus, auch ein derlei Faß sein eigen nennen zu dürfen.
Da trieb auf einmal des Bischofs Schäfer, Conrad, die in
der Bode weiß gewaschene Heerde, welche jeden Abend der Herr
in höchst eigener Person musterte, quer über den Schloßhof,
„Gott grüß' euch Herr Bischof!"

„Guten Abend Conrad! Wo ist denn Harm ?"

Conrad pfiff auf eine eigene Art, und ein schöner großer
Widder sprang zu ihm hin, und ging dann langsam zu dem
Bischof, der ihn streichelte, und mit Brodbrocken fütterte, welche
er eigens von der Tafel für ihn anfbewahrt hatte. Ter Bi-
schof sprach nach einigen Worten: „Nun Conrad, wirst du
bald Hochzeit machen?"

Conrad zuckte seine Achseln und trieb die Heerde in den Stall.
Nachdem Conrad den beiden Herren aus dem Gesichte war,
ergoß sich Bischof Heinrich in Lobsprüche über seine gute Schaf-
zucht, und über den schönen Widder, welchen er um alles in
der Welt nicht missen könnte, und endlich auch über seinen
guten Conrad, der die Ehrlichkeit selber sei.

Der fremde Bischof lachte bei dem Worte „Ehrlichkeit" laut
auf; er behauptete dem Bischof Heinrich steif und fest in's Ge-
sicht, es sei unmöglich ganz ehrliche und treue Diener zu finden,
denn sie betrögen in einem fort ihre Herren, und wären Schelme
so weit sie warm wären,

Bischof Heinrich ereiferte sich, und widersprach ihm mächtig.
Er rühmte den guten Schlag von Leuten, welche sich unter
seinem Krummstabe befänden. vor allen aber den Schäfer
Conrad, welcher ein Ausbund von Ehrlichkeit sei, und noch
Niemand belogen, geschweige gar betrogen habe.

Darauf fragte spottend der andere Bischof:

„Noch nie hat Conrad euch oder einen andern Herrn betrogen ?"
Bischof Heinrich antwortete mit lebhafter Geberde:
„Nein! er thates nicht, und wird es nie, und nimmer thun!"
Der fremde Bischof drauf:

„Was gilt die Wette, daß er's thut?"

Nach mehreren Vorschlägen, welche jedoch alle wieder ver-
worfen wurden, wetteten sie endlich um ein Weinfaß, welches
150 Fuder Wein faffen sollte. In drei Tagen sollte der ehr-
liche Conrad, ohne daß er es wußte, die Probe bestehen.
Der fremde Bischof hielt noch ehe er sich schlafen legte mit
seinem Diener Peter eine kleine Unterredung. Dieser Peter,

dem Namen nach ein Knecht, jedoch eigentlich der lustige
Rath oder Hofnarr des Herrn Bischofs, war aber diesen
Abend nicht sehr sprechlustig, denn, daß sein Herr die Die-
ner alle, sammtund sonders, Schelme nannte, wurmte ihn
ein wenig, und erst nachdem ihm eine neue scharlachrothe
Kappe, im Falle der gewonnenen Wette, versprochen wurde,
nahm er es auf sich, daß er ausforschen wollte, wie wohl
dem Conrad beizukommen wäre. —

Peter fing schon mit Sonnenaufgang die des Nachts aus-
gesonnene Kundschaft an, und schon vor der Mittagstafel
berichtete er seinem Herrn, daß Conrad eine Liebschaft mit
der schönen Liese habe, welche aber von seinen Anträgen
nichts hören wollte, bis er nicht sein eigenes Häuschen be-
sitze, da beide arm seien. Der Schalksnarr hatte mit der
Liese selbst schon gesprochen, und sie wie jede heirathslustige
Tochter Evens, zu dem Plane bereit und tüchtig gefunden.

Er bat sich nun zu seinem Endzwecke ein Paar Hände
voll blanker Batzen von seinem Herrn aus, damit das Wein- ;
faß gewonnen würde.

Nach Tische ging er wieder zur schönen Liese, bedeckte
mit dem blanken Gelde ihren ganzen Tisch, und versprach,
daß das Alles ihr gehören sollte, wenn sie ihm zu dem ver-
hülfe, was er von Conrad haben wollte. Liese sagte zu,
kaufte sich schon im Geiste ein schönes Hüttchen, und es
blieben ihr doch von dem vielen Gelde manche Gulden übrig,—
Des andern Morgens ging Liese hochaufgeschürzt in die
Gegend, in welcher Conrad seine Heerde trieb.

Kaum erblickte sie derselbe, so lief er zu ihr hin, begleitet
von seinem schönen Widder Harm, setzte sich neben sie, wider- !
holte ihr alles, was er schon von seiner Liebe ihr gesagt, und
noch viel kurioses Zeug dazu, Liese blieb aber ganz kalt, und
sagte ihm, daß sie das schon tausend Mal gehört habe, und
wenn er ihr nicht etwas Neues, etwa von einem eigenen Häus-
chen zu sagen wisse, so hätte er längst schon seinen Bescheid,
Conrad wollte schon traurig von Liesen fortgehen, als
ein kleiner, freundlicher Blick von ihr ihn doch noch zu der
Frage nöthigte: „Warum liebe Liese weisest du mich so
schnöde ab, und was soll ich denn eigentlich für dich thun,
damit es dir einmal recht ist?"

Liese antwortete, indeni sie verlegen an ihrem Mieder zupfte:
„Ich möchte doch Wundershalber einmal sehen, was du für
mich thun willst!" Der schöne Widder hatte sich zwischen sic
und Conrad gedrängt, und fraß etwas Brod aus ihrer Hand, !
und sie fuhr fort: „Wenn ich dich bitten würde, mir diesen
Lieblingswidder des Herrn Bischofs zu schenken, daß ich ihn '
verkaufen könnte, um uns ein kleines Häuschen zu kaufen, und ,
uns zu heirathen, was dann?"

Conrad bebte bei diesen Worten das Herz Traurig er- ,
widerte er: „Alles in der Welt, nur das nicht! Wenn der
Herr Bischof nicht alle Abend seinen Harm füttern kann, so
mag ich das Unglück nicht sehen. Nimm dir die besten zehn j
Schafe aus der ganzen Heerde, nimm dir alle fünfzig, die mir ge- j
hören, nur diesen Widder kann und darf ich dir nicht geben!" —
Darauf sprach Liese schnippisch: „Seht mir da wieder
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen