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Grauröckleins ©äfte.

tranken, küßten und liebten, das Grauröcklein trippelte von Tisch
zu Tisch, lächelte, vergnügt die hagern Hände reibend, ermun-
terte, nickte zu und legte selbst Hand an zum Bedienen und
Auf- und Abtragen. Die andern Gäste saßen da, steif und
starr, lachten kaum zu den Späßen, aßen und tranken wenig,
sprachen noch weniger, die Harfen und Orgeln sangen und
klangen und orgelten, die Sängerinnen kreischten und triller-
ten und die Diener hüpften und flogen wie der Wind hin
und her. Mit einem Male erscholl das Krähen eines Hahns,
den Tumult übergellend, durch das Gewölbe, und eine Art
von Lähmung ergriff die Diener und fremden Gäste, die Lands-
knechte und den Graurock ausgenommen. Der Letztere aber
setzte sich jetzt in einen Stuhl, räusperte sich einige Male
und sprach zu den Landsknechten, welchen das überlaute Krähen
des Hahns sonderbar vorgekommen: „Sputet euch, meine
Herrn und Gäste! Der Wächter wittert schon den Morgen,
und wenn seine Stimme zum zweiten Mal durch das Gewölbe
gellt, muß Alles zur Ruhe. Ja, meine Herrn, wir Tobten
halten genau ans Ordnung, und die Zeit ist uns knapp zugemessen. “
Da lachten ihm die Landsknechte in's Gesicht und sprachen:
„Grauröcklein hat zu tief in den Becher geguckt und ist jetzt
besoffen, drum schwatzt er so tolles Zeug daher;" aber das
Grauröcklein kümmerte sich nicht ob der Rede, sondern fuhr
fort: „Hört mich erst an, ihr lustigen Vögel, und dann lacht,
wenn ihr noch Lust habt, weidlich über mich. Es ist schon
lange her, da war ich in dieser Burg Kellermeister wohl man-
ches Jahr, habe meinem Amte vorgestanden in Zucht und
Ehren, wie sich's einem wackern Manne geziemt, und mein
Keller litt nie Mangel an guten Weinen. Bei sogestalteten
Umständen ist es nicht anders denkbar, als daß ich täglich
mein gehöriges Quantum zu Leibe nahm; es ist eines jeden
wackern Kellermeisters Schuldigkeit und Pflicht, die Weine
von Grund aus beurtheilen zu können, und wie mag er dies
erlernen, als durch häufiges Erproben. Das that ich auch,
aber in dem Maße, daß ich über dem häufigen Trinken ganz
fast das Heil meiner Seele vergaß, und mich die Leute wohl
für einen wackern Kellermeister aber schlechten Christen hielten.
Mein vormaliger Herr und Gebieter war ein lustiger Kämpe,
der manchen derben Spaß liebte, nebst einem guten Trunk,
und hatte überhaupt, wie man sonst sagte, ein weites Ge-
wiffen. Da ist es geschehen am grünen Donnerffdg gegen
Abend, daß der Ritter mit mir eine Wette einging, wer den
andern unter den Tisch trinken würde; wir sind hier unten
beisammen gesessen bis sder Morgen gekommen, keiner hat
gewankt, und als es am Charfreitag gegen Abend zuging
und die Mette längst zu Ende war, sind wir noch da gesessen,
keinem hat der Trunk das Bein unterschlagen, und es war
noch immer unentschieden, wer den Platz am längsten behaup-
tete. Da ist der gnädigen Frau Magd zum drittenmal zu
uns herabgekommen und hat den Ritter auf den Knieen gebe-
ten, doch ins Zimmer der Gräfin zu kommen, denn dos junge
i Herrlein liege in den letzten Zügen. Da ist der Graf hinauf
gegangen; wie er ins Zimmer seiner Gemahlin hineintritt,
kommt ihm diese mit großem Geschrei entgegen und hält

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ihm den Sohn todt in den Armen hin. Von diesem Augen-
blick an hatte mein Herr keine ruhige Stunde mehr; er schlich
Tag und Nacht umher wie ein Träumender, sprach nicht und
lachte nicht, und trank nicht mehr, es war, als ob es ihm
ein böser Zauberer angethan. Man sagte, er hätte Gewissens-
bisse gehabt ob seinem leichtsinnigen Thun und Treiben, und
als er auf einmal verschwand, hieß es, er hätte eine Mönchs-
kutte angezogen, um seine Sünden abzubüßen. Statt aber
sein Beispiel nachzuahmen, lachte ich nur darüber, und als
ich nach einigen Jahren auf dem Todtenbelte lag, trieb ich
meine Frechheit so weit, daß ich den Burgpfaffen Hierony-
mus, der mich zum Sterben bereitete, fragte, ob im Himmel
auch Wein getrunken werde, und als er dies verneinte, ent-
gegnete ich, daß ich dann gar nicht in den Himmel kommen
möge, und am liebsten mich in meinem Keller lebendig oder
todt aufhalten würde. Darauf bin ich gestorben ohne Beicht
und Buße, man hat mich eingescharrt drüben an der Burg-
kapelle, und auf einmal ist es mir gewesen, als ob ich aus
einem dunkeln, verworrenen, schauerlichen Traume erwachte,
und ich stand, so wie ich jetzt bin, auf dem nemlichen Platze
wo wir sind, und eine fürchterliche Stimme donnerte in meine
Ohren: „„Weil du versäumt hast die Zeit der Buße und noch
auf dem Sterbelager gefrevelt mit dem Heiligen, so sei dir dein
Wunsch gewährt zu eigener Pein bis ans Ende der Tage,""

„Jahre lang bin ich in dem Gewölbe gesessen, habe ge-
trunken und getrunken alleinig und einsam von der fürchter-
lichsten Langeweile gequält. Im Anfänge ging es noch so
ziemlich, aber als die Burg nach und nach verödete und
Alles aus den zerfallenden Mauern floh, wünschte ich hun-
dert und tausendmal im Grabe liegen bleiben zu dürfen,
aber es trieb mich immer wieder heraus in den Keller, bis
ich am Ende auf den Gedanken kam, mir zur Gesellschaft
Gäste zu laden. Sechs Stunden im Umkreis habe ich das
Recht, solche anzuwerben, und meine Gewalt erstreckt sich nur
auf eine gewiffe Art von Menschen, mit deren Gewissen es
nicht zum richtigsten bestellt ist. Stirbt einer von denen,
die ich je zu Gaste geladen, und die an dieser Tafel gezecht
haben, so ist er auch nach seinem Tode noch in meiner Ge-
walt, und muß erscheinen in der Stunde der Nacht, die den
Geistern geweiht ist, so oft ich ihn einlade. Alle diese Dir-
nen und Herren und Knechte sind schon gestorben, die einen
länger oder kürzer, und in der Zeit von 50 Jahren werdet
ihr Alle erscheinen müssen, da ihr Handgeld genommen und
an meiner Tafel gesessen seid."

Die Landsknechte wollten das Grauröcklein auslachen,
aber es war ihnen so sonderbar und schläfrig zu Muthe, daß
ihnen die Augendeckel wider Willen zufielen, und trotz aller An-
strengnng konnte sich keiner wach halten, Ihre Köpfe sanken
auf den Tisch, und ihr lautes Schnarchen zeigte bald, daß
sie eingeschlummert. Da tönte der Hahnenruf zum zweiten-
male; die Fackeln an den Wänden erloschen von selber, die
Dirnen und Burschen machten sich geräuschlos davon. Als
Alles fort war bis auf den Graurock und alle Lichter ausgelöscht
bis auf das, welches er in den Händen hielt, trat er zu den
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