Fliegende Blätter (3.1846 (Nr. 49-72))

Die Schatzgräber.

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Niemand hat ihn gesehen, Niemand weiß, woher er gekommen, Niemand
I wohin er gegangen ist. —

Wann kommt denn das Gold? fragte der Mann mit dem Raritäten-
kasten ungeduldig und strich seinen feuerfarbigen Bart mit dem Daumen
und Zeigefinger der linken Hand.

Nur Geduld! Zeit bringt Rosen, und mit der Zeit und ein klein
wenig Arbeit wird das Maulbeerblatt sogar Seide. Ich bin noch
. lange nicht zu Ende. Was sagt ihr dazu, Frau Veronika, ist es nicht
; schaudrig?

Ja! meinte diese, es könnte schon noch ärger sein; sie finde noch gar '
nicht viel Schauderhaftes dabei.

Wäre es nur Nacht, nahm der Schäfer den Faden der Rede wieder
auf, und stellte die Kanne, woraus er eben getrunken, bedächtig auf den
Tisch; ihr alle sollet genug hören, und wem es nicht eiskalt am Haar-
schopf hinaufrieselt, der mag sagen: ich hätte gelogen. Also hört weiter:

^ Mittlerweile war es kühler geworden, die Bäume und Häuser warfen
schon lange Schatten, und ich dachte, kannst jetzt wohl mit deiner Heerde
I ausfahren, pfiff meinem Pyhlax und b hüt euch Gott Frau Wirthin, ging
ich davon. Wirst schon sehen Morgen, was du in deinem Geldbeutel
! statt des Sechsers hast; geschieht dir Recht, gibst so keinem Armen etwas. '
— Wie der Thau stark anfiel, trieb ich meine Schafe in den Pferch und
legte mich in nieinen Karren, lieber inir funkelte und flimmerte Alles
von Sternlein und am ganzen Himmel sah man kein Wölklein; nur über
; den Edelstedter Wald zu zuckte es mitunter und wetterleuchtete ganz schön
und kühlte den Himmel ab. Nachdem ich eine Weile dieses betrachtet,
betete ich meinen Nachtsegen, bekreuzte mich und meine Heerde, damit der
Böse keine Gewalt über uns haben konnte, befahl meinem Phylax munter
zu sein, und schlief in Gottes Namen ein. Aber was geschieht? auf

einmal wache ich auf, es pfeift und heult der
Wind von den Wiesen herüber, als ob er mei-
nen Karren wegfegcn wollte; ich stoße die Thür
auf, schaue hinaus, und wie eine feurige Peitsche
fliegt der Blitz durch die Wolken und knallt und
kracht, daß der Erdboden zittert. Der Regen
stürzt herab wie aus Eimern gegossen und prasselt
und patscht auf meinen Karren, daß man sein
eigen Wort nicht hören konnte, und aus all
dem Getümmel höre ich bisweilen das Stöhnen
und Knurren meines Phylax. Wie ich aber so
Hinausgucke aus meinem Karren, da seh' ich im
Regen von den feurigen Blitzen umringelt, den
Mann mit der blechernen Büchse auf der Karren-
deichsel sitzen und er lacht mich an und sagt kein
Wort. Mir fährts eiskalt den Rücken hinauf über
den Schädel hinüber, und voll Schrecken schrei ich :
alle guten Geister loben den Herrn, sag an,
was ist dein Begehren? Es blitzt wieder und
viel heller als vorher, und er nickt mir zu und
winkt mit den kralligen Fingern, zu ihm hinaus
zu kommen; ich aber schrei in der Angst: Phylax,
allons faß an! und beim Blitzstrahl! was thut
das Best? es kriecht winselnd mit eingezogenem
Schweif immer weiter unter den Karren und
gibt keinen Laut von sich, was es sonst gewiß
nie that. Auf zweihundert Schritte hat er alle-
mal gemeldet, was kommt, Freund und Feind;
aber freilich Geister und Gespenster sind etwas :
andres! Also was geschieht? der fürchterliche
Mann langt am Ende mit seinem baumlangen
Arm in den Karren herein, ich weiche zurück;
aber die spindeldürren Finger werden immer
länger und länger wie Spinnenfüße, und er er-
wischt mich zuletzt am Hemde und zerrt und
zerrt; ich will schreien, kein Laut geht aus der
Kehle, und er zerrt so lang, bis er mich aus
dem Karren gezogen hat, und nun nimmt er
niich mit seiner steinkalten Hand beim Arm und
führt mich durch Blitz und Regen, wohin glaubt
ihr? — zum Meucnloch. — Drinnen sitzt die
Hexe auf einem Felsstück in ihrem langen
schwarzen Kleide und hat einen schneeweißen
Schleier übers Gesicht geworfen, und weint, daß
die Zähren von ihr weglaufen.

lFortsetzung folgt.)