Die Schatzgräber.
wäre aus Theinheim, und mit dem käme er am sichersten
dahin. Beide wanderten nun zusammen den schmutzigen Weg
im Dunkel durch den Wald, und es geschah manchmal, daß
der Raritätensammler und sein Riesenkasten in dem Schmutze
! neben einander lagen, wenn die Füße unvorsichtiger Weise
über eine Wurzel gestolpert oder auf einen lockeren Stein ge-
! treten waren, und der Holzhacker hatte viel Mühe und Ge-
1 duld, ihm jedesmal den schweren Kasten Ivieder auf den Rücken
bringen zu helfen. Wie sie aber das Ende des Waldes er-
reicht hatten und der Wind nicht mehr so unheimlich in den
! Wipfeln der Fichten und Tannenbäume rauschte und ächzte,
I und auch der Pfad sicherer und fester wurde, begannen sie ein
vertrauliches Zwiegespräch, und einer entdeckte dem andern
seine Gedanken, den Hexenkaspar um Rath zu fragen, wie
- man den Schatz heben könne; denn daß ein Schatz in der
Meuenhöhle liege, davon waren sie nach des Schäfers Er-
I zählung überzeugt, und sie beschlossen zusammen das Unter-
nehmen zu wagen, da es doch selbander weniger fürchterlich
und abschreckend sei. Bevor sie sich von einander trennten,
LI
2.
Längs dem Bache, der durch Theinheim fließt, unweit
wo der Steg nach der sogenannten Insel hinüberführt, steht
ein Haus, und es sieht von außen gar reinlich und einladend
her. Von der Seite, an welcher der Bach hinfließt, ist es ■
von einigen alten, morschen Weidenbäumen überschattet, und
von den drei andern Seiten umgibt es ein Garten, reich an
Steinobstbäumen, und von allen Seiten fest umzäunt mit
eichenen Planken, wie ein pythisches Orakel, von dem man
sagt, daß man auch erst durch einen Hain, was in unserer
Forstsprache einem Garten bedeutet, ins Allerheiligste gelangte.
In diesem Hause wohnt der Hexenkaspar oder Zauberkaspar,
Wundermann oder wie die Namen alle heißen mögen, mit ;
denen ihn die ländliche Umgebung ausstattete. Er ist ein
Schuhflicker seines Gewerbes, oder auch Schuhmacher, und
dieser Name muß jetzt wohl sehr in Verruf gekommen sein
unter zünftigen Gewerbsleuten, denn man liest jetzt nur mehr
an den Aushängschildern: „Fußbekleider", „Calzolajo“, „Cor-
donnier“, u. s. m Des Hexenkaspars ursprüngliches Ge-
werbe also besteht im Schuhflicken, -und will er hinter der
Zeit nicht Zurückbleiben, so muß er sich 8avetier nennen,
was gar nicht übel klingt. Er ist schon sehr alt, aber kein
Mensch hat seinen Taufschein gesehen, und sieht doch immer
rüstig und munter aus, und die ältesten Greise wollen ihn
schon in ihrer Jugend gesehen haben, gerade so wie er am j
heutigen Tage noch aussieht, und allgemein glaubt man, er
habe den Stein der Weisen entdeckt, welcher die Kraft besitzen
soll, das Leben auf einige tausend Jahre zu verlängern. Es
kann sein, gewiß ist es nicht; aber das ist gewiß, daß kein
Mensch an seinem Häuschen vorübergeht, ohne eine heimliche
. gelobten sie sich gegenseitig auf Wort und Handschlag das
heiligste Stillschweigen über die Sache vor Jedermann, und
wer die beiden Männer im Dunkel der Nacht gesehen hätte,
: der würde geglaubt haben, es müßte ein ähnliches groß-
j artiges Werk in Aussicht stehen, wie bei der Schweizer nächt-
• licher Zusammenkunft auf der Rütliwiese, und es müßte ein
erhebender Anblick gewesen sein, diese beiden deutschen Männer
jene Zeit repräsentiren zu sehen, wo Wort und Handschlag
an Eidesstatt galten.
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wäre aus Theinheim, und mit dem käme er am sichersten
dahin. Beide wanderten nun zusammen den schmutzigen Weg
im Dunkel durch den Wald, und es geschah manchmal, daß
der Raritätensammler und sein Riesenkasten in dem Schmutze
! neben einander lagen, wenn die Füße unvorsichtiger Weise
über eine Wurzel gestolpert oder auf einen lockeren Stein ge-
! treten waren, und der Holzhacker hatte viel Mühe und Ge-
1 duld, ihm jedesmal den schweren Kasten Ivieder auf den Rücken
bringen zu helfen. Wie sie aber das Ende des Waldes er-
reicht hatten und der Wind nicht mehr so unheimlich in den
! Wipfeln der Fichten und Tannenbäume rauschte und ächzte,
I und auch der Pfad sicherer und fester wurde, begannen sie ein
vertrauliches Zwiegespräch, und einer entdeckte dem andern
seine Gedanken, den Hexenkaspar um Rath zu fragen, wie
- man den Schatz heben könne; denn daß ein Schatz in der
Meuenhöhle liege, davon waren sie nach des Schäfers Er-
I zählung überzeugt, und sie beschlossen zusammen das Unter-
nehmen zu wagen, da es doch selbander weniger fürchterlich
und abschreckend sei. Bevor sie sich von einander trennten,
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2.
Längs dem Bache, der durch Theinheim fließt, unweit
wo der Steg nach der sogenannten Insel hinüberführt, steht
ein Haus, und es sieht von außen gar reinlich und einladend
her. Von der Seite, an welcher der Bach hinfließt, ist es ■
von einigen alten, morschen Weidenbäumen überschattet, und
von den drei andern Seiten umgibt es ein Garten, reich an
Steinobstbäumen, und von allen Seiten fest umzäunt mit
eichenen Planken, wie ein pythisches Orakel, von dem man
sagt, daß man auch erst durch einen Hain, was in unserer
Forstsprache einem Garten bedeutet, ins Allerheiligste gelangte.
In diesem Hause wohnt der Hexenkaspar oder Zauberkaspar,
Wundermann oder wie die Namen alle heißen mögen, mit ;
denen ihn die ländliche Umgebung ausstattete. Er ist ein
Schuhflicker seines Gewerbes, oder auch Schuhmacher, und
dieser Name muß jetzt wohl sehr in Verruf gekommen sein
unter zünftigen Gewerbsleuten, denn man liest jetzt nur mehr
an den Aushängschildern: „Fußbekleider", „Calzolajo“, „Cor-
donnier“, u. s. m Des Hexenkaspars ursprüngliches Ge-
werbe also besteht im Schuhflicken, -und will er hinter der
Zeit nicht Zurückbleiben, so muß er sich 8avetier nennen,
was gar nicht übel klingt. Er ist schon sehr alt, aber kein
Mensch hat seinen Taufschein gesehen, und sieht doch immer
rüstig und munter aus, und die ältesten Greise wollen ihn
schon in ihrer Jugend gesehen haben, gerade so wie er am j
heutigen Tage noch aussieht, und allgemein glaubt man, er
habe den Stein der Weisen entdeckt, welcher die Kraft besitzen
soll, das Leben auf einige tausend Jahre zu verlängern. Es
kann sein, gewiß ist es nicht; aber das ist gewiß, daß kein
Mensch an seinem Häuschen vorübergeht, ohne eine heimliche
. gelobten sie sich gegenseitig auf Wort und Handschlag das
heiligste Stillschweigen über die Sache vor Jedermann, und
wer die beiden Männer im Dunkel der Nacht gesehen hätte,
: der würde geglaubt haben, es müßte ein ähnliches groß-
j artiges Werk in Aussicht stehen, wie bei der Schweizer nächt-
• licher Zusammenkunft auf der Rütliwiese, und es müßte ein
erhebender Anblick gewesen sein, diese beiden deutschen Männer
jene Zeit repräsentiren zu sehen, wo Wort und Handschlag
an Eidesstatt galten.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Schatzgräber"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)