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Curtis Brautfahrt.

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.ES wird spät, Mr. CurtiS*, flüsterte endlich daS holde
Mädchen, indem sie ihm leise die Hand entzog und von ihrem
Stuhle aufstand; — wie mit Purpur übergoffen war ihr lie-
bes Angesicht; — .wir müssen uns für heute Abend trennen
— sprechen Eie morgen mit meinem Onkel."

.Fanny", sagte CurtiS noch einmal und wollte seinen Arm
um ihre Taille legen, .Sie haben mich zum Glücklichsten—"

Fanny stieß einen leisen Schrei auS, denn mit fürchter-
lichem Gepolter kam ein großer Stein zu dem niederen Kamin
herunter, daß Funken und Asche weit umher stiebten; gleich
darauf schlugen die draußen gelagerten Rüden an, und umbell-
ten wüthend das HauS.

.WaS um GotteSwillen?" schrie CurtiS.

„8ick 'ein!" sagte der alte Peterson, im Schlafe die
Hunde antreibend.

.Gute Nacht!" flüsterte Fanny dem Glücklichen jg; „gute
Nacht, Mr. CurtiS."

.Gute Nacht, theure, theure Fanny!" rief dieser entzückt,
drückte noch einen heißen Kuß auf die nicht widerstrebende, zier-
liche kleine Rechte und suchte dann ebenfalls das für ihn be-
reitete Lager.

Aber an Einschlafen war nicht zu denken, wie mit Schmiede-
hämmern tobte eS ihm in den Schläfen, und wenn er sich auch
unruhig bald auf diese bald auf jene Seite warf, kein Schlum-
mer kam in seine Augen; die Hähne krähten schon wieder, draußen
im Walde kullerte der wilde Truthahn und die Eule heulte ihr
Morgenlied, als er endlich in einen leisen Schlaf der Ermattung
sank, aus dem ihn bald wieder das Holzschlagen des alten Peter-
son weckte, der gleich darauf mit einem schweren Klotze auf der
Schulter in daS Haus trat, und diesen, als Rückstück, in's Feuer
warf.

Er sprang auf, kleidete sich an und folgte dem Alten vor
die Thür. Hier gestand er ihm denn seine Liebe für dessen
Richte, behauptete ihrer Einwilligung gewiß zu sein, und bat
um seinen Segen und seine Zustimmung.

Peterson hatte eS, nach Allem was er am vorigen Abend
gesehen, erwartet, sprach sich aber recht herzlich gegen den Far-
mer aus, wie er sich fteue, daß seine Nichte so vernünftig ge-
wesen, eine so kluge Wahl zu wessen, und versprach ihm, da-
für zu sorgen, daß es ihm fortan recht gut und wohl gehen
solle, da Fanny keineswegs unvermögend, dem Manne ihrer
Wahl nicht allein ihre liebreizende Gestalt, sondern auch ein
recht ansehnliches Grundeigenthum wie verschiedenes anderes be-
wegliches Befitzthum mitbrächte.

Noch an demselben Morgen ward AlleS geordnet und
CurtiS wünschte nun mit seiner jungen Braut den Fourche la
fave hinunter, zu Mr. Houston, dem nächsten Friedensrichter, zu
reiten, um dort mit ihr für immer vereinigt zu werden; Fanny
aber bat den Bräutigam, ihr den Gefallen zu thun und sie den
Fluß hinauf zu dem etwa fünfzehn Meilen entfernten Richter
Welmot zu begleiten, der, ein Freund ihres verstorbenen Va-
ters, stets den innigsten Antheil an ihr genommen, und jetzt
auch dem wichttgsten Schritte ihres Lebens beiwohnen solle.

Hiergegen ließ fich nichts einwenden, CurtiS war sehr gern
damit zufrieden, und seinem Wunsche nach wären sie augenblick-
lich aufgebrochen; Fanny hatte aber noch so viel zu ordnen, so
viel zu besorgen, daß der Nachmittag heranrückte, und erklärte nun,
als der Vater vorschlug, den nächsten Morgen abzuwarten, „sie
wünsche bei einer Freundin, die etwa auf der Hälfte Weges
zwischen hier und dem Richter wohnte, zu übernachten, wo auch Mr.
CurtiS gern gesehen sein würde, da sie dort schon viel von ihm
gesprochen."

Wie hätte CurtiS dem holden Mädchen die erste Bitte ab-
schlagen können? waS Fanny wünschte, geschah; um drei Uhr etwa
brachen sie, herzlichen Abschied von Allen nehmend, auf, und
der alte Peterson gab noch, da er der dringenden Arbeiten wegen
nicht selber miweiten konnte, der Nichte einen Zettel*) für den
Friedensrichter, der — freilich etwas unorthographisch, doch hin-
reichend war, jenen mit seinen Wünschen bekannt zu machen.

Wohl noch eine Stunde vor Dunkelwerden erreichten sie die
Farm, in welcher Fanny die Nacht zu bleiben wünschte, wurden
hier auf das Freundlichste bewillkommt, und schienen sogar erwar-
tet zu sein, obgleich Curtis nicht begreifen konnte, wie daS möglich
war; die Unterhaltung ward übrigens sehr lebhaft geführt, und
Fanny ließ sich besonders viel von einem jungen Deutschen erzählen,
der eben auS den Ozark-Gebirgen zurückkam und hier ebenfalls
eingekehrt war, weil schwerdrängende Wetterwolken eine stürmische
Nacht verkündeten. Curtis fühlte sich übrigens sehr abgespannt;
drei Nächte lang hatte er fast jedes Schlafes entbehrt, und die
fortwährende Auflegung, in der er fich befunden, mußte überdieß
noch dazu beittagen, die Ermattung und Erschlaffung seines gan-
zen Nervensystems zu entschuldigen. Der Farmer bemerkte auch
bald seine Müdigkeit, winkte ihm seitab, und führte ihn in die
Ecke zu seinem Lager von weichgebreiteten Hirschfellen, auf das
er fich warf, und hier bald dem Schlummergotte, der ihm so
lange tteulos gewesen, in die Arme sank.

In der Nacht machten die Hunde einmal einen fürchterlichen
Lärmen, und Curtis ttäumte, es fiele wieder ein Stein im Kamin
herunter; er wachte aber nicht davon auf, und erst ein unruhiges
Umherlaufen im Haus, und ein Auf- und Zuschlägen der Thüren
erweckte ihn.

Es war schon Heller Tag, die Sonne schien durch die Seitenspal-
ten deS Blockhauses, als sie eben die dunkelwogenden Fichtenwipfel
überstieg, und der Deutsche schnürte vor dem Kamin die wollene Decke
zusammen, um seine Wanderung, den Fluß hinunter, fortzusetzen;
Fanny konnte aber auch noch nicht auf sein, denn er sah sie nirgends.

Mit außerordentlicher Geschicklichkeit, die auch wirklich nur
dem daran gewöhnten Hinterwäldler eigen ist, kleidete er sich
jetzt unter der Bettdecke so weit an, daß er aufstehen, und seine
Toilette vor den übrigen Mitgliedern der Familie vollenden
konnte, und trat nun ebenfalls zum Feuer.

Fanny ließ noch immer Nichts von sich sehen.

„Mr. Curtis", sagte endlich der alte Farmer, als er die
ungeduldigen Blicke bemerkte, die der feurige Liebhaber nach

*) Der Zettel lautete wörtlich: „Plees Sir — merry the too
yong peepel; yoors M. Peterson.“
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