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Curtis Brautfahrt.

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die in diesen anspruchslosen Gegenden wirklich an Wohlhabenheit
grenzten. Kaum glaublich ist es, aber die Ursache lag einzig
und allein in jener Angewohnheit, von seinem kleinen Neger
: und seinem baaren Gelde zu sprechen; er war verlacht und
i verspottet worden, und irgend Eines der Mädchen hätte
! lieber einen anerkannten Schuft geheirathet, als einen Mann,
der sich einmal — lächerlich gemacht.

Curtis fühlte das jetzt selbst, und er beschloß hinfüro die
Aufzählung seines Eigenthums zu verschieben, bis er darum be-
fragt werde — „doch" — fuhr er dann in seinem Selbstge-
spräche fort— „was bedarf ich dessen weiter —Nancy liebt mich
auch mit nieinen Schwächen, denn sie kennt meine gute» Eigen-
schaften ebenfalls, und ich werde jetzt das Glück zu Hause finden,
das ich, Thor der ich war, vergebens unter Fremden suchte."

Diese Nacht lagerte er bei einem alten Jäger, der, ziemlich
abgeschieden von anderen Ansiedelungen, sich dicht am Fluffesufer
eine kleine Hütte gebaut hatte, Viehzucht trieb und dabei jagte.
Er fand dort gastliche Aufnahme und Nahrung für sich und sein
Pferd; schlief auch, da er die Gewißheit hatte, der Alte könne
^ Nichts von seinem Unglück erfahren haben, sanft und ruhig die
Nacht, und war am andern Morgen, als die Sonne eben erst
den äußersten Hügelsaum vergoldete, schon wieder unter WegeS.

Ihn trieb jetzt die Sehnsucht heim, wie sie ihn vor wenigen
Tagen fortgetrieben, und freudig und stürmisch klopfte sein Herz,
als er endlich das eigene Dach hinter den maigrüne» Maulbeer-
bäumen, die dem Hofe Schatten gaben, hervorschimmern sah.

Der Braune wieherte ebenfalls vor Freuden, als er den
heimischen Trog erblickte, und Curtis streichelte ihm im Mit-
gefühl den schöngeformten Hals. — Ha — da war Nancy —
sie hatte das bekannte Wiehern des Braunen gehört, und war
in die Thür gesprungen, das heimkehrende Paar zu begrüßen,
das heißt, nicht etwa den Braunen und dessen Herrn, sondern
den Herr» und dessen — Frau; sie blieb auch etwas überrascht
in der Thür stehen, als sie Mr. Curtis allein zurückkehren sah,
dieser aber drückte dem treuen Thier die Hacke» in die Seite,
sprengte bis dicht vor die Pforte, blieb dort plötzlich mit einem
Ruck halten, und sagte:

„Guten Morgen, Nancy."

„Ei guten Morgen, Mr. Curtis", rief das fröhliche
Mädchen, „Sie scheinen ja heute gewaltig guter Laune zu
sein; ich dachte aber, Sie brächten Gesellschaft?"

„Wie gehts Nancy?" ftug Mr. Curtis, ohne jedoch auf
die letzte Bemerkung weiter zu achten, indem er immer noch
vor dem Hause hielt, und zu ihr aufsah „wie ist es die
Tage über gegangen?"

„Danke — gut, Mr. Curtis — sehr gut — aber warum
steigen Sie denn nicht ab? wo bleibt denn der Besuch? ich
habe das ganze Haus gescheuert und gekehrt."

„Schadet nichts, Nancy," sagte Mr. Curtis, und sah
sinnend auf den — kleinen Neger nieder, der höchst bedeutungs-
voll vor ihm stand und dem Pferde nach dem Zügel griff —
i „ja Bob," ries er diesem dann zu, „führ ihn fort und füttere
ihn gut, ich reite nun sobald nicht wieder aus, der Braune soll

sich eine Woche lang pflegen, denn zu Richter Houstons neben-
bei können wir zu Fuße gehn. Höre Nancy," wandte er sich
dann an das junge Mädchen — „ich Hab Dir viel zu erzählen,
und muß Dich um etwas ftagen."

„Mich? — ei um was denn?"

„Sollst es gleich erfahren, aber — Du hast Dir ja all
Deine Sonntagskleider vorgeholt? ist ein Tanz i» der Nähe?"

„Ach Mr. Curtis — ich hätte Ihnen auch viel zu er-
zählen" sagte Nancy, und wurde feuerroth.

„Nun Nancy? heraus mit der Sprache," lächelte dieser,
„heraus mit der Sprache — was ist's?"

„Ach, Sie werden mich auszanke»!"

„Ich Dich auszanken, Nancy ? habe ich Dich jemals ausgezankt?"

„Ach Gott ja, wissen Sie wohl das eine Mal, wo ich
über den kleinen Reger" —

„O — Ilnstnn," sagte Mr. Curtis.

„Es war Jemand hier, während Ihrer Abwesenheit," fuhr
Nancy fort.

„So? wer denn? aber was wolltestDu mir denn erzählen ?"

„Mr. Pelter, Sir, — der junge Mr. Pelter." —

„So? wollte er das Joch Ochsen kaufen, wegen dem er
sich schon fast die Füße abgelaufen hat?"

„Nein — er—er hat" sagte Nancy zögernd und biS in die
Haare hinauf erröthend— „er hat um meine Hand angehalten."

Curtis zuckte, wie von einem Blitzstrahl getroffen, zusam-
men, und blickte dem Mädchen so wild, so stier in's Auge, daß
dieses erschreckt einen Schritt zurücktrat und ausrief:

„Mr. Curtis!"

Es war aber auch nur ein Moment, dann geschah ihm das, j
was uns armen Sterblichen nicht selten geschieht, wenn ein Unglück
so schnell dem andern folgt, daß wir kaum Zeit behalten, über das
erste nachzudenken, während schon das zweite und dritte nachbricht—
die ganze Sache kam ihm komisch vor — er schlug ein fürchter-
liches Gelächter auf und fing dann wie wahnsinnig an zu pfeifen.

Nancy sah ihn erschrocken an — was konnte dem Manne j
wohl fehlen ? sein ganzes Benehmen war ihr schon sonderbar erschie-
nen — sollte er — es wäre schrecklich —übergeschnappt sein? —

„Bob!" rief Curtis seinen kleinen Neger an —

„Jes Mafia."

„Sattle den Rappen, der Braune mag sich ausruhen, ich
muß fortreiten."

„Aber Mr. Curtis" — sagte Nancy.

„Und wann wollt Ihr Euch verheirathen, Nancy?"

„Sobald Sie zurückkommen — heute" — stotterte Nancy.

„Willst Du mir einen Gefallen thun, Nancy?"

„Gern — von Herzen gern — welchen?"

„Willst Du noch bei den Kindern bleiben und auf das
Haus acht geben, bis ich, vielleicht in acht Tagen, zurückkehre?"

„Das will ich mit Freuden, aber — wo wollen Sie denn
hin?" —

„Nach Tenessee hinüber, vielleicht nach Kentucky," sagte
Curtis, und trat vor die Thüre, denn in diesem Augenblick
brachte Bob den Rappen.

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