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Ein gelehrter Thee.

aus der Tasche hervor. Er begann: „Ich hin also so frei,
einige kurze Andeutungen über die Schlangen und ihre Be-
schaffenheit vorzutragen. Die Schlangen (Serpentes) theilt
man in entschieden giftige und ungiftige, und wollen wir, der
Kürze wegen, nur die wichtigsten Gattungen hervorheben. Die
giftigen Schlangen (Aspides). Während die ungiftigen
Schlangen in ihrer Oberkinnlade zwei Reihen von Zähnen
haben, welche eben so wie die in einfacher Reihe stehenden
der Unterkinnlade etwas nach hinten gebogen sind, zeigt sich
dagegen bei den giftigen nur eine Reihe von Zähnen (die der
Gaumenzähne) in der Oberkinnlade, und statt der andern steht
an jeder Seite der röhrenförmige Giftzahn im Oberkieferbein,
welches auf leichtbewegliche Weise am Keilbein deS Schädels
eingelenkt ist. Von dieser widerwärtigen Thierfamilie leben,
besonders in den schönen Palmenländern, wo es so tausend-
fältig bunte Blumen, herrliche Früchte und kostbare Edel-
steine gibt, so viele furchtbar giftige Arten, deren Biß in we-
nig Minuten tödtet, daß einem schon dies allein jene schönen
Länder gar sehr verbittern kann. Denn, wenn man oft seine
Hand nach einer prächtigen Blume oder Frucht ausstreckt, oder
sich auf einen smaragdgrünen Rasen niedersetzen will, da schießt
eine giftige Schlange heraus und nimmt alle Freuden sammt
dem Leben selber weg. Nicht einmal in seinem eigenen Hause
ist man davor sicher. Darum will ich denn doch lieber in
meinem Lande bleiben, wo es zwar keine Palmen- und Ba-
nanen - Früchte, aber doch auch nicht so viele giftige Schlan-
gen, Scorpionen und Tiger gibt, und es ist doch gut, daß je-
des Land seine Freuden, aber auch jedes in demselben Verhält-
niß seine Plage hat, und daß, wo viel Lust, auch viel Last ist."
In dieser Weise docirte der gute Hoftath fort. Bei dem Ka-
pitel von den Blindschleichen gedachte er abermals der im
Glase dahingeschiedenen und unterdrückte nur mühsam eine
Thräne. Die Vorlesung währte bereits über eine volle Stunde.
Tiefe Stille hatte die längste Zeit geherrscht, doch allmahlig
ließ sich ein Lärm vernehmen, wie wenn unten auf der Straße
Bretter gesägt würden. Die Einen lagen mit weit zurückgebo-
genen Köpfen auf ihren Stühlen, die andern hingen schief
auf selben, so daß man besorgen konnte, sie würden jeden Au-
genblick herabpurzeln, wieder andern hing das Haupt auf der
Brust. Der Herr vom Hause war eines der ersten Opfer seiner
Aufmerksamkeit geworden. Er befand sich schon längst im Traume
bei den Freunden und den Cigarren im Kaffeehause. Nur die Frau
des Hauses balgte sich noch mit dem schwerfälligen Gott Morpheus
tapfer herum, obgleich selbst ihr die Augenlieder sich schließen
wollten. Sie konnte sich den ehrenvollen Triumph nicht ver-
sagen, unter den schlafenden Jüngern allein gewacht zu haben.

Der Hoftath hatte geendet und entschuldigte sich über
seine gar langweilige Abhandlung. Alles erwachte und die
gelehrte Versammlung verließ Einer nach dem Andern den Sa-
lon. Aber der Herr vom Hause schlich ganz sachte in sei»
Zimmer, warf sich in den bequemen Schlaftock, ließ sich ein
GlaS Gerstensaft bringen und schmauchte seine Cigarre dazu.

„Nun", seufzte er, „acht Tage ist wieder Ruhe!"

Tragische Nachtgedanken der Dichterin
Karoline Flick.

Hinan, hinan zum dornumranktcn Hügel,

Wo Kunst, Natur und Grab so einsam glüht,

Und wo so ahnungsvoll der Göttin Flügel
2m Sternäonenmeer die Furchen zieht!

Du Nebeldunst von weitcntlegnen Welten,

Ihr Felsen, wo die starre Nacht gerinnt:

Laßt ihr mein dämmervollcs Herz entgelten,

Daß dort am Faden schon die Parze spinnt?

O! laßt mich rnh'n im Donnerschein der Wiesen,

Wie die Myriaden, die die Sonne zählt,

Wenn hingestreckt zu eines Weltalls Füßen
Mein Ich das grimmigste Geheimniß qnält!

Wenn auch von Menschenliebe voll der Busen,

Der dem Begriff sein Schwermuthsdascin leiht,

Hat doch der kalte Tod auch seine Musen,

Rach denen dort das Käuzlein bangend schreit.

, GS ist genug! So fleuß denn hin, o Zähre,

Bis mit des Wesens Macht der Geist erscheint.

Und in der Dämm rung undnrchdrung'ner Leere
Das Selbstbewußtsein mit dem Ich vereint.

Ks ist genug! ich mag nicht länger dichten!

Des Daseins Wonne war des Lebens Glück,

Umroset von des Weibe« hehren Pflichten.

Lebt wohl! Schon ruft mein Todesgenius:

Karoline Flick!

K. G. R.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Tragische Nachtgedanken der Dichterin Karoline Flick"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schmolze, Carl Hermann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Schriftsteller <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Dichter <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 63, S. 118
 
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