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Der Gast ans der Stadt.

So oft die Herbstferien kamen, verließ Professor Pytha-

! goras, wie ihn seine getreuen Jünger nannten, die dumpfen
Straßen der Stadt und besuchte seinen Jugendfreund, den
Pfarrer Biedermann in Moos. Dort genoß er die reine Land-
luft, die reifenden Trauben und die kampflustigen Hähnchen
des treuen Studiengenossen, der einen nicht zu verachtenden
Geisenheimer in seinem Keller führte, kurz alles hervor suchte,
dem Herrn Professor die ländtiche Einsamkeit angenehm zu

machen. Und sic gefiel dem Herrn Professor gar wohl; denn
so sicher als die Schwalben nach dem ersten Herbstnebcl ft J
auf dem alten Kirchdache des Dörfleins versammelten, so sicber
rechnete Gottlob, der Knecht, darauf, daß er den Montag na )
Egydi nach dem Bahnhofe zwei Stunden durch ?rcld und
Moor fahren müsse um den Herrn Professor allda abznholcn.
Aber Gottlob fuhr nicht gern dahin. Elf Jahre hatte er den
Weg zweimal elfmal gemacht und oft bei der Rückreise des
gelehrten Herrn die alten Braunen gepeitscht daß sie den
! Hof zu rechter Zeit erreichten; aber nie war ein Trinkgeld
aus des Professors Tasche in seine Tasche gewandert. Der,
der tvar geizig, sehr geizig. Auch die alte Haushälterin des
! Herrn Pfarrers sah darum den Gast lieber gehen als kommen,
denlN schon manches Jahr hatte er ihr erzählt, daß er itn
ein seidenes Halstuch habe mitbringcn wollen, aber^ richtig
wieder in der Eile der Abreise es vergessen habe. Das be-
trübte den würdigen Herrn Pfarrer. Das mußte anders wer-
den. Ter akademische Gast hatte wieder seine vierzehn wage
otimn pastorale, wie er cs nannte, gefeiert; wieder hatte
Gottlob früh fünf Uhr die Braunen mit verdrießlichem Ge-
sichte an die alte Kutsche gespannt; wieder schieden die Freunde ;

. Iviedcr hatten beide sich schon die üblichen drei Abscksiedsküffe
! gegeben — da griff der Pfarrherr in seine Hosentasche, ergriff
| alsdann die Hand des Scheidenden und sprach: „Bruderherz,

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noch eine Bitte! Meine Dienstleute sind durch die großthneri-
schen Nachbarn jetzt gewaltig verwöhnt worden. So oft Je-
mand zur Kirmes; oder zum Erndtefcste bei mir gewesen ist,
hat er jetzt regelmäßig den Dienstboten ein Trinkgeld gegeben.
Ich hasse das, denn es demoralisirt die Menschen. Aber wer
kann cs ändern? Gehen sie doch sogar so weit in ihrer Frech- !
heit, daß sie auf Dich jetzt murren: „Der Professor konnte
uns doch auch ein Trinkgeld geben." Das habe er selbst
den Knecht im Hofe sagen gehört. Thu mir die Liebe, j
Bruderherz. Nimm hier diesen Gulden. Gicb ihn den,
Knechte auf dem Bahnhöfe als Trinkgeld. Wir verstehen
uns. Vale, anima mea."

Der Professor nickte, stieg in die Kutsche und — Gott-
lob klatschte über die Rücken der Braunen hin. Fort waren sic. .

Gegen Mittag kam Gottlob lvieder mit dem leeren Wa-
gen. „Nun?" rief ihm der Pfarrer entgegen, „nun, Gottlob?
>vas ist Dir denn passirt? Du siehst ja recht munter aus?"

„»Ja, Herr Pastor," — war Gvttlobs Antwort —
„wir kriegen eine Leiche. Der Professor hat mir ein Trink-
geld gegeben!""

„So? ivie viel denn?"

„„Bier Groschen.""

Lebendiger Vortrag.

Auf der Universität demvnstrirte ein Professor der Theo- J
logie seinen Zuhörern die Thatsache, daß Bileams Esel wirk-
lich gesprochen habe, so eindringlich und lebendig vor, daß
dieselben den Esel ordentlich reden hörten.

Ein Tiroler Witz.

Im kaiserlichen Anitsgebäude der Stadt Glurns im Thalc !
Bintschgau, welche Stadt man nicht gleich Karthago mit den
Streifen einer einzigen Ochsenhaut umspannen könnte, weil
nämlich ein zerschnittenes Katzenfellchen überschwänglich lang
dazu würde, der Stadt Glurns, in welcher jeder mittelmässige
Kegelscheiber, unter dem einen Thore stehend, seine Kugel beim
entgegengesetzten Thore hinauswerfen kann, so daß dieselbe
noch durch eine namhafte Vorstadt rollen würde, falls eine
solche vorhanden wäre, - der Stadt Glurns, welche ans den
Thoren die stolze Aufschrift trägt „gloria vallis“ (des Thalcs
Ruhm) sintemal keine andere Stadt in Vintschgan vorhanden
ist, welche ihr diesen Ruhm streitig machen könnte, — der '
Stadt Glurns endlich, welche einen halben Landtagsdcpntirten
in den seligen Tirolerlandtag schickte, dessen andere Hälfte die
berühmte tirolische Stadt Bits zu liefern hatte; — also: im
k. Amtsgebäude dieser Stadt Glurns erschien vor etlichen Tagen
ein hausirender Krämer und bot verschiedene Schreibrequisiten |
zum Verkaufe; unter andern rühmte er besonders seine Stahl-
federn und vor Allem pries er als die besten dieser Art die
„Napol eonsfed ern." Dies; hörte mit sichtlichem Erstaunen

J
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Gast aus der Stadt"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Kutsche <Motiv>
Karikatur
Trinkgeld
Reisender <Motiv>
Postillion <Kutscher, Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 30.1859, Nr. 725, S. 167

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