Fliegende Blätter (33.1860 (Nr. 783-808))

Wie der Rcvicrjägcr Hagedorn eine englische Fuchsjagd ohne Fuchs arrangirt rc. rc. 115

^ zur Abwechslung dem hügeligen Terrain zu. Mit mannig-
fachen Retouren, Absprüngen und Haken, die deni ältesten
Rammler Ehre gemacht hätten, steigt Hagedorn Berg auf und
ab, passirt schließlich noch einen Bach mit steilen Ufern auf

einem umgestürzten Kiefernstamme und endet seinen mühseligen
Zug mit einer weiten Bogenschwenknng in der Nähe des
Wirthshauses. Hier stand ein alter Ziegelofen, in dessen
Schürloch der erlöste Häring Iveit hinein geschoben wurde.

Hagedorn hätte nun gern auf diese sauere Arbeit noch
einige Bittere getrunken, allein im Wirthshause war schon
Alles todtenstill und so entschloß er sich denn, sein Schlas-
käinmerlein aufzusuchen, Ivo er denn auch bald >vie eine Holz-
säge schnarchte.

Am andern Morgen acht Uhr erschien Hagedorn pflicht-
gemäß im Zwinger, um die Hunde zum Usucke/vous-Platze
zu führen. Vorher löste er den noch immer unter der Decke
hängenden Häring, theilte ihn in zwölf kleine Portionen und
rieb jedem Hunde sein Deputat ans die Rase. In Betracht
einer dreißigstündigen Fastenzeit dürfte dies Frühstück gewiß
als ein sehr frugales zu bezeichnen sein.

Präcis nenn Uhr langte Hagedorn beim Ileiidez - voits
an. Die Jagdgesellschaft ist bereits versammelt und achtzehn
Rothröcke tummeln ihre Jork-Shirc-Pferde voll Thatenlnst
und Siegeshoffnung. Hagedorn klopfte bei diesem glänzen-
den Anblicke doch das schuldbewußte Herz ein wenig; er
sammelte sich indeß bald und meldete dem Herrn Baron, daß
er heute früh bei Sonnenaufgang einen Fuchs über den
Bocksberg kommen gesehen, der beinahe so groß ivie ein Wolf
gewesen. Ter Bocksberg ivar aber eben der Ort, wo Hage-
dorn seinen Häring zuerst niedergelegt und geschleppt hatte.

Tie ganze Jagdgesellschaft zog also znm nahen Bocks-
berg, die Hunde wurden losgekoppelt und begannen eine leb-
hafte Suche. — Polydor, der branngefleckte Hund berühmter
Abstammung, trifft zuerst auf die duftende Häringsfährte und
ein wehmüthiger, halbunterdrückter Seufzer entfährt ihm. —
Ans diesen kaum hörbaren Laut springt die weiße Hündin
Tiny sofort herbei und prüft die Fährte. Man hört einige
Male ihren abgebrochenen, hellen Laut und sofort ist die
ganze Meute zur Hand. Zwölf Rasen schnobern am Boden
und eben so viel weißbunte Ruthen wedeln und nicken über
dem kniehohen Haidekrante. Die Suche Ivird lebhafter, die
Ruthen peitschen und klatschen links und rechts an die dürren
Rippen und im nächsten Moment geht die ganze Mente mit
hellem Laut auf der Häringsfährte dahin, wie die Winds-
braut. Die Reiter sind größtentheils noch uneins mit ihren
Pferden, Hüten und Peitschen, denn ein so rasches Avanciren
hatte keiner erwartet; indeß sucht Jeder vom Platze zu kommen
und bald braust die zweite Phalanx hinterdrein, eine Wolke
von Staub aufwirbelnd.

Einen Augenblick noch und Hagedorn stand mutterseelen-
allein auf öder Haide und lachte, daß ihm die Thränen über
die Backen liefen. — Als nun auch der letzte Rothrock hinter
dem fernen Hügelrande verschwunden war, da brannte Hage-
dorn sein Morgenpfeifchcn an und dampfte wohlgcmnth dem
Wirthshause zu, wo seine beiden krummen Dächsel ihn be-
reits erwarteten. Jetzt wurde zunächst gehörig gefrühstückt,
Hagedorn war in der seligsten Stimmung und trank einen
Bittern nach dem andern.

Es war aber auch ein herrliches Plätzchen hier oben am
Wirthshause „znm stillen Vergnügen", wo Hagedorn sich nie-
dergelassen. Die Herbstsonne sendete ihre Strahlen so lachend
herunter, und das goldene Licht schien mit gleicher Lust im
grünen Weinlaub zu Hagedorns Haupte, wie im grünen Bit-
tern zu Hagedorns Rechten zu funkeln. Dazu die herrliche
Aussicht in die weite duftige Ferne, die Gegend war aller-
dings kein Paradies, aber für ein holsteinisches Torfmoor doch
ganz passabel. Und für brillante Staffage in der Landschaft

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