Ein Geburtst
beschreibt seine Bestürzung und das Erstaunen der Umstehenden,
als der noch kurz zuvor in patriarchalischer Würde dastehende
Organist Zacharias Klvkow plötzlich in eine Vogelscheuche ver-
wandelt war, und selbst die hohe weiße Nachtmütze, wie der
spitze Thurm von Zippel-Zörbig, auf den verunglimpften Schlaf-
rock hernieder zu sehen schiein
Eine unheimliche Stille herrschte im Zimmer; Alle waren
zu bestürzt um Worte zu finden.
Zacharias stand noch immer mit ausgespreitzten Armen
da, wie ein Erbsenmann, das Haupt hin und her bewegend,
bald ans die Arme, bald auf die Füße schauend, wobei die
Nachtmütze getreu jeder Bewegung folgte. Ter Rock war in
allen Theilen zu kurz, bedeckte den Körper des Trägers kaum
bis ans Knie, und die Aermel reichten nur bis an die Ell-
bogen. Lisbeth's Stolz itnb Freude, zu der sie seit Jahren
gesammelt, war auf immer verdorben.
Immer noch herrschte das vorige Schweigen. Endlich
brach der so bitter getäuschte Stadtorganist erzürnt in die
Worte aus:
„Das hat mir der stupide Schnciderbube gethan!"
„Nein, mein guter, lieber Herr Cantor!" rief plötzlich
die alte Marie, welche seither mit verhülltem Gesichte an der
Stubenthüre gestanden hatte, unter Weinen und Schluchzen
mit zitternder Stimme: „das bin ich gewesen; großer Gott,
ich hab's gut gemeint, ich wollte auch meinen Anthcil an
dem Geschenke haben und Ihnen eine Ucberraschung bereiten!"
„Ruhig, Marie, sei stille, mein Kind, nicht Tu, ich und
Clementine, wir sind die Schuldigen, haben doch wir den
Rock verändert und kürzer gemacht!" fiel Lisbeth ein.
„Nicht doch, Kinder!" sagte jetzt der sich schuldig fühlende
Zacharias; „ich selbst habe all das Unheil angestiftet und uns
agsgeschenk. 1^1
die ganze Festfreude verdorben, lveil ich den Rock zum Meister
Keilmann geschickt."
Nun ward's Allen klar und es erfolgte die ergötzlichste
Aufklärung, welche freilich Mutter Lisbeth manche Thräne
kostete, wenn sie an die sechs Berliner dachte, und Marie
viele Seufzer, weil Trautmanns Schlafrock nun doch der
bessere und ihr Wunsch unerfüllt geblieben war.
Der Organist besah noch den abgelegten verunglimpften
Warschauer mit trübem Blicke und sehnte sich nach dem alten
Institute, das ihn nie in eine solch lächerliche Situation ge-
bracht hatte, da klingelte das Glöcklein an der Hausthür, und
bald darauf schaute das lachende Gesicht des Briefträgers in's
Zimmer, welcher ein Schreiben in die Höhe hielt.
Clementine, die dies zuerst bemerkte, rief freudig aus:
„Ein Brief aus Halle!" — „Und ein Packet dabei," ergänzte
der gefällige Krause, Zacharias ehemaliger Schüler, indem er
näher trat; „Habs gleich mitgebracht, gratnlire auch schönstens
zum Geburtstage, mein guter Herr Cantor!"
Hastig und mit zitternden Händen öffnete der Organist
den Brief; schneller noch, mit Hilfe der Scheere, zertrennte
Clementine die Emballage des Packeis und während der Vater
mit thränenden Augen das innige Gratnlationsschrciben seines
Sohnes las, rief die froh jubelnde Tochter: „Ein schöner,
herrlicher, tuchener Schlafrvck!"
„Und vom alten Sturm, der sich meiner noch erinnert,"
sagte erfreut Zacharias, nachdem er den Brief zu Ende ge-
lesen. — „Der liebe Junge, mein August, von seinem Stunden-
gelde hat er den Rock bezahlt!"
Ter neue Hausrock fand allgemeinen Beifall und wurde
wegen seines derben Stoffes gar hoch gepriesen.
In der Freude seines Herzens konnte der Organist sich
nicht enthalten, trotz der gemachten traurigen Erfahrung, den
schönen Rock sofort anzulegen und siehe da, er saß, wie an-
gegossen, zur Freude aller Anwesenden; und als vollends ein
mit Seide gefüttertes schwarzes Sammtkäppchcn aus der Tasche
hervorsah, das Clementine mit herzlichem Lachen dem Vater
auf's Haupt setzte, da hatte man bald den früheren tragiko-
mischen Vorfall vergessen. Wie vergnügt stand nun Zacharias
da, in seinem Staate, wie ehrwürdig, ganz so, wie Marie im
Geiste sich ihn immer vorgestcllt hatte, und wie triumphirte
diese im Stillen, weil schließlich ihr Wunsch doch in Erfül-
lung gegangen, und der gute Cantor einen weit besseren
Schlafrock besaß, als der ihr verhaßte hochnäsige Trautmann.
Als darauf zuletzt Mutter Lisbeth zu Tische gebeten,
und Anastasius den guten Vater Klockow bei einen, Glase
von Clementinens selbstbereitetem Punsche hoch leben ließ, da
erschallte ein lauter Jubel durch das sonst so stille friedliche
Haus und des verstümmelten Schlafrocks wurde hierauf mit
herzlichem Lachen gedacht!
beschreibt seine Bestürzung und das Erstaunen der Umstehenden,
als der noch kurz zuvor in patriarchalischer Würde dastehende
Organist Zacharias Klvkow plötzlich in eine Vogelscheuche ver-
wandelt war, und selbst die hohe weiße Nachtmütze, wie der
spitze Thurm von Zippel-Zörbig, auf den verunglimpften Schlaf-
rock hernieder zu sehen schiein
Eine unheimliche Stille herrschte im Zimmer; Alle waren
zu bestürzt um Worte zu finden.
Zacharias stand noch immer mit ausgespreitzten Armen
da, wie ein Erbsenmann, das Haupt hin und her bewegend,
bald ans die Arme, bald auf die Füße schauend, wobei die
Nachtmütze getreu jeder Bewegung folgte. Ter Rock war in
allen Theilen zu kurz, bedeckte den Körper des Trägers kaum
bis ans Knie, und die Aermel reichten nur bis an die Ell-
bogen. Lisbeth's Stolz itnb Freude, zu der sie seit Jahren
gesammelt, war auf immer verdorben.
Immer noch herrschte das vorige Schweigen. Endlich
brach der so bitter getäuschte Stadtorganist erzürnt in die
Worte aus:
„Das hat mir der stupide Schnciderbube gethan!"
„Nein, mein guter, lieber Herr Cantor!" rief plötzlich
die alte Marie, welche seither mit verhülltem Gesichte an der
Stubenthüre gestanden hatte, unter Weinen und Schluchzen
mit zitternder Stimme: „das bin ich gewesen; großer Gott,
ich hab's gut gemeint, ich wollte auch meinen Anthcil an
dem Geschenke haben und Ihnen eine Ucberraschung bereiten!"
„Ruhig, Marie, sei stille, mein Kind, nicht Tu, ich und
Clementine, wir sind die Schuldigen, haben doch wir den
Rock verändert und kürzer gemacht!" fiel Lisbeth ein.
„Nicht doch, Kinder!" sagte jetzt der sich schuldig fühlende
Zacharias; „ich selbst habe all das Unheil angestiftet und uns
agsgeschenk. 1^1
die ganze Festfreude verdorben, lveil ich den Rock zum Meister
Keilmann geschickt."
Nun ward's Allen klar und es erfolgte die ergötzlichste
Aufklärung, welche freilich Mutter Lisbeth manche Thräne
kostete, wenn sie an die sechs Berliner dachte, und Marie
viele Seufzer, weil Trautmanns Schlafrock nun doch der
bessere und ihr Wunsch unerfüllt geblieben war.
Der Organist besah noch den abgelegten verunglimpften
Warschauer mit trübem Blicke und sehnte sich nach dem alten
Institute, das ihn nie in eine solch lächerliche Situation ge-
bracht hatte, da klingelte das Glöcklein an der Hausthür, und
bald darauf schaute das lachende Gesicht des Briefträgers in's
Zimmer, welcher ein Schreiben in die Höhe hielt.
Clementine, die dies zuerst bemerkte, rief freudig aus:
„Ein Brief aus Halle!" — „Und ein Packet dabei," ergänzte
der gefällige Krause, Zacharias ehemaliger Schüler, indem er
näher trat; „Habs gleich mitgebracht, gratnlire auch schönstens
zum Geburtstage, mein guter Herr Cantor!"
Hastig und mit zitternden Händen öffnete der Organist
den Brief; schneller noch, mit Hilfe der Scheere, zertrennte
Clementine die Emballage des Packeis und während der Vater
mit thränenden Augen das innige Gratnlationsschrciben seines
Sohnes las, rief die froh jubelnde Tochter: „Ein schöner,
herrlicher, tuchener Schlafrvck!"
„Und vom alten Sturm, der sich meiner noch erinnert,"
sagte erfreut Zacharias, nachdem er den Brief zu Ende ge-
lesen. — „Der liebe Junge, mein August, von seinem Stunden-
gelde hat er den Rock bezahlt!"
Ter neue Hausrock fand allgemeinen Beifall und wurde
wegen seines derben Stoffes gar hoch gepriesen.
In der Freude seines Herzens konnte der Organist sich
nicht enthalten, trotz der gemachten traurigen Erfahrung, den
schönen Rock sofort anzulegen und siehe da, er saß, wie an-
gegossen, zur Freude aller Anwesenden; und als vollends ein
mit Seide gefüttertes schwarzes Sammtkäppchcn aus der Tasche
hervorsah, das Clementine mit herzlichem Lachen dem Vater
auf's Haupt setzte, da hatte man bald den früheren tragiko-
mischen Vorfall vergessen. Wie vergnügt stand nun Zacharias
da, in seinem Staate, wie ehrwürdig, ganz so, wie Marie im
Geiste sich ihn immer vorgestcllt hatte, und wie triumphirte
diese im Stillen, weil schließlich ihr Wunsch doch in Erfül-
lung gegangen, und der gute Cantor einen weit besseren
Schlafrock besaß, als der ihr verhaßte hochnäsige Trautmann.
Als darauf zuletzt Mutter Lisbeth zu Tische gebeten,
und Anastasius den guten Vater Klockow bei einen, Glase
von Clementinens selbstbereitetem Punsche hoch leben ließ, da
erschallte ein lauter Jubel durch das sonst so stille friedliche
Haus und des verstümmelten Schlafrocks wurde hierauf mit
herzlichem Lachen gedacht!
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Geburtstagsgeschenk"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 799, S. 131
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg