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Die Falsche und doch die Rechte.

186

ick »och heute den lieben Gott auf den Kuieen dafür danke!"

— Ich sah meinen Begleiter ganz verwundert an und er
fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Sichst Du, Heinrich, das
ist eine Geschickte, die ich noch keinem Menschen erzählt habe,
aber weißt Du, Dir will ich'S doch erzählen. Jetzt, da die
Sacke so überaus glücklich für mich abgelaufen ist, kann ich
sic Dir schon zum Besten geben."

„Ja, ja," fuhr er fort, daß sie meine Frau geworden
ist und nickt ganz jemand anderes, daß verdanke ich nur
meiner gewöhnlichen Dummheit und der Confusion, die überall
da herrschte, wo ich die Hand im Spiele hatte!" — „Nun
wahrhaftig, Du machst mick neugierig, Fritz," entgegnete ich.

— „So höre nun, wie das zugegangen ist. Siehst Du,
Heinrich, Du weißt, daß ich mick Jahre laug als Hauslehrer
hingeschleppt habe, hie und da war ich cngagirt, überall en-
dete es sckließlick mit irgend einem Eclat. Daneben angelte
ich fort und fort nach einer Anstellung, hielt eine Menge
Probeprcdigtcn und zog meine Angel jedesmal leer aus dem
Waffcr. Meine letzte Hauslehrerstelle hatte ich bei einem Herr»
Winter, der war ein Gemüsehändler gewesen, hatte in der
Lotterie das große Loos gewonnen und wohnte nun in B. in
einem schöne» Hause Bellekage und spielte den große» Herrn.
Ick hatte die Nachkommensckaft des reiche» Herrn Winter zu
unterrichten, vier Kinder, Jungens und Mädels, kleine an-
maßende boshafte Geschöpfe, die mir das Leben nach Mög-
lickkeit sauer »rächten. Das kannst Du glauben, Hcinrick, unter
allen Mensche», mit denen man verkehren muß, sind die schlim-
sten diejenigen, die aus niederen Verhältnissen stammend, plötz-
lick reick geworden sind und nun die großen Herren spielen
wollen. Die wissen doch vor Anmaßung gar nickt mehr wie
sie sick lassen sollen und das erstreckt sick bis auf die Range»

herunter..., aber", unterbrach er sich, „ich wollte Dir ja nur
erzählen, wie ich zu meiner Mathilde gekommen bin. Ich
hatte die Verpflichtung, meine Bengel und Bengelinnen täglich
eine bestimmte Zeit spazieren zu führen, und da traf cs sich
häufig, daß ich zwei Frauenzimmern begegnete. Das ältere
Mädchen ging immer dunkel gekleidet und war . .. nicht ...
nicht sehr hübsch, die jüngere hingegen hatte helle blitzende Auge»
und ein wirklich allerliebstes Gesichtchen, so ein ganz klein wenig
schnippisch und wenn sie lachte — und sie lachte fast immer,
wenn ich den beiden begegnete — da blitzten die Zähne so weiß
wie Schnee. Und nun siehst Du, Heinrich, da ich das hübsche
Kind immer wieder sah, da verliebte ich mich geradezu in
sie, sic kam mir den ganzen Tag gar nickt mehr aus dem
Sinn, und wenn die beiden inir einmal nicht begegneten, war
ich ganz verstimmt und mißmuthig. Die beiden Mädchen >
wohnten, das hatte ich durch mancherlei vorsichtige Be- j
obachtungen herausbekommen, drei Häuser von uns, und da
man, wenn man so ein schönes Kind im Sinne trägt, doch auch
sckließlich gern wissen möchte, wie die Angebetete heißt, so stellte
ich behutsame Nachfrage an. Natürlich nur sehr beiläufig,
denn mir war's, als müßte es mir Jedermann auf der Stirne
lesen, warum ich darnach fragte. Endlich halte ich mir die
nöthigc Dreistigkeit erkämpft und fragte bei Leuten, die davon
unterrichtet sein mußten, so gleichgültig wie möglich, wer denn
eigentlich die beiden Fräuleins seien, die alle Tage um die
und die Zeit hier vorbcigingen und die in dem Hause dort
wohnen müßten. — Ach die? hieß cs, die Eine ist die Tochter
des Rathskopisten Werner, und die Andere eine Anverwandte,
die der Werner aus Barmherzigkeit zu sich genommen hat, da
sie eine vater- und mutterlose Waise ist. Nun weißt Du,
Heinrich, mit dem Wort vater- und mutterlose Waise, die aus
Barmherzigkeit irgendwo ausgenommen worden ist,
verbindet sich, wenigstens bei mir, unwillkürlich
der Begriff eines ernst aussehenden stillen Wesens,
das immer in Trauer gekleidet geht, und da ich
die ältere jener beiden immer nur in dunklen
Kleidern sah, immer still und mit niedergeschla-
genen Augen, während die Andere immer lustig
und heiter schien und in bunten Kleidern cin-
herging, so war es mir augenblicklich gewiß, die
jüngere sei die Tochter und die ältere ernste und
stille die arme Waise. Ich hätte eher alles An-
dere geglaubt, als daß eS umgekehrt sein könne,
cs fiel mir daher auch nicht von weitem ein, ir-
gend einmal zu fragen, welche denn die Tochter
und welckc die Waise sei. Diese letztere küm-
merte mich wenig, die Tockter dagegen um so
mehr und der näckste Wunsck war, nun auch
den Vornamen deS niedlicken Mädchens zu wissen.
Nacktem ich eine geraume Zeit hatte verstreichen
lassen, wagte ich möglichst gleichgültig die Frage,
wie denn cigcntlick die Tockter des Herrn Werner
da drüben beiße, und erhielt die Antwort: „die
heiße Mathilde."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Falsche und doch die Rechte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Begegnung
Blick <Motiv>
Straße <Motiv>
Karikatur
Skepsis
Frau <Motiv>
Kind <Motiv>
Vater <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 806, S. 186
 
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