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Ein Orden.

Zweck und die Bedeutung des Tages mittheilen. So lag es
wenigstens in seiner Absicht.

Die mit den Ordensangelegenheiten betraute Abtheilnng
des Ministeriums hatte inzwischen nicht minder umfassende Vor-
bereitungen für den Ordenstag zu treffen. Da gab cs die
Listen zu vervollständigen, Erkundigungen über politische Ante-
cedentien einzuziehen, Patente auszuschreiben und an die aus-
wärtigen Behörden zu versenden, damit die Betreffenden
sämmtlich an demselben Tage ihre Orden empfingen, und an
die zur Decorirung auserlesenen Bewohner der Residenz muß-
ten Einladungen ausgefertigt werden, sich an dem bestimmten
Tage früh um elf Uhr im Krönungssaale des königlichen Schlos-
ses einzufinden. Die Beamten, welchen die Besorgung dieser
verschiedenen Geschäfte oblag, murrten stets zu jener Zeit we-
gen Arbeitsüberhäufung und nannten die vier Wochen, welche
dem Ordenstage vorausgingen, unter sich nie anders, als den
Jammer- oder Plagcmonat. Man sieht also auch hieraus,
daß es keine Freude oder kein Vergnügen auf der Welt giebt,
welches nicht irgend einem Theile der Weltbürger als das
gerade Gegenthcil erscheint. Wer denkt beim köstlichen Genuß
des perlenden Weines an die Anstrengungen und den sauren
Schweiß der Winzer zur Zeit der Weinlese? Wem fallen
bei der behaglichen Wärme, die uns im kalten Winter ein rus-
sischer Pelz verleiht, die Leiden der armen Pelzjägcr in Si-
birien ein?

Doch wie kein Leiden in der Welt ohne Ende ist, so
gingen auch die heißen Tage der Ordenscommission glücklich
vorüber, ohne daß einer der schwergeplagten Beamten der
Arbeitslast zum Opfer gefallen wäre. Die Kanzleiboten waren
die letzten, welche mit dem Austragen der Einladungen in der
Residenz noch die außergewöhnliche Last angestrengter Arbeit
zu tragen hatten. Jedem der Boten wurde ein bestimmtes
Revier zugcthcilt, um die wichtigen Documente an die richti-
gen Adressen abzuliefern.

Einen der älteren und zugleich den verdrossensten Kanzlei-
boten, Namens Blankenburg, hatte unglücklicher Weise das für
ihn sehr bittere Loos getroffen, daß ihm die meisten der für die
Residenz bestimmten Ernennungen und Einladungen zum Ordens-
feste zur Besorgung zugcthcilt worden waren. Die Verwünschungen
und Flüche, in welche er bei Uebernahme der Schreiben aus-
brach, paßten durchaus nicht zu den Ehrentiteln des Inhaltes.
Dazu kam noch, daß er die Wohnungen der Bethciligtcn zu-
weilen erst im Adreßbuch aufsuchen mußte — in der That,
Blankenburg glaubte dieser Riesenarbeit erliegen zu müssen.

Auch das Patent für den Kaufmann Carl Müller war
Blankenburgs Fürsorge anvertraut und — was das Schlimmste
war — nicht einmal mit der Straße bezeichnet, in welcher
die Wohnung Müller's lag.

„Ei, da sollen doch eine Million Schock Donnerwetter
hineinschlagen/' polterte der Bote, als ihm jener für uns so
wichtige Brief in dje Hände kam. „Müller — Müller, nun
soll Einer wieder nachschlagen und mühsam heranssinden, wo
der Kerl wohnt. Müller — bah, Müller ist eigentlich gar
kein Name; warum verbietet der Landtag nicht das Führen

so verdrehter Namen wie Müller, Mayer, Schmidt, Schulze
u. s. w. Und nun noch dazu Carl Müller! Carl heißt die j
halbe Welt, ich heiße auch Carl, und der Teufel wahrschein-
lich auch, der meinetwegen die ganze Namensvctterschaft holen i
könnte! Kaufmann Carl Müller! Was kann so eine
Kaufmannsseele für großes Verdienst um das Land sich erwor-
ben haben! Zu was braucht der Müller da überhaupt einen
Orden; ich habe auch keinen und bin doch ein alter Kerl da-
bei geworden."

In ähnlicher Weise monologistrtc der Kanzlcidiencr Blau- 1
kcnburg noch geraume Zeit fort und nahm endlich das große,
dicke Adreßbuch der Residenzeinwohner zur Hand, den Namen
„Müller" aufschlagend.

„Na, ja, da haben wir's," rief nach kurzer Pause Blan-
kenburg, „drei, vier, fünf, sechs und eine halbe Seile enggedruckt
voll lauter Müllers, von A. Müller bis Z. Müller. Da j
muß Einem ja der Verstand still stehen bleiben."

Was half aber alles Brummen und Raisonniren, aufge- j
sucht mußte bewußter Müller dennoch werden. Carl Müller's j
gab es auch von jedem Stande im dicken Adreßbnche zum unendli-
chen AergerBlankenburg's; da kam endlich ein Kaufmann Carl
Müller und gleich darunter ein Kohlenhändler Carl Müller.

„Halloh, was ist denn das wieder," fuhr Blankenburg
hastig auf, „ist denn ei» Kohlenhändler etwas Anderes als
ein Kaufmann? Einkäufen, handeln und verkaufen muß er
doch auch wie jeder andere Kaufmann. Wo wohnen denn die
beiden zweifelhaften Müller's? Ach, der Herr Kaufmann
wohnt weit draußen in der Königsstraße und der Herr Koh-

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Titel/Objekt
"Ein Orden"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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G 5442-2 Folio RES

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München

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Fliegende Blätter, 35.1861, Nr. 838, S. 27

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