Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
46

Die Schöpfungsgeschichte.

glauben Sie? meinen eigenen Schatten seh' ich, der sich eifrigst
mit dem Sacktuch den Schweiß abtrocknet; ich will ihm's nach-
machen und greif' in die Rocktasche — kann aber keines
finden — das habe ich offenbar im Hofbräuhaus liegen lassen,
wo ich ein Paar Tröpfchen auf den Lippen verdunsten ließ —
jetzt entsteht aber die Frage, wo hat der Kerl das Schnupf-
tuch her?"

Der Tischwein.

Kellner: „Nicht wahr, Mylord, dieser Wein ist gut

für Tischwein?"

Engländer: „Ye8 — er ist gut for die Schwein —
aber not for Mensch!"

Die Schöpfungsgeschichte.

Von einem orthodoren Berliner.

(Schluß.)

Und sieh, — es fuhr ihm ein großartiger Jedanke durch
den Kopp, ein höchst nutzbares Jeschöpf mit die reenste weiße
Farbe sollte werden — als Symbol für die Nutzbarkeit von
die Damens und ihre Unschuld — da wurde eene jroße rei-
zende Jans.

Und er nahm sie auf den Arni und
trug sie zu seiner Frau Jemahlin, in seinem
Herzen klopfte die Erwartung fürchterlich, wie
der Taktirstock unsres jöttlichen Meyerbeer.

Eben trat die Jntcllijenz aus ihre
Schlafstube. Brüsseler Negligee hatte sie
noch nich, aber eene jewaltige Haube ans
dem Kopfe und eene Peitsche in die Hand.
Und sie wurde fabelhaft ecklig, als sie die
Jans sah und keilte den Herrn Jeheem-
rath zu die Thüre hinaus.

Er floh bis nach Pommerland, da ließ er die Jans
fallen und seiner Frau zum Trotze machte er noch eene —
eene männliche Jans vor sein eigen Plaisir. Und er hütete
die Jänse an das Jcstade von die Ostsee, flegte und mästete
sie und wenn die Sonne unterging, sang er in weinerlichem
Tone das Abendlied aus Tannhänser zur Flöte, was nur er
alleene gekonnt hat. Es war aber rührend, und die Jänse
wurden fett und die pommcrsche Jänscbrüste berühmt seitdem
weit und breit durch alle Lande.

Aber er dachte immer lebhaftiger in die frühere Zeiten
und es erwachte schwarzer Jroll in die Kammern seines
Herzens. Seine Nase öffnete sich, sein Maul klaffte und den
blauen Augen entstürzte ein heißer Thränenstrom. Er wühlte
mit beiden Händen in seine blonde Locken und ricß ganze
Stränge ans, die der Wind zum leuchtenden Himmel entführte,
also daß bald eene Reihe Kometen entstand, die nun vom
großen Weltorkane ewig in das janze Weltjcbände herumje-
blascn werden. — Da ergriff er denn seinen Hirtenstab und
brach auf per pockos Apostolorum (denn die Eisenbahn war

anno dunnemals noch nicht fertig) und indem er eenen Fuß
vor den andern setzte, kam er endlich nach unsre Stadt zurück
und es wurde ihm janz mollig zu Muthe. Aber Urjroßinutter
Intelligenz war nich zu finden. Die war längst in alle Welt
jelaufen ans reenem Aerger über ihren Jemahl. Auf diesen
Zügen sammelte sie mit die feinsten und elejantesten Sub-
stanzen der Erde. Denn eene erhabene Idee gohr in ihren
schöpferischen Busen. Sie baute sich een eegnes Laboratorium;
Tag und Nacht knetete sie, bis endlich Allens fertig war.
Da sprach sie das jroße Lebenswort: „Na nu!" — es er-
schien ein glänzender Jarde dü Corps-Offizier. Das war der
Uranfang von das Militair.

Aber es keimte ein neues Je-
fühl auf in die Seele von ihr und
es entstand daraus — die zweite
Liebe und Urfischer ward vergessen.
Sehnsüchtig träumerisch wandelte dieser
noch an den Ufern von die Spree
und schuf im klaren Erkennen seines
ominösen Namens die kleencn, stumm-
leidenden Fische. Damit es aber nich
in das Wasser alleene diese Race
jäbe, so bildete er uf trocknen: Lande
ooch allerliebste rundliche Backfische
und noch kleenere Weißfische. Nach-
her wurden diese wegen ihrer er-
schrecklichen Aehnlichkeit zu das weib-
liche Jeschlecht jczählt. Unterdessen
zog über die Haide daher die jeliebte
Jemahlin mit ihren Galan. Und sie
kam näher und näher — plötzlich
ward es Urfischern, als wären alle
seine Lebcnsröhren mit Baumwolle verstoppt, ein kalter Hauch
blies in seine Seele, wie wenn Eener in heiße Suppe bläst
.... er sah sie, die Einziganjebetete in der Umärmelung
des weißen Mannes mit das entsetzliche Messer an die Seite
.... seine Pulse schlugen fiegelhaft an seine Schläfe . . .
die Augenräder rollten mit fürchterlicher Jeschwindigkeit, sie
sprühten zolllange Funken ... da stürzte er vor und schrie
mit die Stimme einer Weltposaune: Aber Frau Jeheemrath!
Wo denken Sie bloß hin? — Wat is mich das man für
ein Mehlwurm? Und es entbrannte ein tüdtlicher Jedanke in
dem Hirnkasten des Junkers, er rieß die Pistole ans die Lende
und rief: Auf die Mensur! — Los! Aber die Pistole flog
ihm aus die Hand, majestätisch erhob sich die Jntcllijenz, sie
schlug das linke Auge zum Himmel auf, das rechte beherrschte
die Erde und zu Urfischern jewendet, sprach sie jelassen das
Wort! „Ich kenne Dir nich. Verdufte!"

Jebrochen schlich der Arme davon an eene schauerlich ein-
same Stelle im Thierjarten und er erhäng sich — beinahe.
Aber es kam nich dazu, er besann sich, er hätte ja nachher
nich mehr jelebt. Er jing weit, weit fort bis an das Meer,
was man Nordsee heißt, schwam hinüber nach Helgoland und
lehrte dort die Leute fischen bis an sein seliges Ende.
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Schöpfungsgeschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Soldat <Motiv>
Schöpfung <Motiv>
Karikatur
Gans <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 35.1861, Nr. 840, S. 46

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen