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Donatus mit dem Geier.

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Begebenheit seinen Söhnen mitzutheilen, wenn er, wie eben-
falls wahrscheinlich ist, deren haben wird. Ostertag nimmt das
' Kreuz gegen die Ungläubigen und bleibt sieben Jahre außer
Landes. Frau Elsbeth begibt sich für drei Jahre in ein Kloster
strengster Regel und unterwirft sich dort noch außerdem be-
sonderen Züchtigungen, wie der Fürst-Abt sie zu verhängen,
die Aebtissin ersuchen wird. Ostertags Stiefvater tritt ungesäumt
die Vormundschaft über Donatus an den Freiherrn von Rä-
■ zuns ab."

Der Vertrag wurde pünktlich erfüllt. Donatus zog zu
seinem Gerhab nach Räzuns. Im nächsten Sommer erhielt er
von diesem die Vergünstigung, unter dem Geleit tüchtiger Gem-
sensteiger einen Streifzng nach dem Ribel zu unternehmen,
um die Geierhöhle sammt dem Felsensöller zu besuchen und
den Schatz in der Klause zu heben.

Donatus ließ sich am Seil zur Höhle hinab. Drei Jäger
folgten ihm. Die übrigen zwei blieben als Wache zurück.

Die Hütte stand noch, aber das Dach hatte merklich ge-
litten. Von der Heerde zeigte sich keine Spur mehr. Der
Schatz lag in seiner Truhe. Im Felsenkeller lag und stand
noch Alles am alten Fleck. Auch die Hebebänme, bei deren
Anblick die Begleiter sagten: „Oho, die werden wohl auch nicht
! ohne Roth herum lehnen!" Sofort machten sie sich an's Werk,
den großen Felsblock wegzuwälzeu. Und siehe da, ein Gang
wurde frei, der — wie die nähere Untersuchung ergab
durch den Berg führte, nicht bequem, aber bei Fackelschein
hinlänglich gangbar. Der Ausgang mündete von Brombeer-
gestrüpp versteckt, zwischen losen Felsblöcken, von wannen sich
in das waldige Thal hinunter gelangen ließ, ebenfalls nicht
* bequem, doch ohne große Fährlichkeit. Augenscheinlich hatte
Medardus hier seinen Durchschlupf gehabt. Wer übrigens sel-
biger Medardus eigentlich gewesen und wie er zu dem heim-
lichen Reichthum gekommen, ist ein ungelöstes Räthsel geblie-
ben. Sein hinterlassener Schatz wurde zur Erbauung des
Kirchleins am Ribel und zu Stiftungen verwendet, worunter
ein Scelgeräth für den Klausner nicht fehlen durfte, der um
so weniger der Fürbitte entbehren konnte, da er muthmaßlich
nicht sowohl ein frommer Mann Gottes, als vielmehr ein
wunderlicher Heiliger gewesen.

Als nach Erforschung des Ausganges Donatus wieder
zur Hütte zurückgekehrt war, schickte er einen Mann zur Gei-
crhöhle hinauf, um die Zurückgcbliebeucu zu rufen. Die zwei
anderen wurden angewiesen, den kostbaren Inhalt der Truhe
in die fünf mitgebrachtcn Säcke zu verpacken. Er selbst ließ
sich beim Brnnnentrog nieder und verzehrte sein mitgebrachtes
Mahl. Während er so saß und aß, rauschte es in der Luft.
Ein Geier war es, der sich niederließ, kaum zwanzig Schritte
weit von ihm. „Guten Tag, Junker Krummschnabel", sagte
Donatus sich erhebend und voransschreitend. Der Vogel flat-
terte aus und bäumte sich, sah aber dann ganz vertraut vom
Aste nieder. „Sei ohne Sorge, Krummschnabel", sagte der
Knabe lachend: „mein Rößlein ist mir lieber als du, und ich
verspüre keine Lust, unseren Herrgott zu versuchen. Wir zwei
Beide wollen gute Freunde bleiben, aber nur von weitem."

Bei diesen Worten warf er ein paar Brocken Fleisch auf
den Boden und kehrte zu seinem Sitze zurück. Alsbald ließ
sich der Vogel nieder, holte das Fleisch, flog daun wieder
auf, beschrieb aufsteigcnd immer weitere Kreise über dem Haupte
des Pflegers seiner hülflosen Kindheit und strich dann weiter
in unabsehbare Ferne.

Ob Krummschnabel die Worte des Knaben ganz verstan-
den, ist hier nicht zu erörtern, aber soviel bleibt sicher und
gewiß, daß ihn der Geier zuweilen besuchte, wenn er allein
ans der Höhe eines Thurmes zu Räzuus, oder in einem an-
deren Schlosse oder auch im Freien sich befand. Anfassen ließ
er sich aber nicht. So ging es mehrere Jahre fort, bis end-
lich der Junker Krummschnabel gänzlich ausblieb und auch
keine Botschaft sendete.

Und nun zuni Schluß. Frau Elsbeth überstand ihre
Strafzeit und lebte noch lange Jahre im Schwabenland. Sie
war bereits todt, als ihr Sohn erster Ehe aus fernen Landen
zurückkehrte, nachdem er längst für todt gehalten. Er war zur
See gefangen und in die Sklaverei verkauft worden, aus der
ihn erst nach langer Zeit ein glücklicher Zufall erlöste. Er
kehrte nur darum heim, um seinen Oheim um Verzeihung zu
bitten und in St. Gallen Laienbruder zu werden, wozu ihm
Donatus verhalf.... —

Der alte Freiherr von Batz hielt hier einen Augenblick
in der Erzählung inne, die mit ehrerbietiger Aufmerksamkeit
schweigend angehört worden. Seine Söhne hatten längst be-
griffen, daß kein anderer als er selber jener Donatus sein
könne, dessen wundersame Abenteuer sie aus seinem Munde
vernommen.

Der Greis fügte noch die Worte hinzu:

„Da ich euch die Begebenheit mitgetheilt, so versteht ihr
wohl, daß der verstorbene Bruder Renatus mein Neffe Oster-
tag war. Er hat über fünfzig Jahre laug seinen Frevel bereut
und abgebüßt. Gott möge ihm und mir selber alle Sünden
so vergeben, wie ich ihm aus Herzensgrund verziehen habe.
Er ruhe in Frieden."

„Amen", sagten die Söhne.

Und jetzt ist nur noch hinzuzufügen, weßhalb die von
Batz den stolzen Plan des alten Donatus nicht ansgcführt
und Toskana, das Stammland ihrer Ahnen, unerobert gelassen
haben. Der Greis legte sich wenige Wochen nach dem Tage,
an welchem er den Tod des Bruders Renatus vernommen,
zum letzten Erdenschlummer nieder. Innerhalb des nächsten
Jahrzehents rafften Krieg und Krankheit seine Söhne und
Enkel von dannen, so daß von der stattlichen Nachkommen-
schaft, welche mit den Normannen von Hantevillc zu wetteifern
gedacht hatte, keiner übrig blieb, als der nach dem Großvater-
genannte Enkel. Diesem Donatus war kein Sohn beschieden.
Als seines Namens letztem wurden ihm Helm und Schild in
den Sarg mitgegeben. Seine Tochter Katharina brachte das
Domleschg an daö Haus Wcrdenbcrg, und wenn die Grafen
dieses Namens seitdem ansgestorben sind, so lag fürwahr die
Ursache nicht an der Urenkelin des Donatus mit dem Geier.

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