I8(i Der gefall
Bursch und dabei eine grundehrliche Haut, was sich im Leben
nicht immer so beisammen findet. Die Leute wußten auch,
daß er sich an seinem winzigen Botenlohn genügen ließ und
sich nicht noch außerdem mit der Waare, die er brachte, be-
zahlt machte. Von den vornehmen Kunden ließ er sich nicht
jeden einzelnen Botenweg bezahlen, sondern erhielt sein Ge-
wisses, entweder alle Vierteljahre oder zu Neujahr, von dem
Amthose z. B. ein Schweinchen, nicht zu groß und zu fett,
das ist wahr, aber doch so, daß er zufrieden sein konnte. Für
den Förster verkaufte er die Hasen, Rebhühner und Krammets-
vögel in der Stadt und lieferte den Erlös jedesmal ohne
einen Pfenning Schmu zu machen, im Forsthause ab. Un-
glaublich, aber wahr! Nur die kleinen Leute, die ihm nur selten
Aufträge gaben, bezahlten in jedem einzelnen Falle das Boten-
lohn. Auch für den verstorbenen Herrn Pastor hatte er alle
Botcnwege ans vierteljährigen Accord gemacht und sich gut
dabei gestanden, denn der Selige berichtigte seine Schuld immer
sehr reichlich und nie ohne eine» frommen und wohlgemeinten
Wunsch hinzuzufügen.
Wie es der neue Pastor in dieser Beziehung halten wolle,
wußte Meister David noch nicht. Aber so gering im Ganzen
dessen Bedürfnisse waren, kam cs doch öfter vor, daß er ihm
ein Röllchen Knaster oder eine neue Pfeife, wenn die alte
! verschmurgelt war, oder ein Dutzend Röstwürstchen, ein paar
! Pfund frischen Rindfleisches, einmal sogar ein Packet neuer
Bücher aus der Buchhandlung mitbringen mußte, welche letz-
tere er freilich am nächsten Botentag wieder mit nach der
Stadt hatte zurücknehmen müssen, und jedesmal wenn seine
Frau mit den Sachen in die Pfarre kam, hieß es: „Schön
Dank! ich will schon einmal wieder gefällig sein." Kam die
Frau dann mit dem schönen Danke, aber ohne den sauer ver-
dienten Groschen nach Haus, dann murrte David wohl und
sagte: „Tja: dat is alls schon gut! oberst davon könnt use
elf Würmer doch »ich lebe un ik un Du datau." Aber Life,
seine Frau, beschwichtigte ihn immer und meinte: „Si doch
man mich gar wunderlich, David. Ehrwörden wert schon tau
seiner Tit Alles quitt maken. Teif doch man, bött dat Quartal
umme is."
Das Vierteljahr verstrich, aber keine Seele in der Pfarre
fragte, was mau schuldig sei, dagegen sagte der Pastor wie
immer: „Na ich will schon einmal wieder gefällig sein." Und
dann murrte der ehrliche Meister David wieder, aber die
gute Frau wußte ihn von Neuem zu beschwichtigen: „Wo dan-
keste man heu, David! ik were doch Seiner Ehrwörden nich
nnime dä paar Groschens lauer Untit mahnen, wie 'neu flechten
Schuldner. Teif man, böt dat Neujahr kommet, da wärt hei
schon Rechnung maken un mit Tinscn taten, wenn ik öhm dä
Worst un dat Neujahrsbrod henbringe."
Und als Neujahr heran kam, hatte sich Life einen feinen
Plan ausgedacht, wie sie den Herrn Pastor ans die beste und
anständigste Art, ohne ihn mit Worten ausdrücklich zu mah-
nen, an seine kleine Schuld erinnern könne. Die Pfarre be-
kam zu Neujahr aus jedem Hause ein Brod und eine Wurst.
Die nieisten Bewohner zahlten's mit Geld ab; aber der Herr
ige Pastor.
Pastor war ein Naturfreund und nahm's lieber in natura.
Nun hatte die gute Frau vor, ein recht großes achtpfündiges
Laib Brot backeiU zu lassen und das sammt der besten zwei-
pfündigen Schlackwurst in die Pfarre zu tragen. Da würde
sich doch Sr. Ehrwürden seiner Schuld erinnern und sprechen:
„Nein! nicht so! lieben Leute, ihr meint es zu gut mit mir.
Behaltet Wurst und Brot und hier habt ihr noch so und so
viel dazu als Botenlohn für das ganze Jahr." Ja, so mußte
es kommen und dann war die Sache mit Ehren auf einmal
im Reinen. David Frühauf schüttelte zu diesem Plane frei-
lich etwas bedenklich den Kopf, dachte aber: „Sei mot erst
klauk weren", und ließ sie gewähren.
Als der verhängnißvolle Tag kam, es war just der dritte
Jänner, zog sie sich ihren besten Sonntagsstaat an, wischte
die Wurst, die wohlverwahrt in der Kleie gelegen, mit einem
nassen Lappen, mit dem sie kurz vorher ihr jüngstes Kind ge-
schneuzt hatte, sorgfältig ab, daß sie glänzte wie ein junges
Mädchen, die eben vom Tanzboden kommt, legte das Laib
Brot dazu in den Korb und nickte beim Weggehen ihrem
Manne bedeutungsvoll zu, als wollte sie sagen: „Nu säst Du
balle seien, wer von us Beiden Recht ehat hat, ik oder Du."
Meister David ward es, als er etwa zehn Minuten auf
ihre Rückkehr gewartet, doch etwas unbehaglich warm unter dem
Kittel; er lief vor die Thür hinaus, um sie gleich aus der
Ferne kommen zu sehen. Und bald darauf kam sic auch, aber
wie! der Korb drückte sie freilich nicht mehr, denn er war
leer, als ob nimmer ein Brot und eine Wurst darin gewesen
wäre. Aber ihr Köpfchen ließ sie herabhängen, als läg' ihr
das achtpfündige Brot darauf und als hinge die Wurst als
Ohrgehänge daran. „Ik dacht' et gliks!" seufzte Meister
David leise. „Na, da häwwet wi nu dä Bescherung!"
Frau Life kam heran und konnte ihrem Manne kaum
iu's Gesicht sehen. „Na, wie ist's? hew ik Recht ehat, oder
Du?" fragte er mit etwas spöttischer Miene. „Du hast Recht
ehat, David!" erwiderte sie kleinlaut; „wer könne sik dat aber
denken! Sau wat is mik in meinem ganzen Lewen noch nich
passirt!"
„Na, geht dik nu dä Ogen op, Fru?" entgegnete Da-
vid, „aber vertelle mal, wat säk hei denn man?"
„Als ik öhm," erzählte unter Schluchzen die Frau, „dat
unflätig grote Brot un dä dicke Worst mit'n Quittanzbaukc
oppen Tisch leggete, lachte hei nich slccht, schref swinne dä
Quittanz un säk: Nein, aber Kinder, das geht ja gar nicht!
Ihr habt's zu gut mit mir gemeint und ich bin ja, glaub'
ich, eigentlich so noch in Eurer Schuld."
„Na, nu, wat scggtcst Du drop?" fragte Meister Da-
vid gespannt.
„Tja, wat solle ik eigentlich datan seggen? Ik wolle eben
scggen: Na, Ehrwörden, sau könnt wi ja mit enander af-
räken, dat dä Geschichte opp't Reine kummt. Aber eh' ik noch
datau kam, nahm hei't Brot un dä Worst obendrin und säk:
Aber es sei ferne von mir, Euch und Euerem braven Manne
die unschuldige Freude zu verderben, »ein, das kann ich nicht
über das Herz bringen. So nehmt denn das Quittanzbnch,
Bursch und dabei eine grundehrliche Haut, was sich im Leben
nicht immer so beisammen findet. Die Leute wußten auch,
daß er sich an seinem winzigen Botenlohn genügen ließ und
sich nicht noch außerdem mit der Waare, die er brachte, be-
zahlt machte. Von den vornehmen Kunden ließ er sich nicht
jeden einzelnen Botenweg bezahlen, sondern erhielt sein Ge-
wisses, entweder alle Vierteljahre oder zu Neujahr, von dem
Amthose z. B. ein Schweinchen, nicht zu groß und zu fett,
das ist wahr, aber doch so, daß er zufrieden sein konnte. Für
den Förster verkaufte er die Hasen, Rebhühner und Krammets-
vögel in der Stadt und lieferte den Erlös jedesmal ohne
einen Pfenning Schmu zu machen, im Forsthause ab. Un-
glaublich, aber wahr! Nur die kleinen Leute, die ihm nur selten
Aufträge gaben, bezahlten in jedem einzelnen Falle das Boten-
lohn. Auch für den verstorbenen Herrn Pastor hatte er alle
Botcnwege ans vierteljährigen Accord gemacht und sich gut
dabei gestanden, denn der Selige berichtigte seine Schuld immer
sehr reichlich und nie ohne eine» frommen und wohlgemeinten
Wunsch hinzuzufügen.
Wie es der neue Pastor in dieser Beziehung halten wolle,
wußte Meister David noch nicht. Aber so gering im Ganzen
dessen Bedürfnisse waren, kam cs doch öfter vor, daß er ihm
ein Röllchen Knaster oder eine neue Pfeife, wenn die alte
! verschmurgelt war, oder ein Dutzend Röstwürstchen, ein paar
! Pfund frischen Rindfleisches, einmal sogar ein Packet neuer
Bücher aus der Buchhandlung mitbringen mußte, welche letz-
tere er freilich am nächsten Botentag wieder mit nach der
Stadt hatte zurücknehmen müssen, und jedesmal wenn seine
Frau mit den Sachen in die Pfarre kam, hieß es: „Schön
Dank! ich will schon einmal wieder gefällig sein." Kam die
Frau dann mit dem schönen Danke, aber ohne den sauer ver-
dienten Groschen nach Haus, dann murrte David wohl und
sagte: „Tja: dat is alls schon gut! oberst davon könnt use
elf Würmer doch »ich lebe un ik un Du datau." Aber Life,
seine Frau, beschwichtigte ihn immer und meinte: „Si doch
man mich gar wunderlich, David. Ehrwörden wert schon tau
seiner Tit Alles quitt maken. Teif doch man, bött dat Quartal
umme is."
Das Vierteljahr verstrich, aber keine Seele in der Pfarre
fragte, was mau schuldig sei, dagegen sagte der Pastor wie
immer: „Na ich will schon einmal wieder gefällig sein." Und
dann murrte der ehrliche Meister David wieder, aber die
gute Frau wußte ihn von Neuem zu beschwichtigen: „Wo dan-
keste man heu, David! ik were doch Seiner Ehrwörden nich
nnime dä paar Groschens lauer Untit mahnen, wie 'neu flechten
Schuldner. Teif man, böt dat Neujahr kommet, da wärt hei
schon Rechnung maken un mit Tinscn taten, wenn ik öhm dä
Worst un dat Neujahrsbrod henbringe."
Und als Neujahr heran kam, hatte sich Life einen feinen
Plan ausgedacht, wie sie den Herrn Pastor ans die beste und
anständigste Art, ohne ihn mit Worten ausdrücklich zu mah-
nen, an seine kleine Schuld erinnern könne. Die Pfarre be-
kam zu Neujahr aus jedem Hause ein Brod und eine Wurst.
Die nieisten Bewohner zahlten's mit Geld ab; aber der Herr
ige Pastor.
Pastor war ein Naturfreund und nahm's lieber in natura.
Nun hatte die gute Frau vor, ein recht großes achtpfündiges
Laib Brot backeiU zu lassen und das sammt der besten zwei-
pfündigen Schlackwurst in die Pfarre zu tragen. Da würde
sich doch Sr. Ehrwürden seiner Schuld erinnern und sprechen:
„Nein! nicht so! lieben Leute, ihr meint es zu gut mit mir.
Behaltet Wurst und Brot und hier habt ihr noch so und so
viel dazu als Botenlohn für das ganze Jahr." Ja, so mußte
es kommen und dann war die Sache mit Ehren auf einmal
im Reinen. David Frühauf schüttelte zu diesem Plane frei-
lich etwas bedenklich den Kopf, dachte aber: „Sei mot erst
klauk weren", und ließ sie gewähren.
Als der verhängnißvolle Tag kam, es war just der dritte
Jänner, zog sie sich ihren besten Sonntagsstaat an, wischte
die Wurst, die wohlverwahrt in der Kleie gelegen, mit einem
nassen Lappen, mit dem sie kurz vorher ihr jüngstes Kind ge-
schneuzt hatte, sorgfältig ab, daß sie glänzte wie ein junges
Mädchen, die eben vom Tanzboden kommt, legte das Laib
Brot dazu in den Korb und nickte beim Weggehen ihrem
Manne bedeutungsvoll zu, als wollte sie sagen: „Nu säst Du
balle seien, wer von us Beiden Recht ehat hat, ik oder Du."
Meister David ward es, als er etwa zehn Minuten auf
ihre Rückkehr gewartet, doch etwas unbehaglich warm unter dem
Kittel; er lief vor die Thür hinaus, um sie gleich aus der
Ferne kommen zu sehen. Und bald darauf kam sic auch, aber
wie! der Korb drückte sie freilich nicht mehr, denn er war
leer, als ob nimmer ein Brot und eine Wurst darin gewesen
wäre. Aber ihr Köpfchen ließ sie herabhängen, als läg' ihr
das achtpfündige Brot darauf und als hinge die Wurst als
Ohrgehänge daran. „Ik dacht' et gliks!" seufzte Meister
David leise. „Na, da häwwet wi nu dä Bescherung!"
Frau Life kam heran und konnte ihrem Manne kaum
iu's Gesicht sehen. „Na, wie ist's? hew ik Recht ehat, oder
Du?" fragte er mit etwas spöttischer Miene. „Du hast Recht
ehat, David!" erwiderte sie kleinlaut; „wer könne sik dat aber
denken! Sau wat is mik in meinem ganzen Lewen noch nich
passirt!"
„Na, geht dik nu dä Ogen op, Fru?" entgegnete Da-
vid, „aber vertelle mal, wat säk hei denn man?"
„Als ik öhm," erzählte unter Schluchzen die Frau, „dat
unflätig grote Brot un dä dicke Worst mit'n Quittanzbaukc
oppen Tisch leggete, lachte hei nich slccht, schref swinne dä
Quittanz un säk: Nein, aber Kinder, das geht ja gar nicht!
Ihr habt's zu gut mit mir gemeint und ich bin ja, glaub'
ich, eigentlich so noch in Eurer Schuld."
„Na, nu, wat scggtcst Du drop?" fragte Meister Da-
vid gespannt.
„Tja, wat solle ik eigentlich datan seggen? Ik wolle eben
scggen: Na, Ehrwörden, sau könnt wi ja mit enander af-
räken, dat dä Geschichte opp't Reine kummt. Aber eh' ik noch
datau kam, nahm hei't Brot un dä Worst obendrin und säk:
Aber es sei ferne von mir, Euch und Euerem braven Manne
die unschuldige Freude zu verderben, »ein, das kann ich nicht
über das Herz bringen. So nehmt denn das Quittanzbnch,