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Thürmers Töchterlein.
wenig Lust, dem Letzteren oder dem Churfürsten in den Weg zu
treten, sondern hatte den Weg gen Böhmen eingeschlagen, dann
erst, ohne daß es der Churfürst ahnen konnte, wieder eine Diver-
fivn gemacht und sich plötzlich nach Bayern gewendet. Mehrer
Städte waren schon in seiner Gewalt, Boten über Boten kamen
jetzt an, und der letzte derselben meldete — Landshut sei gefallen.
Der Schwedenkönig wolle es verbrennen, drauf nach München zie-
hen und es gleichfalls den Flammen opfern als Sühne für das
große Feuer zu Magdeburg. Diejenigen aber, welche die Gemüther
gegen ihn erhitzt, sollten seinen besonderen Zorn empfinden, und
wenn es ihnen nicht schlechter erginge, dürfe sich Jedweder doch
gefaßt machen, gefangen oder mindestens als Geißel davongeführt
zu werden. So wurde Wahres berichtet und dazu gelogen.
Die oberen Herren von München waren also billig in großer
Bewegung und wegen Bertheidigung oder Uebcrgabe in Zwiespalt
und Bedrängniß. Da aber niänniglich bald zur Einsicht gekom-
men, es sei die Stadt nicht zu vertheidigen, da zwar Kanonen
die Menge im Zeughaus stünden, hingegen so wenig Pulver vor-
handen, daß man sie nicht lange speisen könne, auch von der ge-
ringen Besatzung kein Heil zu erwarten sein dürfte, so blieb nichts
übrig, als der Gewalt für den Augenblick zu weichen. Als man
darüber Eins geworden war, berieth man sich nur, wie der Zorn
. des Schwedenkönigs am besten zu mildern, und was zu thun
und richten sei, um so wenig als möglich zu verlieren, wenn ihm
zu Sinne käme, plündern zu lassen, oder sonst mitzunehmen, was
gut und schön wäre. Also wurde eiligst angeordnet, dies fortzu-
schaffen oder jenes zu vergraben, und unter Letzterem befanden
sich die 140 Kanonen, so beim Zcughause standen. Diese sollten
der Erde übergeben werden. Unter ihnen waren die zwölf Apostel,
das metallene Schwein, der Huißa von den Kettenkugeln und viele
andere wilde Kriegsungeheuer mit großen Rachen, so viel Pulver
und mächtige Kugeln verspeisen konnten. Die „große Donner-
büchs" aber war mit was Milderem zu Grab gelegt, als da war
eine goldene Patrone von 300,000 Dukaten, die man dem Gusta-
vus gar nicht gern lassen mochte. Die Herren hatten also ihre Sinne
bald wieder in der Gewalt. Nicht so aber Herr Hicronimus.
Gerne hätte er sich den Widerspruch der Ereignisse mit sei-
nen Reden gefallen lassen, aber die Drohung des Schwedenkönigs,
seine Widersacher beim Kopf zu nehmen, war ein zu grauenvoller
Abgrund. Alle seine Sck'mähworte und Reime fielen ihm ein,
die halbe Stadt wußte sicherlich, daß er ein großer Feind des
Adolphus sei, und hätt' es dem kein Mensch gesagt, so hatte ihn
doch sicher Einer verrathen, und der war der Fremde aus der
Trinkstube, das längst drohende Bild seiner Träume. Schon sah
er sich in Ketten, verhört, gefoltert, geköpft, oder an einem Pfahle
pampelnd, wo nicht gar gevicrtheilt von schwedischer Seite, und
; wenn er da mit heiler Haut davon käme, konnte der Spion nicht
verrathen, was er ihm sonst mitgetheilk? Da mochte wieder die
Stadt ein furchtbares Gericht über ihn ergehen lassen. Was sollte
er nun thun? Auf die Tische steigen und zur Bertheidigung an-
eifern? Vergebene Arbeit. Zur Uebergabe rachen? Dazu brauchte
man ihn nicht. Und ob es dem Gusiavus wieder zu Ohren
käme, wäre erst wieder die Frage gewesen. Wie er also seinem
Amte Vorstand, kann sich Jeder denken. Bald fing er an, auf der
Kehrseite zu schreiben, bald verspritzte er das Papier, ehe er die
Feder angesetzt; daß er einmal die Tinte statt deS Streusandes
über die Schrift goß, versteht sich von selbst; und hatte er ein-
mal einen Bogen voll, so hatte er gewiß den Namen GustavuS
dreimal mit in den Teit gesch r eben, so daß er Alles wieder zer-
reißen mußte. Dann eilte er wohl mit verzausten Haaren zum
Fenster, sah zur Elsbeth hinunter und rief mit größter Wehmuth:
„O Ehrgeiz, zu was treibst du die Menschen! Wer hätte gedacht,
daß ich statt des Brautbettes daS Schaffst besteigen müßte!"
(Fortsetzung folgt.)
Der Bittsteller.
„Halten zu Gnaden Herr Graf, ist meine Carline sschon
da gewesen? — und Sie haben also wirklich die Stelle für
mich zugesagt? — Herr Graf, edelster, bester, einziger Herr
Graf, Habens die große Gütigkeit und nehmen's Ihr Wort zurück
— ich bitte Ihnen tausend Mal um Gotteswillcn— denn krieg'
ich die Stelle, so muß ich die Carline gleich heirathen und
wir taugen einmal nicht zusammen — das gibt's größte Elend!
— ich leb' so viel glücklicher mit ihr!!"
Thürmers Töchterlein.
wenig Lust, dem Letzteren oder dem Churfürsten in den Weg zu
treten, sondern hatte den Weg gen Böhmen eingeschlagen, dann
erst, ohne daß es der Churfürst ahnen konnte, wieder eine Diver-
fivn gemacht und sich plötzlich nach Bayern gewendet. Mehrer
Städte waren schon in seiner Gewalt, Boten über Boten kamen
jetzt an, und der letzte derselben meldete — Landshut sei gefallen.
Der Schwedenkönig wolle es verbrennen, drauf nach München zie-
hen und es gleichfalls den Flammen opfern als Sühne für das
große Feuer zu Magdeburg. Diejenigen aber, welche die Gemüther
gegen ihn erhitzt, sollten seinen besonderen Zorn empfinden, und
wenn es ihnen nicht schlechter erginge, dürfe sich Jedweder doch
gefaßt machen, gefangen oder mindestens als Geißel davongeführt
zu werden. So wurde Wahres berichtet und dazu gelogen.
Die oberen Herren von München waren also billig in großer
Bewegung und wegen Bertheidigung oder Uebcrgabe in Zwiespalt
und Bedrängniß. Da aber niänniglich bald zur Einsicht gekom-
men, es sei die Stadt nicht zu vertheidigen, da zwar Kanonen
die Menge im Zeughaus stünden, hingegen so wenig Pulver vor-
handen, daß man sie nicht lange speisen könne, auch von der ge-
ringen Besatzung kein Heil zu erwarten sein dürfte, so blieb nichts
übrig, als der Gewalt für den Augenblick zu weichen. Als man
darüber Eins geworden war, berieth man sich nur, wie der Zorn
. des Schwedenkönigs am besten zu mildern, und was zu thun
und richten sei, um so wenig als möglich zu verlieren, wenn ihm
zu Sinne käme, plündern zu lassen, oder sonst mitzunehmen, was
gut und schön wäre. Also wurde eiligst angeordnet, dies fortzu-
schaffen oder jenes zu vergraben, und unter Letzterem befanden
sich die 140 Kanonen, so beim Zcughause standen. Diese sollten
der Erde übergeben werden. Unter ihnen waren die zwölf Apostel,
das metallene Schwein, der Huißa von den Kettenkugeln und viele
andere wilde Kriegsungeheuer mit großen Rachen, so viel Pulver
und mächtige Kugeln verspeisen konnten. Die „große Donner-
büchs" aber war mit was Milderem zu Grab gelegt, als da war
eine goldene Patrone von 300,000 Dukaten, die man dem Gusta-
vus gar nicht gern lassen mochte. Die Herren hatten also ihre Sinne
bald wieder in der Gewalt. Nicht so aber Herr Hicronimus.
Gerne hätte er sich den Widerspruch der Ereignisse mit sei-
nen Reden gefallen lassen, aber die Drohung des Schwedenkönigs,
seine Widersacher beim Kopf zu nehmen, war ein zu grauenvoller
Abgrund. Alle seine Sck'mähworte und Reime fielen ihm ein,
die halbe Stadt wußte sicherlich, daß er ein großer Feind des
Adolphus sei, und hätt' es dem kein Mensch gesagt, so hatte ihn
doch sicher Einer verrathen, und der war der Fremde aus der
Trinkstube, das längst drohende Bild seiner Träume. Schon sah
er sich in Ketten, verhört, gefoltert, geköpft, oder an einem Pfahle
pampelnd, wo nicht gar gevicrtheilt von schwedischer Seite, und
; wenn er da mit heiler Haut davon käme, konnte der Spion nicht
verrathen, was er ihm sonst mitgetheilk? Da mochte wieder die
Stadt ein furchtbares Gericht über ihn ergehen lassen. Was sollte
er nun thun? Auf die Tische steigen und zur Bertheidigung an-
eifern? Vergebene Arbeit. Zur Uebergabe rachen? Dazu brauchte
man ihn nicht. Und ob es dem Gusiavus wieder zu Ohren
käme, wäre erst wieder die Frage gewesen. Wie er also seinem
Amte Vorstand, kann sich Jeder denken. Bald fing er an, auf der
Kehrseite zu schreiben, bald verspritzte er das Papier, ehe er die
Feder angesetzt; daß er einmal die Tinte statt deS Streusandes
über die Schrift goß, versteht sich von selbst; und hatte er ein-
mal einen Bogen voll, so hatte er gewiß den Namen GustavuS
dreimal mit in den Teit gesch r eben, so daß er Alles wieder zer-
reißen mußte. Dann eilte er wohl mit verzausten Haaren zum
Fenster, sah zur Elsbeth hinunter und rief mit größter Wehmuth:
„O Ehrgeiz, zu was treibst du die Menschen! Wer hätte gedacht,
daß ich statt des Brautbettes daS Schaffst besteigen müßte!"
(Fortsetzung folgt.)
Der Bittsteller.
„Halten zu Gnaden Herr Graf, ist meine Carline sschon
da gewesen? — und Sie haben also wirklich die Stelle für
mich zugesagt? — Herr Graf, edelster, bester, einziger Herr
Graf, Habens die große Gütigkeit und nehmen's Ihr Wort zurück
— ich bitte Ihnen tausend Mal um Gotteswillcn— denn krieg'
ich die Stelle, so muß ich die Carline gleich heirathen und
wir taugen einmal nicht zusammen — das gibt's größte Elend!
— ich leb' so viel glücklicher mit ihr!!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Bittsteller"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 75, S. 20
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg