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ThürmerS Tichterlein.

Gustav Adolph und vernahmen seine Befehle. Da kam die
Nachricht, man habe den Aktuarium gefunden und wo. „Man
laffe ihn ein," sagte Gustav Adolph, „ich bin begierig, meinen
! Feind zu sehen."

Hereintrat, nicht ohne einigermaßen genötbigt zu werden,
» unter absonderlich eben so tiefen als schiefen Reverenzen, an
allen Gliedern schlotternd. Herr Aktuarius Hiervnimus Wurzel,
und stammelte, auf die Kniee fallend: „Wa — wa — was-
maßen Ihr mich, großer JCönt.t — zu sehen verlangt — so
I bin ich allhier angekommen. Ich weiß, mein Todesstündlein
ist — da — laßt mich nur — nicht lange leiden — das ist
j die einzige Gnad', die ich mir — ausbitte. Ist mir auch der
Tod — nicht unwillkommen, denn ich Hab' so eben — gehört,
daß ich — mein Amt verloren — und ein Anderer — einge-
! setzt Ist. Sprecht es aus mein — Todesurtheil, großer König!"
Aufgeblickt hatte er dabei nicht.

„Euer Todesurtheil —?* sagte Gustav Adolph lächelnd.
„Ihr habt mir bös mitgespielt," fuhr er in gebrochenen
Worten fort, „mit Eueren Reimen und Reden. Seid wahrlich
. ein gefährlicher Mann. Ja, sterben müßt Ihr, das ist keine
: Frage! Aber — was gibt es da?"

Man meldete, ein überaus schönes Mädchen sei im Dvr-
saal und bitte inständig, Vorgelaffen zu werden.

„Ein schönes Mädchen —?" fiel Gustav ein — „ist mir
die Maid wohl auch Feind — ei das wär' ein noch gefäbr-
\ sicherer Feind, als der Herr Aktuarius. — Laßt sie ein!"

Im nächsten Augenblicke kniete Elsbeth vor dem König. I»
der Linken hielt sie einen herrlichen, süßduftenden Blumenstrauß,
die Rechte erhebend flehte sie, mit in Thränen schwimmenden
Augen zum mächtigen Sieger aufschauend: „Gnade, Gnade,
o großer, siegreicher Herr und König, Gnade für meinen Ge-
liebten, rettet ihn, rettet mich aus der Verzweiflung!"

„Wohl, wenn so schöne Lippen für Euch bitten, Herr
Aktuarius," sagte Gustav Adolph heiter, „so muß ich ja wohl
Gnade für Recht über Euch ergehen lassen."

„Was sprecht Ihr, hoher Herr?" rief Elsbeth, erschrocken
auf Herrn Hieronimus blickend: „Für den hier Hab' ich nicht

gefleht! Gebt ihm gleichwohl in Huld und Gnade Vergebung
und Nachsicht, ich fleh' auch für ihn, der Euch mit allen seinen
Reimlein keine Perle aus der Siegeskrone bricht! Aber nicht
er ist eS, den ich liebe; —* und in Kurzem erfuhr Gustavus
all ihr Herzleid, das sie ihm, während die Sonne fteudiger
Zuversicht ihre Wangen hoch röthete, in so schmeichlerisch süßen
Worten mittheilte, daß er der schönen Elsbeth gern verziehen
hätte, wär' ihre Rede auch dreimal länger gewesen und mehr.
Ging es also dem König gerade wie den Rathsherrcn und vie-
len Anderen, die ihr beim St. Onuphrius so gerne zuhorchten,
wenn ihre schöne Stimme ertönte zu Scherz oder neckischem
Schelten mit Linsen, Erbsen oder Blumen.

„Seid unbesorgt," sagte er dann, „schöne Jungftau, Euch
soll geholfen werden." Er wendete sich zu einem seiner Feld-
obristen und flüsterte ihm einige Worte zu, worauf dieser so-
gleich wegeilte. „Was Euch bettiffr, Herr Aktuarius," fuhr

Gustav Adolph fort, des Mädchens heißen Dank beschwichtigend,
„so könnt Ihr von großer Strafe nicht losgesprochen werden."
Er ging an den Tisch und schrieb stehend einige Zeilen.

„Mein Todesurtheil!" dachte Herr Hieronimus auffchaudernd.

Elsbeth hätte wohl für ihn gefleht, aber zu mild sah der
König auf den unglückseligen Herrn Hieronimus. Er streute
die nasse Schrift, faltete das Papier und trat vor denselben.

„Warum seht Ihr mich nicht an?" sagte er. „Faßt Muth
und erhebt Eure Blicke!"

Langsam erhob Herr HieronimuS sein sorgenbewölktes Haupt
und sah dem großen Mann in'S Angeficht, dem er so heftig
zugesetzt, aber auch schnell neigte er es wieder, denn obwohl
das Antlitz desselben heiter war, den gewaltigen tiefen Blick der
funkelnden Augen vermochte er nicht zu erwägen.

Der König aber sprach: „Herr Aktuarius, ich sehe, Ihr
seid in nicht geringer Todesangst. Doch es hängt von Euch
ab, ein besseres Loos alsbald zu erfahren."

„Und was muß ich thun?" ftagte Herr Hieronimus demüthig.

„Ihr sollt mir von Eueren Reimen und Sprüchen etwelche
sagen mit eigenem Mund," entgegnete Gustav Adolph, „seht, da
Hab' ich die letzten, so Ihr spracht —!" Er nahm Papiere vom
Tisch, und hielt sie ihm vor die Augen. Es waren die Reime aus
der Trinkstube am Fischbrunnen. Herr Hieronimus war am Zu-
sammenfinken.

„Ich soll lesen—vor Euch selbst—lesen?" — stammelte er.

„Ich wünsche es —" sagte der König.

Herrn Hieronimo schwamm es vor den Augen, und es

schnürte ihm die Kehle zu, aber da war keine Hülfe. Er fing

also an zu lesen, wie Gustavus ihm vorhielt: „Grabt — grabt

— in's Loch der-schwedische Dachs — treibt ihn 'raus

der — der Churfürst Mar."

Große Heiterkeit verbreitete sich über alle Anwesenden;
Gustavus aber, der heute gar ftöhlich war, ließ den entsetzten
Aktuarius ein Sprüchlein um das andere lesen. Das letzte j
war: „Für Gustavus den Großen ist auch eine Kugel goßen."

„Treibt ihn 'raus der Churfürst Mar —!" sprach der König
drauf ernst. „Geb' Gott vielmehr mir den Sieg — oder geb'
mir den Churfürsten zum Freund statt Feind. Kaum dürfte
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Thürmers Töchterlein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Bildnis <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 77, S. 34

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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