ThürmerS Töchterlein.
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aber das geschehen, denn eh' setzt' ich seine schöne Hofburg auf
Walzen und ließe fie in mein Land bringen, denn er von seiner
Meinung abginge. Doch ehr' ich ihn und schätz' ihn hoch, er
ist ein großer Kriegsheld, und war er nur auf meiner Seite,
und mit rechten Armeen, uns sollte die ganze Well nichts an-
haben. So hat es aber der Himmel nicht gefügt und beschie-
den. — Euer letztes Sprüchlein — das möchte früher oder
spater wahr werden. Denn Gott mißt die Zeit, die Könige
finken dahin, wenn er winkt, wie geringe Menschen; nichts sind
wir als Gras, das sein Fuß zertritt, wenns ihm gefällt, oder
Eichenbäume hinwieder, so heute stolz prangen, da sie morgen
der Blitz zerbricht und in die Haide wirft zum Verwesen. Ge-
lobt sei sein Wille."
Er entblößte sein Haupt. «Jetzt aber," fuhr er fort,
«nehmt Euer Todesuriheil, Herr Aktuarius und geht damit —
! zu meinem Kriegszahlmeister!"
„Tausend Gulden?!" rief Herr Hieronimus, in das über-
reichte Papier blickend — „Gnädigster König! —*
«Euer Amt ist vergeben," entgegnete Gustav Adolph, „und
leben müßt Ihr, bis Ihr sterbt. Sucht eine andere Auskunft
und ich will Euch mein Vorwort nicht versagen."
Herr Hieronimus hatte keine Zeit, seinen Dank auszu-
drücken, denn die Thüre öffnete sich auf geschehene Meldung,
und herein trat mit fteudig kühn erhobenem Haupte Heinrich,
mit ihm der Bürgermeister und zwei Rathsherren, die sich drei-
mal so tief beugten, als der kecke Geselle. Dafür kniete der vor
Gustavus nieder und dankte ihm mit lauter, sicherer Stimme
für seine Befreiung.
«Also der ist es?" sagte Gustav Adolph zu Elsbeth.
„Ja, siegreicher König", entgegnete die Jungfrau schelmisch,
„der ist's! Gefallt Euch der nicht besser, hoher Herr?"
„Ja wohl," versetzte der König lächelnd, „der gefällt mir
freilich besser. Mag ein kühner Junge sein, der keinen Feind fürchtet,
und kein Gespenst. Also darf er sich auch eine Gnade ausbitten."
„Wenn das ist", sprach Heinrich fteudig, „so feilt' ich Euch,
mächtiger König, gebt mir ein gnadenreiches Vorwort beim ge-
strengen Rath. Heute Nacht ist der Thürmer zu St. Peter,
der alte Merian, gestorben. Wenn ich seinen Platz bekam',
nachher wär' mir für alle Zeit geholfen. Glaubt mir, hoher
Herr, ich bin ein leichtsinniger Gesell gewesen, aber der Thurm
hat mich ganz bekehrt und auf dem Thurm möcht' ich jetzt
bleiben! Ich mein' alleweil, es kostet Euch nur ein Wörtlein
und cs wird sich schicken!"
„Das denk' ich auch," entgegnete Gustav Adolph, sich zu
den Herren vom Rath wendend, die sich selbander zu dritt bis
i zur Erde verbeugten.
„Jetzt sind wir fertig und Ihr seid in Gnaden entlassen,"
sagte Jener, mit einem fteundlichen Blick auf Elsbeth.
„Gnädigster König," sprach diese, schaamüberfloffen, „Ihr
habt mir so viel Glück beschert — wenn Ihr die Gnade hät-
tet —!" Dabei erhob sie schüchtern den großen Blumenstrauß.
„Ich danke, ich danke, Jungftau," entgegnete Gustav
Adolph, ihr den Strauß gütig abnehmend, — „wie schön
einmal an, winkte gnädig und verließ das Zimmer, während
fich Alles tief vor ihm beugte, Viele aber ihm folgten.
Daß Elsbeth und Heinrich sich in die Arme fielen, braucht
nicht gesagt zu werden, noch auch daß sie fortflogen, dem alten
Vater, dem nun wohl auch nichts widerfuhr, die Freudenbot-
schaft zu bringen.
Herr Hieronimus aber lag noch eine Weile auf den
Knieen, denn ihm schien Alles ein Traum.
„Ja ist's denn wahr," rief er endlich— „die Elsbeth ist
verloren —? Mein Amt ist dahin —? Aber ich werde nicht
geköpft, nicht gerädert und bekomme tausend Gulden?! Ist's
denn wahr?!"
„Freilich ist es wahr!" — sagte ein Mann, der, in einen
Mantel gehüllt, an der Ecke der Thüre stand, durch welche Gu-
stav Adolph eben sich entfernt hatte.
Die Stimme war Herrn Hieronimus bekannt. Er schaute
auf. Entsetzt fuhr er empor, that einen Schrei — und lief
davon, was er laufen konnte.
Es war der Mann aus der Trinkstube und der Gasse
beim Zeughaus.
Also ging es dazumal vor im Wonnemonat des JahreS
1632. Die Schweden zogen bald wieder ab. Die Geißeln
und Kanonen mit. Kanonen und Geißeln kamen später wieder
zu des großen Churfürsten und der Stadt Händen, aber von
den 300,000 Dukaten ist weiterS nirgends geschrieben, daß sie
retournirt seien.
Wollt' aber Einer in späteren Jahren hören, wie eS in
München zugcgangen, da eS die Schweden besetzt, so konnte er's
nirgends besser erfahren, als in der Trinkstube beim Fisch-
brunnen, daselbst Herr Hieronimus Wurzel, weiland Aktuarius
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aber das geschehen, denn eh' setzt' ich seine schöne Hofburg auf
Walzen und ließe fie in mein Land bringen, denn er von seiner
Meinung abginge. Doch ehr' ich ihn und schätz' ihn hoch, er
ist ein großer Kriegsheld, und war er nur auf meiner Seite,
und mit rechten Armeen, uns sollte die ganze Well nichts an-
haben. So hat es aber der Himmel nicht gefügt und beschie-
den. — Euer letztes Sprüchlein — das möchte früher oder
spater wahr werden. Denn Gott mißt die Zeit, die Könige
finken dahin, wenn er winkt, wie geringe Menschen; nichts sind
wir als Gras, das sein Fuß zertritt, wenns ihm gefällt, oder
Eichenbäume hinwieder, so heute stolz prangen, da sie morgen
der Blitz zerbricht und in die Haide wirft zum Verwesen. Ge-
lobt sei sein Wille."
Er entblößte sein Haupt. «Jetzt aber," fuhr er fort,
«nehmt Euer Todesuriheil, Herr Aktuarius und geht damit —
! zu meinem Kriegszahlmeister!"
„Tausend Gulden?!" rief Herr Hieronimus, in das über-
reichte Papier blickend — „Gnädigster König! —*
«Euer Amt ist vergeben," entgegnete Gustav Adolph, „und
leben müßt Ihr, bis Ihr sterbt. Sucht eine andere Auskunft
und ich will Euch mein Vorwort nicht versagen."
Herr Hieronimus hatte keine Zeit, seinen Dank auszu-
drücken, denn die Thüre öffnete sich auf geschehene Meldung,
und herein trat mit fteudig kühn erhobenem Haupte Heinrich,
mit ihm der Bürgermeister und zwei Rathsherren, die sich drei-
mal so tief beugten, als der kecke Geselle. Dafür kniete der vor
Gustavus nieder und dankte ihm mit lauter, sicherer Stimme
für seine Befreiung.
«Also der ist es?" sagte Gustav Adolph zu Elsbeth.
„Ja, siegreicher König", entgegnete die Jungfrau schelmisch,
„der ist's! Gefallt Euch der nicht besser, hoher Herr?"
„Ja wohl," versetzte der König lächelnd, „der gefällt mir
freilich besser. Mag ein kühner Junge sein, der keinen Feind fürchtet,
und kein Gespenst. Also darf er sich auch eine Gnade ausbitten."
„Wenn das ist", sprach Heinrich fteudig, „so feilt' ich Euch,
mächtiger König, gebt mir ein gnadenreiches Vorwort beim ge-
strengen Rath. Heute Nacht ist der Thürmer zu St. Peter,
der alte Merian, gestorben. Wenn ich seinen Platz bekam',
nachher wär' mir für alle Zeit geholfen. Glaubt mir, hoher
Herr, ich bin ein leichtsinniger Gesell gewesen, aber der Thurm
hat mich ganz bekehrt und auf dem Thurm möcht' ich jetzt
bleiben! Ich mein' alleweil, es kostet Euch nur ein Wörtlein
und cs wird sich schicken!"
„Das denk' ich auch," entgegnete Gustav Adolph, sich zu
den Herren vom Rath wendend, die sich selbander zu dritt bis
i zur Erde verbeugten.
„Jetzt sind wir fertig und Ihr seid in Gnaden entlassen,"
sagte Jener, mit einem fteundlichen Blick auf Elsbeth.
„Gnädigster König," sprach diese, schaamüberfloffen, „Ihr
habt mir so viel Glück beschert — wenn Ihr die Gnade hät-
tet —!" Dabei erhob sie schüchtern den großen Blumenstrauß.
„Ich danke, ich danke, Jungftau," entgegnete Gustav
Adolph, ihr den Strauß gütig abnehmend, — „wie schön
einmal an, winkte gnädig und verließ das Zimmer, während
fich Alles tief vor ihm beugte, Viele aber ihm folgten.
Daß Elsbeth und Heinrich sich in die Arme fielen, braucht
nicht gesagt zu werden, noch auch daß sie fortflogen, dem alten
Vater, dem nun wohl auch nichts widerfuhr, die Freudenbot-
schaft zu bringen.
Herr Hieronimus aber lag noch eine Weile auf den
Knieen, denn ihm schien Alles ein Traum.
„Ja ist's denn wahr," rief er endlich— „die Elsbeth ist
verloren —? Mein Amt ist dahin —? Aber ich werde nicht
geköpft, nicht gerädert und bekomme tausend Gulden?! Ist's
denn wahr?!"
„Freilich ist es wahr!" — sagte ein Mann, der, in einen
Mantel gehüllt, an der Ecke der Thüre stand, durch welche Gu-
stav Adolph eben sich entfernt hatte.
Die Stimme war Herrn Hieronimus bekannt. Er schaute
auf. Entsetzt fuhr er empor, that einen Schrei — und lief
davon, was er laufen konnte.
Es war der Mann aus der Trinkstube und der Gasse
beim Zeughaus.
Also ging es dazumal vor im Wonnemonat des JahreS
1632. Die Schweden zogen bald wieder ab. Die Geißeln
und Kanonen mit. Kanonen und Geißeln kamen später wieder
zu des großen Churfürsten und der Stadt Händen, aber von
den 300,000 Dukaten ist weiterS nirgends geschrieben, daß sie
retournirt seien.
Wollt' aber Einer in späteren Jahren hören, wie eS in
München zugcgangen, da eS die Schweden besetzt, so konnte er's
nirgends besser erfahren, als in der Trinkstube beim Fisch-
brunnen, daselbst Herr Hieronimus Wurzel, weiland Aktuarius
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Thürmers Töchterlein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 77, S. 35
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg