Der wiirttembergische W»lf.
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L
getreuer Pathe
Lieber Herr Käthe Zobelmaier!
Wirhaben unfern Wolfimmernoch
nicht erwischt, obgleich sie'n schon in der
Ständekammer gehabt haben. — Ich glaube jetzt
bald selber, daß das Unthier kein Wolf, sondern
ein Hexenmeister sein muß. Horen Sie nur an,
was uns wieder passirt ist. Da sind wir drei
volle Tage streifen gegangen, haben aber nix
weit und breit gesehen und sind endlich Alle
voll Verdruß nach Hause gegangen. Ich habe
in Leonberg übernachtet, und was meinens, daß
da geschehen ist, derweil wir müd und abge-
schlagen auf dem Ohr gelegen? — Nachts zwölf
Uhr hat der Nachtwächter vorm Forstamtsge-
bäude die Stunde abgerufen, da sieht er im
Vollmondschein einen großen Hund auf der
Staffel vor der Thür sitzen, und der hat gerade
seine Nothdurft verrichtet. „Wart Brest" schreit
der Räuschle und wirft 'n Stein nach dem
Hunde, der fährt auf und läuft wie's Donner-
wetter was giebst, was hast, davon. Da ist es auf einmal dem Räuschle auf's Herz gefallen, und der hat bei sich gemeint, das
könnt' am Ende der Wolf gewesen sein, denn er hat sein Lebtag noch keinen so großen Hund gesehen gehabt. Er läutet also
bei uns an und schreit: „der Wolf ist da, der Wolf ist da." Wir sind über Hals und Kopf aus den Federn gefahren und siehe
da auf der Staffel vor'm Forsthause liegt richtig die Losung, das Unthier selber haben wir aber nimmer gesehen, obgleich wir Alle
bis in der Frühe wieder herumgestreift haben. Am andern Tage haben wir die Losung näher angeschaut und weil wir nicht einig
geworden sind, ob der stühere Besitzer derselben wirklich ein Wolf oder doch am Ende nur ein Hund gewesen ist, so haben wir
die Losung auf einen Teller gethan und der Räuschle hat sie müsien nebst dem Protokoll zu den Herren nach Stuttgart tragen.
Die Herren die sind aber in die größte Ver-
legenheit gerathen, weil der Forstrath schon
längst aufgelöst ist, und haben die Losung von
Pontius zu Pilatus geschickt, aber keiner hat
können, ob sie von einem Wolf herrühre,
hat man denn endlich nach mehreren Wochen
noch einige pensionirte alte Mitglieder von dem
frühern Forstrathe zusammen gerufen, die haben
eine Sitzung gehalten, und haben denn endlich
in letzter Instanz die Entscheidung gegeben mit
der Declaration: „Ist Wolfslosung und enthält
unverdaute Schafwolle."
Jetzt haben wir doch endlich einmal etwas
von dem Wolfe. Ein Glück ist's aber für's
Land, daß wir die Herren in Stuttgart gehabt
haben, sonst wären wir am Ende noch im
Zweifel darüber. Hoffentlich kann ich Ihnen,
lieber Herr Pathe, noch recht viel von dem Wolfe
schreiben und bleibe bis dahin Ihr
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L
getreuer Pathe
Lieber Herr Käthe Zobelmaier!
Wirhaben unfern Wolfimmernoch
nicht erwischt, obgleich sie'n schon in der
Ständekammer gehabt haben. — Ich glaube jetzt
bald selber, daß das Unthier kein Wolf, sondern
ein Hexenmeister sein muß. Horen Sie nur an,
was uns wieder passirt ist. Da sind wir drei
volle Tage streifen gegangen, haben aber nix
weit und breit gesehen und sind endlich Alle
voll Verdruß nach Hause gegangen. Ich habe
in Leonberg übernachtet, und was meinens, daß
da geschehen ist, derweil wir müd und abge-
schlagen auf dem Ohr gelegen? — Nachts zwölf
Uhr hat der Nachtwächter vorm Forstamtsge-
bäude die Stunde abgerufen, da sieht er im
Vollmondschein einen großen Hund auf der
Staffel vor der Thür sitzen, und der hat gerade
seine Nothdurft verrichtet. „Wart Brest" schreit
der Räuschle und wirft 'n Stein nach dem
Hunde, der fährt auf und läuft wie's Donner-
wetter was giebst, was hast, davon. Da ist es auf einmal dem Räuschle auf's Herz gefallen, und der hat bei sich gemeint, das
könnt' am Ende der Wolf gewesen sein, denn er hat sein Lebtag noch keinen so großen Hund gesehen gehabt. Er läutet also
bei uns an und schreit: „der Wolf ist da, der Wolf ist da." Wir sind über Hals und Kopf aus den Federn gefahren und siehe
da auf der Staffel vor'm Forsthause liegt richtig die Losung, das Unthier selber haben wir aber nimmer gesehen, obgleich wir Alle
bis in der Frühe wieder herumgestreift haben. Am andern Tage haben wir die Losung näher angeschaut und weil wir nicht einig
geworden sind, ob der stühere Besitzer derselben wirklich ein Wolf oder doch am Ende nur ein Hund gewesen ist, so haben wir
die Losung auf einen Teller gethan und der Räuschle hat sie müsien nebst dem Protokoll zu den Herren nach Stuttgart tragen.
Die Herren die sind aber in die größte Ver-
legenheit gerathen, weil der Forstrath schon
längst aufgelöst ist, und haben die Losung von
Pontius zu Pilatus geschickt, aber keiner hat
können, ob sie von einem Wolf herrühre,
hat man denn endlich nach mehreren Wochen
noch einige pensionirte alte Mitglieder von dem
frühern Forstrathe zusammen gerufen, die haben
eine Sitzung gehalten, und haben denn endlich
in letzter Instanz die Entscheidung gegeben mit
der Declaration: „Ist Wolfslosung und enthält
unverdaute Schafwolle."
Jetzt haben wir doch endlich einmal etwas
von dem Wolfe. Ein Glück ist's aber für's
Land, daß wir die Herren in Stuttgart gehabt
haben, sonst wären wir am Ende noch im
Zweifel darüber. Hoffentlich kann ich Ihnen,
lieber Herr Pathe, noch recht viel von dem Wolfe
schreiben und bleibe bis dahin Ihr
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der württembergische Wolf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 84, S. 95
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg