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Hausmittel.
„Sich, lieber Freund, die Geschickt war so: Ick mockt
nach Haus kommen, wann ich wollte, immer hals eine
tüchtige Gardinen-Predigt abgcsetzt. Trotz aller Bitten und
Vorstellungen ergoß sich der Redefluß meines keifenden Weibes
wie ein Wokkcnbruch über mich unglückliches Mannsbild.
Da kam mir neulich ein glücklicher Gedanke. Ich lasse ganz i
heimlich, wahrend der Drache außer Haus war, eine ziemlich
große Glocke in nnserm Schlafzimmer befestigen. Wie ich
nun das nächste Mal nach HauS komme — cs war schon
nach 12 Uhr — schüttet sie richtig wieder einen ganzen
Strom von Grobheiten über mich aus; ich thnc als wenn
ich's nicht hörte, ergreife ganz ruhig das Seil und sang' an
tüchtig zu läuten. „Ha, Du Ungeheuer!" schreit sie, „was
soll das bedeuten?" — „Ich läute nur Deine Predigt ein,
liebe Frau!" sag ich. Siehst Du, und seit dieser >}cit habe
ich Ruh'!"
Der neue Häring.
Heymann Süßmilch hatte aus der Frankfurter Messe
ausgezeichnete Geschäfte gemacht, wie noch in keinem Jahre,
und schleuderte nun proeul negotiis in seinem langen Glanz-
rock, das schwarze Sammetkäppchen aus die etwas röthlich
schimmernden Locken gedrückt, recht vergnügt durch die Straßen.
Plötzlich stand er vor dem Schaufenster eines Delikatessen-
LadcnS still, wo Trauben, Feigen und Apfelsinen lockende
Reigentänze um einen wilden SchwcinSkopf aufführten und
ein prächtiger Fasan in stolzem Selbstbewußtsein zu Bctrach-
tungen über den Wohlgeschmack der hühnerartigen Vögel im
Allgemeinen und der gcsülltcn Fasanen im Speziellen anreizte.
Wenn aber auch, wie wir leider der Wahrheit gemäß
bekunden müssen, Heymann etwas sinnlicher und gaftrono-
Mischer Complerion war, so verstiegen sich seine Wünsche doch
nicht zu dergleichen exorbitanten Leckerbissen: dagegen fesselte
ihn eine schlichte Tafel in einer Umkränzung von Weinblättern
und mit der Inschrift „Ganz vorzügliche neue Häringe" mit
unwiderstehlicher Gewalt.
Heymann zauderte einen Augenblick, ob um sich durch
Verzögerung des Genusses empfänglicher für denselben zu
machen oder ob aus pekuniären Rücksichten, wissen wir nicht;
dann aber trat er ein und ging bescheiden auf den Wirth
zu, welcher im Wahn, jener wolle an seine Mildthätigkcit
appclliren, eben im Begriff stand, ihn an seine Glaubens-
genossen zu verweisen. Jndcß kam ihm Heymann zuvor,
bestellte einen „naicn Häring" und — ein Glas Wein und
setzte sich recht gemächlich in einen einladenden Fauteuil.
Räch einer ziemlichen Pause erschien das Gewünschte;
der brave Händler zerlegte den Häring, nahm einen mäßigen
Schluck und begann nun ein Stück des gepökelten Mecr-
bewohners zu genießen. Kaum jedoch hatte er dasselbe über
die Lippen gebracht, als sich seine Gesichtszüge und zwar >
durchaus nicht vorthcilhaft veränderten; er schluckte allerdings '
den Bissen hinunter, goß jedoch, wie um jede Spur des Ge- i
schmackcs hinabzuspülen, den Rest des Weines in die Kehle.
Hierauf beugte er sich ganz dicht über den Teller und begann
ein halblautes Gespräch, das, merkwürdig genug, an den
Häring gerichtet schien. Die übrigen Gäste, schon vorher auf-
merksam geworden auf den ungewöhnlichen Besucher, beobachteten
ihn erstaunt und ersuchten endlich, da die vertrauliche Fisch-
Unterhaltung kein Ende nehmen wollte, den Wirth, nach der
Hausmittel.
„Sich, lieber Freund, die Geschickt war so: Ick mockt
nach Haus kommen, wann ich wollte, immer hals eine
tüchtige Gardinen-Predigt abgcsetzt. Trotz aller Bitten und
Vorstellungen ergoß sich der Redefluß meines keifenden Weibes
wie ein Wokkcnbruch über mich unglückliches Mannsbild.
Da kam mir neulich ein glücklicher Gedanke. Ich lasse ganz i
heimlich, wahrend der Drache außer Haus war, eine ziemlich
große Glocke in nnserm Schlafzimmer befestigen. Wie ich
nun das nächste Mal nach HauS komme — cs war schon
nach 12 Uhr — schüttet sie richtig wieder einen ganzen
Strom von Grobheiten über mich aus; ich thnc als wenn
ich's nicht hörte, ergreife ganz ruhig das Seil und sang' an
tüchtig zu läuten. „Ha, Du Ungeheuer!" schreit sie, „was
soll das bedeuten?" — „Ich läute nur Deine Predigt ein,
liebe Frau!" sag ich. Siehst Du, und seit dieser >}cit habe
ich Ruh'!"
Der neue Häring.
Heymann Süßmilch hatte aus der Frankfurter Messe
ausgezeichnete Geschäfte gemacht, wie noch in keinem Jahre,
und schleuderte nun proeul negotiis in seinem langen Glanz-
rock, das schwarze Sammetkäppchen aus die etwas röthlich
schimmernden Locken gedrückt, recht vergnügt durch die Straßen.
Plötzlich stand er vor dem Schaufenster eines Delikatessen-
LadcnS still, wo Trauben, Feigen und Apfelsinen lockende
Reigentänze um einen wilden SchwcinSkopf aufführten und
ein prächtiger Fasan in stolzem Selbstbewußtsein zu Bctrach-
tungen über den Wohlgeschmack der hühnerartigen Vögel im
Allgemeinen und der gcsülltcn Fasanen im Speziellen anreizte.
Wenn aber auch, wie wir leider der Wahrheit gemäß
bekunden müssen, Heymann etwas sinnlicher und gaftrono-
Mischer Complerion war, so verstiegen sich seine Wünsche doch
nicht zu dergleichen exorbitanten Leckerbissen: dagegen fesselte
ihn eine schlichte Tafel in einer Umkränzung von Weinblättern
und mit der Inschrift „Ganz vorzügliche neue Häringe" mit
unwiderstehlicher Gewalt.
Heymann zauderte einen Augenblick, ob um sich durch
Verzögerung des Genusses empfänglicher für denselben zu
machen oder ob aus pekuniären Rücksichten, wissen wir nicht;
dann aber trat er ein und ging bescheiden auf den Wirth
zu, welcher im Wahn, jener wolle an seine Mildthätigkcit
appclliren, eben im Begriff stand, ihn an seine Glaubens-
genossen zu verweisen. Jndcß kam ihm Heymann zuvor,
bestellte einen „naicn Häring" und — ein Glas Wein und
setzte sich recht gemächlich in einen einladenden Fauteuil.
Räch einer ziemlichen Pause erschien das Gewünschte;
der brave Händler zerlegte den Häring, nahm einen mäßigen
Schluck und begann nun ein Stück des gepökelten Mecr-
bewohners zu genießen. Kaum jedoch hatte er dasselbe über
die Lippen gebracht, als sich seine Gesichtszüge und zwar >
durchaus nicht vorthcilhaft veränderten; er schluckte allerdings '
den Bissen hinunter, goß jedoch, wie um jede Spur des Ge- i
schmackcs hinabzuspülen, den Rest des Weines in die Kehle.
Hierauf beugte er sich ganz dicht über den Teller und begann
ein halblautes Gespräch, das, merkwürdig genug, an den
Häring gerichtet schien. Die übrigen Gäste, schon vorher auf-
merksam geworden auf den ungewöhnlichen Besucher, beobachteten
ihn erstaunt und ersuchten endlich, da die vertrauliche Fisch-
Unterhaltung kein Ende nehmen wollte, den Wirth, nach der
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hausmittel" "Der neue Häring"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 979, S. 119
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg