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Zu in Woh le der lei

ein vielsagender Griff nach einem der am Fenster stehenden
Blumentöpfe belehrte Georginen, daß es gerathen sei, das
Feld zu räumen. Sie that dies mit einem tiefen Knixe,
indem sie von der Thür aus ihrer Schwester noch ein giftiges
„Ich gratulire" zurief. Wie gesagt, Rosaliens Entschluß
stand fest, das Geld und den Mann zu nehmen. Zur großen
Freude des Papa theilte sie ihn Abends der Familie mit.
Rudolph erbleichte etivas, indeß gewann ihn der Alte leicht
für das Projekt, indem er ihm auseinandersetzte, daß es
immer besser sei, jeder von ihnen werde von einem Drachen
gequält, als beide von zweien.

Nach einigen Tagen las man in der Zeitung:

Als Verlobte empfehlen sich
Rosalie Häßlich,

Rudolph Staubig.

Der alte Herr betrieb nun mit großem Eifer die Etab-
lirnng des Geschäfts; der größte Uebelstand war nur der,
daß die Gläubiger, sobald sie die veränderten Umstände des
armen Rudolph erfahren hätten, sofort über ihn herfallen
würden. Aber auch hier fand man einen nicht mehr unge-
wöhnlichen Ausweg. Herr Häßlich miethete auf seinen
Namen eine Wohnung für die jungen Leute, die für die-
selben bestimmte Wirthschaft blieb sein Eigenthum und das
Geschäft sollte unter fremder Firma betrieben werden für
Rechnung des alten Häßlich. Bald fand sich auch ein junger
Kaufmann, welcher seinen werthen Namen „Ferdinand
Speichel" und seine Arbeitskraft für einen jährlichen Gehalt
von 500 fl. dem alten Häßlich zur Verfügung stellte.

Das Unternehmen wurde also in's Werk gesetzt. Die
Hochzeit wurde anberaumt. Dem bescheidenen Busen der
Jungfrau Rosalie entrang sich das herzbrechende „Ja".
Rudolph machte bei der Ceremonie ein Gesicht, als wenn er
einen verbrannten Eierkuchen zu vertilgen hätte, ans Georgi-

denden Menschheit.

nens Antlitz spielte das Lächeln der Schadenfreude, nur der
alte Häßlich war kreuzfidel.

Die Flitterwochen Rudolph's wurden durch eine vier-
zehntägige Reise auf Veranlassung der Gläubiger unterbrochen,
welche aber ein ebenso geringes Resultat hatte, wie die
frühere. Die Arbeitskraft des eigentlichen Chefs war ent-
behrlich, da Herr Speichel und Rosalie Staubig, geb. Häßlich,
die Bücher führten, ihm auch nicht einmal ein Einblick in
dieselben gestattet wurde; er wurde also nicht vexmißt und
kehrte nur aus jenem Lande der Muße zurück, um mit desto ^
größerer Raffinirtheit von seiner Ehehälfte gequält zu werden.
In der That wurde das gute Weib nicht müde, ihrem Ge-
mahl ganz unverhohlen die bittersten Vorwürfe über seine
Trägheit zu machen; wollte er sich dann der Bücher be-
mächtigen, wurde er von ihr nüt Hinweis auf seine Un-
fähigkeit zurückgewiesen; ihn zu ähnlichen Dienstleistungen,
wie im Hause ihres Vaters zu benutzen, verboten naheliegende
Rücksichten, er wurde also recht im eigentlichen Sinne als
ein überflüssiges Möbel betrachtet und behandelt, selbst das
Essen durste er nicht ohne Wermuth hinunterbringen, und
wußte sie weiter nichts, so hatte er schmutzige Hände, eine
schwarze Nasenspitze, Flecken in den Kleidern oder in der
Wäsche. Es läßt sich leicht denken, wie lästig es dem guten
Rudolph fallen mußte, daß er nun auch seinem Naturell in
Bezug aus Reinlichkeit Zwang anthun sollte. Aber darauf
hielt sie, und ehe er das Haus verließ, mußte er sich vorher
einer sorgfältigen Musterung unterwerfen. Der äußere
Rudolph hatte sich zur größten Ergötzung aller seiner Be-
kannten zum Vortheile verändert; in dem Bierlokale, ivelches
er frequentirte, hatte man ihn ivegen seiner Unsauberkeit
bisher nur den „staubigen Bruder" genannt; wenn er jetzt
erschien, und dies geschah Dank der Wachsamkeit seiner
Gattin und aus Mangel am nöthigen Kleingeld äußerst
selten, hatten seine Bekannten große Belustigung darüber,
wie er mit äußerster Vorsicht am Tische Platz nahm, wie er
seine alte Gewohnheit, den Ellenbogen auf den Tisch zu
stützen, anfgegeben hatte, wie er nicht einmal den Arm auf
den Tisch zu legen wagte, wie er beim Trinken — Essen
erlaubte er sich nicht mehr außer dem Hanse — die Hand schützend
über seinem Vorhemd ausbreitete, wie er aus Schonung für
das Beinkleid sofort seine Position wechselte, wenn er be-
merkte, daß er in Gedanken ein Bein über das andere ge-
schlagen hatte u. dgl. m. Er war ein Orestes: die Furie
lauerte an der Pforte des biererquickenden Heiligthumes.
Er war verwandelt. Aus dein nahrungsfrohen, sonst gleich- j
gültigen Rudolph ivar ein betrübtes gequältes Geschöpf ge-
worden. O Rosalie!

So fand ihn eines schönen Tages in der Kneipe der
Sitterat Schimmelpfennig, dessen Litteratur darin bestand,
daß er sein Licht durch Anfertigung von Gelegenheitsgedichten
und Geschäftsreklamen leuchten ließ.

(Fortsetzung folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Zum Wohle der leidenden Menschheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schwester <Motiv>
Vorschlag
Streit <Motiv>
Blumentopf
Cousin
Eheschließung
Vermögen
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 988, S. 188

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