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Vor Hund ert Jahren.

„Deutsche Mitsänger und Bürger von Krähwinkel!"

— Die Muhbcrger wurden schon wieder hintenangesctzt! —

„Ich bin zwar weit entfernt, mich der Hoffnung hin-
geben zu können, daß meine bescheidenen Worte dem Redner-
strome meines geehrten Herrn Vorredners gleichkommcn
können; aber im Gefühle der Wichtigkeit der jetzigen Zeit-
umstände erlaube ich mir auch die andere Seite des Hans
Sachs zu erwähnen, seine Seite als Bürger, als Bürger der
Stadt Nürnberg, als Schuhmacher der Stadt Nürnberg!

Glauben Sie wohl, meine Verehrten re re., das tief-
poetische Gefühl des Hans Sachs ließ ihn schon damals
erkennen, daß alle Poesie der Zukunft eine reale Basis im
Handwerke haben müsse, daß jeder Gewerbsmann später
Gesangvcrcinsmitglied werden müsse und deßhalb brachte er
das große Opfer und lernte neben seinen vielen Liedern aus-
wendig auch noch das Schusterhandwcrk! Ehre einem solchen
patriotischen Gefühle! Wie leuchtend ist dicß Thun gegen-
über dem seiner ältcrn Collegen, Walther von der Vogel-
wcide und Heinrich von Ofterdingen, diese brachten cs nicht
mal so weit, den Adel abzulegen, denn sie waren heillose
Reaktionäre!

Möchte in unserer Zeit Jeder ein Hans Sachs werden,
dürften wir uns schmeicheln, Alle würdige Nachfolger von ihm
zu sein, könnte es unö noch oft vergönnt sein, das heutige
Jubiläum in so würdiger Weise zu feiern; leider aber auch
giebt cs Leute, sogar Sänger, die da am heutigen Tage das
Fest — doch ich will das lieber übergehen — ihm also, dem
Manne, der, der — — er lebe hoch, hoch und nochmals
hoch und abermals hoch."

Nun war daö Redenhalten an den Muhbergern: Laxantius
war und blieb verschwunden, A-, B- und Cmater nebst noch
einigen andern Harmonisten hatten sich, thcils um ihren
Schmerz wegen des Herabgcfalleuseins von ihren Gäulen,
theils um den Zorn, daß man ihnen so wenig Aufmerksam-
keit schenkte, und noch keine Rede auf sie gehalten worden
war, zu beschwichtigen, total bekncipt, nur Schunkenmaier war,
trotzdem daß er auch schon in „sichtlich gehobener Stimmung" sich
befand, ganz redewüthend, namentlich auf die Anspielungen des
Mundcrkinger Redners. So sanft cs ihm bei seiner Berufs-
bildung möglich war, verschaffte er sich Platz zur Rednerbühne
und nachdem er mit brüllender Stimme „still" geboten hatte,
begann er — aber leider mit immer lallenderem Tone:

„Allerdings, meine Herren, ist Hans Sachs ein großer

— ein grooßcr Sänger; aber Sic Sie m—müssen nicht
glauben, da—aß er I—Ihnen zu lieb gesun—ungen habe

— daaß Sic ihn all—allein feiern könnten; ich—i—ich,
und die Ha^-Ha—armonie haben zuerst den — den Ge—
gehanten dcS Hans Sachs gef—funden und uns, der Stadt
Mu—mu—muhberg gehört die Ehre und wer's nicht glaubt

— ich b —bin der Wurster Schunkenmaier und und ein
Heiligkrcuzmillionendonnerwetter" —

Als er so weit gekommen war, wollte ihn der Stadt-
schreiber von Muhberg, der die drohende Haltung der Muu-
derkinger bemerkte, beschwichtigen und sanft am Rocke zurück-

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ziehen, Schunkenmaier warf ihn aber ganz kalt über die
Tribüne herunter und fuhr in seiner Rede fort:

„Halts M—maul! elendiger Schreiber, ja —j—a —
j—a — ich sag's noch emol — mir, der Ha —a —armonie
gehört die Ehre und nicht — E —uch miserablichten
Sp—spicßbürger von Kr—krähwinkel und und wär w—was
w—will, der" — plumps da lag der Wurstmaicr mit
sammt der Tribüne am Boden; die in ihrem sittlichen Ge-
fühle aufs tiefste empörten Cvucordianer und Liederkränzler
hatten diese umgcworfen und nun da sie losgclasscn, des
Volkes wilde Macht, blieb den armen Muhbergern nichts
übrig, als durch schleunigste Entfernung sich einer gründ-
lichen Portion Prügel zu entziehen, was auch den Meisten
gelang. Vor den Thoren gesellten wir uns wieder zusammen
und verkürzten unö die Heimfahrt durch gegenseitige Vorwürfe.

' Larantius drückte sich in meine Nähe und fragte
lächelnd, ob ich nun genug cultur-historische Studien an den
Muhbergern gemacht hätte, andernfalls wolle er mir näch-
stens das Vergnügen wieder machen; ich aber seufzte und
hatte genug, schnürte anderen Tags meinen Bündel und wan-
derte gegen Sonnenaufgang zu. Bald darauf erfuhr ich dann,
daß der Br. sich noch das Vergnügen gemacht hatte, daS
Fest in allen Zeitungen als ein sehr gelungenes und erheben-
des zu schildern, ich aber sann darüber nach, wie cs wohl in
100 Jahren in jener Gegend ausseheu möchte.

Ed. Schilling.

Auflösung

des Rebus in Nummer 1080:

„Eine Wüste."

13*
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vor hundert Jahren"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stadtschreiber
Drohung
Tribüne
Volksfest <Motiv>
Bühne <Motiv>
Redner
Karikatur
Kleidung <Motiv>
Menschenmenge <Motiv>
Nachbargemeinde
Beschwichtigungsverhalten
Trunkenheit <Motiv>
Rede <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Besänftigung
Faust <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 44.1866, Nr. 1081, S. 99

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