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Die Freimann und der Hundertpfund.

sic einen eigenen Wohllaut — und wann er nicht sprach,
sondern sic nur ansah, gefiel er ihr um nichts weniger. In
Kurzem, sic erinnerte sich an Niemand, der ihr so fast zu Ge-
müth gegangen wäre, — und daß er kein Vermögen besitze, was
lag daran. Sie selbst war ja reich genug, und er von so treff-
licher Herkunft, wie die anderen Hnndertpfund zu München, nur
daß cs die nach viel Tausenden hatten, er aber nicht. Das
kömmt in der Welt gar oft vor. Wie dem sei, sie hätte ihn
überaus gerne zum Gemahl erhoben, und weil sie trotz aller
Bescheidenheit glaubte, sic möchte ihm nicht ganz mißfallen, lag
ihr Alles daran, daß er Math fasse und seine Geneigtheit
irgend vcrrathc.

Sic ließ ihn deßhalb viel öfter rufe», als just von Nöthen
war, nahm von allerlei Handlungsbüchern Einsicht, fragte uni
dies; oder jenes Unternehmen, und weil da Alles stets richtig
und gut war, lobte sic ihn und zeigte sich, obschon als Herrin,
doch zeitweise ungemein huldsam und zutraulich. Da bemerkte
sie, daß er zwar himmelweit entfernt sei, ihren Worten und
Gcberdcn etwas Anderes, als gnädigen Sinn nnterzulegcn, ver-
kannte aber eben so wenig, daß er sic liebe, und zwar mit voller
Macht der Seele.

Und so war's auch. Wer weiß, wie lange schon. Nur !
daß er dessen in gewohnter Ehrfurcht nicht bewußt gewesen,
ebenso, wie sic ihrer Herzensgeneigtheit zu ihm nicht ganz ein-
gedenk war. Diese seine Liebe und sein innerer Kampf be-
wiesen sich aber ans seiner ganzen Art und Weise. Denn hie
und da brachte er die ganz Unrechten Bücher; wenn er sprach,
fand er mehrmals das rechte Wort nicht; in seinen Blicken war
zu Zeiten etwas ganz Schwankes, und wenn er um die oder
jene neue Unternehmung gefragt wurde, wußte er davon meist
weniger zu berichten, als die Freimann selbst. Und wenn dann
diese sagte: „Aber, guter Herr Hnndertpfund, wie kommt Ihr !
mir denn heute wieder für? Euere Weise muß doch einen
Grund haben. Sprecht Euch aus, vielleicht kann ich besser
helfen, denn Ihr meint!" — Da wurde er erst ganz unruhig
und wirr und bat unterthänig um Nachsicht: „Er habe da zeit-
weise »»gemein heftiges Kopfleiden, wie auch hie und da Herz-
klopfen, und zwar dermaßen, daß er kaum die Stiege herauf
komme. Nachts lasse cs ihm auch keine Ruhe. In Kurzem, !
er sei nicht am besten daran — wenn sie aber gnädig sei und
Geduld habe, werde cs mit ihm doch wohl wieder besser werden."

Ja besser, keine Spur. Im Gegentheil, es ging immer
schlechter mit Bücherbringcn, Calculirc», Antwort geben und mit
den Blicken auch. Und ganz begreiflich. Denn zur Liebe sonder
alle Hoffnung war jetzt noch die Verzweiflung gekommen. Er
konnte sich nemlich nichts Anderes denken, als daß die Freimann
endlich nmnnthig werde und sage: „Sucht Euch einen andern
Dienst, denn Ihr seid mir zu verwirrt und bringt mir am Ende
noch die ganze Handelschaft durcheinander!"

Nun war zwar derselbe Unmuth keineswegs zu befürchten,
denn je confuser der Hnndertpfund wurde, desto lieber war cs
der Freimann — wußte sie doch ganz sicher und gewiß, wie
cs in seinem Herze aussehe. Aber was half ihr seine erwünschte
Liebe, wenn er sie nicht gestände. Das Geständniß wollte sic

um jeden Preis erwirken, und sann und sann, bis ihr zuletzt
einficl, ihm beim nächsten Male zu sägen: „Wie er, könne nur
Einer sein, dem die Liebe z» irgend einer Maid den Kopf ver-
wirre —" und dachte: „Hab' ich ihn erst so weit, wird sich
ein Wort zum anderen finden, bis er nicht mehr anskann und
die rechte Farbe bekennt!"

Wie sic diesen Entschluß gefaßt hatte und dann gleichwohl
mit einigem Bangen daran dachte, ihn ausznführen, — kam
ein reicher Kaufherr von Augsburg ans Besuch.

Der war der alte Anton Welser.

Selbiger hatte diverse Geschäfte zu München abgemacht,
nun auch Etwas im Freimannhanse zu verhandeln, war übrigens
etliche Jahre nicht hier gewesen und obwohl er den alten Frei-
mann gar wohl gekannt, dessen Hausfrau und nunmehrige
Wittib Enphrosinc hatte er früher nie gesehen. Als er nun,
wie sich für einen Patricins ziemt, ganz vornehm und erhaben,
aber auch wieder ganz artig und verbindlich zu ihr kam, so und
so sprach und verhandelte, und nebenbei mit seinen blinzrig
hellgrünen Aengelein inne wurde, und stets mehr bemerkte, wie
zauberhaft nmnnthig die fragliche Frcimann Wittib sei all in
ihrem Acnßeren, und wie sie sprach — da stiegen alsbald ganz
sonderliche Gedanken in seinem alten Augsburger Patrizierkopf
ans, und calcnlirte er so in sich hinein: „Ich bin Wittwer und
habe keine Kinder. Hinwieder ist selbige schöne Freimann Wittib
und hat auch keine Nachkommenschaft. Das ginge schon tapfer
mit einander! Hernach bin ich reich und sie desgleichen. Das
wäre denn wieder gut!" Dann dachte er: „Hat sic ehend den
alten Frcimann angenommen, könnt' cs nicht fehlen, daß sic
bei dir wieder einschlägt, — um so sicherer, als du zwar schon
tief in den Sechzigern bist, aber dennoch um z>vo Jahre jünger,
als der Freimann bei seiner Hochzeit gewesen. Und du bist
überdies; von den ganz hohen Patriciis! Das gibt wohl aus
bei den Frauen, die alle wollen, daß ihr Mann etwa» was
Großes in der Welt vorstellt! Item und Ivos die grauen
Haare auf deinem Haupt und dassclbige bislein Glatze betrifft,
- kann cs einer einsichtigen Frauen minderst nicht ankommcn!
Denn einstheils verleiht das nach Umständen eine große Ehr-
würdigkeit, wie es auch viel Bctveis von großem Denken ab-
gibt! Wär' aber auch das nicht, so hätt' cs auch nichts auf
sich. Denn wann du das sammetcnc Barettum ans dem Kopf
hast, sieht Niemand auf der Gasse, wie du oberwärts beschaffen
bist — und daheim trägst du ohnehin dein Käpplcin von wegen
etwanigcr Zugluft! Und ob auch nicht — man gewöhnt sich
Weiberscits an Alles, >vas da ist, — und an das, was nicht
da ist, auch. Also wird die Frcimann auch bald nimmer merken,
ob du vollgcwachscncn Scheitel habest, oder ob es da leer sei.
Ans so etwas kommt's nicht all!"

Ungefähr so calcnlirte der Welser. Und weil ihm die
Frcimann auffallend viel Ehrerbietung und Freundlichkeit bewies,
gedachte er das Eisen zu schmieden, so lange cs heiß sei.

Sagte deßhalb, nachdem er mit seinen Verhandlungen ganz
zu Ende war: „Er habe sich eigentlich vvrgenommcn, nur mehr
einen Tag in München zu verweilen. Es gefalle ihm aber,
insbesondere ihrer Freundlichkeit wegen, dermaßen wohl, daß er
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