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Nur Alles geschäftsmäßig.

machten und kolossal verlangt wurden. Auch nach Fräulein
Bertha ist Nachfrage bereits sehr stark."

Krebsmaier's Sohn Carl hatte den Ball besucht und an
der äußerst elegant aus gestatteten Bertha großes Wohlge-
fallen gefunden. Der alte Krebsmaier, der voraussah, daß ein
solcher Artikel rasch vergriffen sein werde, richtete an Papa
Goldamsel folgendes Schreiben:

„Geehrter Herr College!

Mein Sohn Carl, der gestern Ihren neuesten aus dem
Balle ausgestellten Verlagsartikel kennen zu lernen das Ver-
gnügen hatte, interessirt sich in hohem Grade für denselben und
möchte die Bedingungen kennen lernen, unter welchen Sie
geneigt wären, mit ihm in Verbindung zu treten. Auch i ch
bin in Anbetracht des Rcnommo's, das Ihre Firma genießt,
der Partie nicht abgeneigt. Mein Sohn ist noch sehr gut er-
halten, nicht im geringsten ramponirt oder dcfcct, und
der Inhalt dein Aeußeren vollkommen entsprechend, so daß er in
dieser Beziehung keine Conenrrenz zu scheuen braucht. Ihre
Tochter, Fräulein Bertha, scheint mir — soweit man Ankündig-
ungen Glauben schenken darf — ein Prachtexemplar zu
sein. Ich möchte daher an Sie das höfliche Ansuchen stellen,
mir Inhaltsverzeich niß und Preisangabe womöglich
umgehend zugehen zu lassen. Um Jrrthümern vorzubeugen, sehe
ich mich bezüglich des Vermögens Ihrer Fräulein Tochter zu
der Bemerkung veranlaßt, daß ich Uebcrträge unter keinen
Umständen gestatten kann, sondern daß rein saldirt werden
muß. Wenn Sie meinem Sohne die Hand Ihrer Tochter
nicht versagen und ihr ein entsprechendes Heirathsgut baar
oder in kurzsichtigen acceptirtcn Wechseln ausbezahlcn, dann
nehme ich vielleicht — Sie wissen ja, ich bin Wittwer —
später Ihr Fräulein Schwester Rosa ä Rest.

Da ich außer meinem Sohne auch noch eine Tochter a n f
Lager habe, würde ich Ihnen weiter den Vorschlag machen,
diese meine Tochter Auguste für Ihren Sohn Emil in Change
zu nehmen. Wegen einiger kleiner Differenzen im Werthc
der Beiden werden wir uns bei gegenseitigem guten Willen
rasch einigen. Jedenfalls berechne ich Ihnen meine Tochter
zum Selbstkostenpreis und hoffe auch von Ihnen, daß
Sie mir bezüglich Ihres Sohnes in gleicher Weise entgegcn-
kommcn. Ich zweifle nicht, daß diese Angelegenheit bald zu
einem für beide Theile günstigen Abschluß gelangen wird.

Verkaufen Sie nicht Restauflagen von Jugendschristen?
Ich bin Käufer von größeren Particen.

Mit collcgialem Gruße Ihr

ergebener

Krebsmaier."

Wenige Tage später erhielt Krebsmaier von Papa Gold-
! amsel folgendes Schreiben:

„Verehrtester Herr College!

Auf Ihre Zuschrift diene Ihnen zur Erwiderung, daß
! ich leider nicht das Vergnügen habe, Ihren Herrn Sohn,
sowie Ihr Fräulein Tochter persönlich zu kennen und daher
nicht in der Lage bin, ans Ihr Offert eine bindende Antwort
j geben zu können. Schicken Sie mir einmal Ihren Karl zur
Ansicht. Convenirt er mir und meiner Bertha, so werden
wir ihn behalten und bin ich dann nicht abgeneigt, auf das
Geschäft einzngehen; paßt er uns nicht, so bekommen Sie ihn
binnen 14 Tagen unversehrt und franco retour. Wenn
Sic ihn per Güterzug senden, so will ich gern auch die Kosten
der Herfahrt bestreiten. Daß ich meine Tochter nur fest
gebe, will ich nicht unerwähnt lassen Auf Ihr Changc-
anerbictcn bedanre ich nicht eingehen zu können, weil mein
Emil zur Zeit noch nicht daran denkt, sich binden zu lassen,
die Nachfragen auch so bedeutend sind, daß — würde ich
; aus Ihr Change-Offert eingehen — ich mir den Vorwurf
machen müßte, meinen Sohn verschleudert zu haben. Jndeß
sind Ihre Anerbietungen in Betreff meiner Schwester Rosa so
überraschend günstig, daß Sic schon deshalb auf ein Ent-
gegenkommen von meiner Seite rechnen können. Wegen der
einzelnen Punkte unseres Contractcs, in dem auch genaue
Bestimmungen in Bezug auf etwaige neue Auflagen in
kleinem Formate getroffen werden müssen, hoffe ich,
werden wir bald conform gehen. Bis dahin muß ich mir
auch die Beantwortung Ihrer Anfrage wegen Restanflagcn, von
denen ich Ihnen ein hübsches Offert machen könnte, Vorbehalten.

Ihrer angenehmen Nachricht cntgcgenschcnd, zeichne ich
Hochachtungsvoll

Ihr ergebenster
Goldamsel."

Wenige Monate später gingen Goldamsel und Krebsmaier
conform. Kurze Zeit daraus heiratheten Karl und Bertha. Herrn
> Goldamsel's Schwester Rosa nahm Herr Krebsmaier zur Frau
1 und überzeugte sich davon, daß bei einem guten Buche die Zeit
zwar wohl den Einband verdirbt, der Inhalt aber immer der
! gleiche bleibt.

Ob Auguste Krebsmaier liegen blieb, davon haben wir
keine sichere Kenntniß; daß aber Emil Goldamsel, den sein Herr
Vater nicht verschleudern wollte, Junggeselle geblieben, be-
weisen nachfolgende sechs Lieder, welche durch einen glücklichen
Zufall in unseren Besitz kamen.

Nachschrift. „Ich lege Ihnen ein El ich e von meinem
Sohne Carl bei, das ihn in dem Momente darstellt, wie er die
Saldis von nächster Oster messe kürzt und in Uebcrträge
oder auch Disponenden verwandelt. Er ist so geschickt und
couragirt in diesem Geschäfte, daß ich ihn ungemein lieb
gewonnen habe, und ihn deßhalb, um ihn immer vor Augen
zu haben, über meinem Pulte ausgehängt habe. Ich bin über
zeugt, daß auch Sie an ihm großes Wohlgefallen finden werden."

Ich war ein Verehrer der Mädchen
Und schönen Franc» stets,

Ich liebte sie in Folio,

In Quart und Duodez.

Doch nimmer wagt' ich die Ehe —

Ist der Ring an den Finger gesteckt
Da gibt's kein Rcclamiren
Nachträglich wegen Dcfcct.
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