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Eine gefäh

Bank der Promenade eine hübsche Nachbarin kennen, von der
man sagen maß, sie habe sich dem jungen Manne nicht auf-
gedrängt; daß sic ihn aber bald in ein heiteres Gespräch zu
ziehen wußte, — das lag in ihrem Wesen. Lorenz fand das
nette Mädchen von Minute zu Minute reizender; es spannen
sich die Fäden hinüber und herüber, und die um vier Wochen
verlängerte Bummelzeit brachte Lorenz und Emcrcnzia zum Altar.

Still, häuslich, glücklich lebte das junge Paar. Er saß bei
seinen Büchern und sie tänzelte singend, lachend im Hause umher.

Selbstverständlich hatte Einerenzia den Verkehr mit ihren
früheren Freundinnen abgebrochen, denn — das sah sie wohl ein

— sic würden nicht in die ruhige Sphäre des Hauses gepaßt
haben. Wenn aber der Mann immer bei den Büchern hockt,
und die Frau sich die größte Zeit mit sich selbst unterhalten
soll, dann fängt die Sache endlich doch an, etwas auf die

. Spitze gestellt zu werden. Das fiel Emerenzien erst auf, als
Lorenz auf zwei Monate nach Paris reiste, um dort wissenschaft-
liche Nachforschungen zu treiben. Sic war nun mutterseelen-
allein. Er war nicht da, um von Zeit zu Zeit in seine Stube
zu schleichen, ihm plötzlich von rückwärts die Augen zu verhalten,
um ihn für einen Kuß aus dieser Finsternis; zu lösen, wobei
das Lösegeld unter Lachen immer freiwillig vermehrt war.

Nun war Alles stille in dem Hause. Man hörte nicht
das Kritzeln der Feder in Lorenz's Arbeitszimmer, er rief nicht
mit seiner melodischen sanften Stimme: Emerenzia, komme
jetzt, wir wollen plaudern! — ach, wie einsam fühlte sich das
junge Weibchen! „Warum bestand ich nicht doch darauf,"
seufzte sie, „daß er mich mitnähme! Ich hätte freilich dort
einsam im Zimmer des Hotels sitzen müssen, bis er Abends
ans den Bibliotheken zurtickgekommcn wäre, aber eben, . . . am
. . . Abend wäre er doch da gewesen!" . . .

Vierzehn Tage blieb Emerenzia zu Hause; ihre Stimmung
nahm an Gedrücktheit zu, so daß sie endlich in einer dämonische»
Stunde beschloß, eine ihrer ehemaligen Freundinnen zu besuchen,
um sich die dummen Gedanken ans dem Kopfe zu schlagen.

Die Blumenmacherin Sylphide Blüthe war in ihrer
Kunst eine Specialitüt; sie hatte darum ei» glänzendes Geschäft,
das sie und ihre Mutter reichlich ernährte. Fräulein Sylphide
war fleißig und liebte ihre Mutter über Alles. Diese beiden
trefflichen Eigenschaften aber wurden durch die Leichtlebigkeit der
j herzensguten Blnmenmachcrin dermaßen in den Schatten gestellt,

! daß ihr Ruf in der Welt der strengen Richter nicht der beste war.

Das war die Freundin, welche Emerenzia zu besuchen sich
vorgenommen hatte. „Sylphide ist immer heiter, immer zu
lustigen Schwänken aufgelegt, ach, das brauche ich jetzt so sehr

— und sic ist besser als ihr Ruf! Der Kukuk hole die heuchler-
ischen Moralisten!" Mit diesen Gedanken stieg Emcrcnzia — frei-
lich nicht ohne einiges Herzklopfen — zu ihrer Freundin die Treppe
hinauf. Schon hier schallte ihr lustiges Gelächter von oben herab
entgegen. Wie ihr dieses frohe Lachen wohl that! Ach, wo sind
die Zeiten, da sie eben so tollglücklich einstimmte!" In der Nähe
von Sylphidens Wohnung angelangt, unterschied sic mehrere
Stimmen der Lachenden, aber Sylphidens Helles, stoßweises
Gekicher, das so ansteckend war. Perlte überall durch.

>rliche Kur.

Emerenzien drang dieses liebe, wohlbekannte Lachen so
schmeichelnd an's Herz, daß sie, obgleich sic sich vorgenommcn
hatte, ihrer jetzigen Stellung gemäß würdevoll, aufzutreten, hastig
und ungeduldig die Thüre ausriß und mit alter Schalkhaftigkeit cin-
eintrat. Hier sah sic Sylphiden mit noch vier jüngeren Freundinnen,
strahlend vor Heiterkeit, beim Kaffcetische sitzen. Das Lachen ver-
stummte für einen Augenblick beim Erscheinen Emercnzicns, um
einem Ausrufe des Erstaunens Platz zu machen. Emcrcnzia
fühlte sich verlege», und blieb fast beschämt stehen. Sic hatte
aber keine Secunde Zeit, um über die Situation einen Gedanken
zu fassen, denn schon fühlte sie sich von Sylphidens schönen,
coquett entblößten Armen umschlungen und aus Wangen und
Mund geküßt. Die übrigen Mädchen folgten diesem Beispiele.

„Emerenzchen!"

„Emcrlcin!"

„Wie schön bist Du geworden!"

„Ach wir haben tausendmal von Dir gesprochen!"

„Ich wußte ja, daß Du endlich doch kommen wirst!"

So zwitscherten die fünf Mädchen um Emerenzia herum,
welche von den vielen Küssen rothe Flecken in dem blassen
Gcsichtchcn bekommen hatte.

„Du hast ja ein riesiges Glück gemacht!" sagte eine der
Jüngeren aus der Gesellschaft. „Dein Mann soll enorm reich,
und dazu ein „guter Kerl" sein!"

„Ja," erwiderte Emerenzia, „wir leben in sehr guten
Verhältnissen und mein Lorenz ist die gute Stunde selber.. . ."

„Dann wollen wir ihn hoch leben lassen!" ries Sylphide,
und füllte die Kaffceschalen auf's Neue. „Trinkt auf einen
Zug aus, Kinder, der Kaffee wird Euch nicht in den Kopf
steigen, dafür sorgt meine gute Mama, die sich leider das
Kaffcemachen nicht nehmen läßt. Emerenzia und ihr Mann
sollen leben!"

„Hoch, drei Mal hoch!" sangen die guten Mädchen, und
zwar so klangvoll und lustig, daß die tollsten Studenten sie
um den Schwung dieser Scene beneidet hätten.

„Aber cs ist doch fade, auf das Wohl unserer Emerenzia
diesen braunen Absud zu trinken!" rief eine der jungen Dame»
aus, und schob komisch zürnend die Tasse von sich, daß sic klirrte.

„Es ist wahr! Feiern wir den unerwarteten Besuch in
würdigerer Weise!"

„Ja, Champagner her, perlenden Champagner!"

„Famose Idee das!"

„Aber wer bezahlt ihn? Unsere Portemonnaies sind mager
wie . . . ."

„Den Champagner bezahle natürlich ich," sagte Emcrcnzia
und legte eine Note auf den Tisch. .

Flugs war diese weg, und eines der Mädchen jubelnd
damit zur Thüre hinaus. Die Andern klatschten in die Hände
und erdrückten Emerenzia schier mit ihren Umarmungen.

„Noch lebt in Dir das alte Blut!" rief pathetisch Sylphide,
und setzte Emerenzien einen künstlichen Lorbeerkranz ans's Haupt,
worauf sie von den klebrigen mit kleinen, farbigen Bouquets be-
worfen ward.

„Unsere Blumenkönigin! Vivat unsere Blumenkönigin!"
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