Kleine Dorfgeschichten
IV. Die Obsignation.
34
JUtt’m Ammerbauern, von dem ich neulich erzählt bab',
hat sich bei seinem Ableb'n 'ne Affär' zutrag'n, man könnt'
fich's närr'scher nit träumen lassen. Der gute Mann — unser
Herrgott tröst' ihn! — ist noch kaum rechtschaffen tobt g'wesen,
so ruckt ihm schon die Commisston in's Haus. Denn wenn
Einer d'Augen zumacht, bei dem's was wissen, da laufen fie
fich schier die Füss weg, damit ja Keiner zu spat kommt. A
Zeder will sein'« Theil hab'n, 's G'richt, die Geistlichkeit,
d'Erten. Den Armm — das Gute hat er — macht kein
Mensch irr' in seiner Ruh', und höchstens etwa schleicht a
Mäusl herbei und schaut fich nach der Verlassenschaft um, —
nach m letzten Brösel Kleienbrod.
Zu selbiger Zeit ist g'rad a nagelneuer Affesser zum Land-
g'richt kommen, so a proteschirt's Münchner Kindl, wie's ihnen
manchmal gleich von der Schul' her in d'Uniform verhelfen,
dieweil viel G'scheidtere praktizir'n müssen, bis ihnen der Bart
neunmal um den Tisch wachst. Der will heut' sein Probstuck
ableg'n und die Sach' recht gut machen. Also fangt er's
Obfignir'n an, und es ist keine Stub'n und kein Winkel im
ganzen Haus, kein AuSgang und kein Eingang, kein Schub-
ladl und kein Ofenthürl, wo er nit das Siegel anhest't. Die
Schwalb nnester hätt' er auch noch verpetschirt, wenn's ihm
nit z'hoch gwesen wär'n. Der Schreiber, a alter PraktikuS,
hat wohl g'seh'n, daß der Affesser in seinem Eifer den Fleck
neben's Loch setzt; aber er sagt kein Wörll dazu; denn das
Schreibervölkl ist a boshaft's Völkl, das den Beamten, wenn's
sein kann, gern anrennen läßt, damit'S hintennach was z'lachen
gibt. Die Wittib, die Kinder, die Freund', — du lieber Gott!
waS versteh'» wir Bauersleut' viel von Amtsg'schäften? Wir
glaub'n halt, was unsere Herr'n Beamten thun, das müßt'
akkurat so g'scheh'n und dürft' gar nit anders sein. Und wenn
unser Einer ja einmal merkt, daß die Sach' verkehrt anpackt
ist, und man sagt was dageg'n, so wird man ang'schnauzt,
daß man gern wieder still ist. Mit der Morgenröthen, mit'm
Licht und mit'm Fortschritt, wie wir's itzt ohne End' in den
Zeitungen lesen, wird's noch lang dauern, bis man davon
aufm Land Heraußen was zu spür'n krieg'n thut.
. Sv hab'n auch die guten Leuteln im Ammerhof ihre Ge-
danken g'habt, daß'S mit dem Affesser seinem Manipulir'n nit
richtig sein möcht', aber Niemand ttaut fich was dageg'n ein-
z'wenden. Sie lassen'S z'letzt noch geduldig g'scheh'n, daß der
Affesser auch die Thür' zu der Kammer versiegelt, wo der
Ammerbauer aufm Brett liegt. Erst wie die Commission schon
lang fort g'wesen ist, ist ihnen eing'fall'n, daß morgen die
Leich' sein sollt' und daß fie dazu toi». Hauptperson hab'n
müßten, nämlich den Todten. Was ist itzt z'machen? Das
Siegel dürfen's bei schwerer Sttaf nit abreißen. Also müssen
mitten in der Nacht a Paar von der Freundschaft vier Stunden
weit zum G'richt laufen, um den Ammerbauern aus seiner
Preson loszubitten. Der Landrichter, sagen's, ist kreuzfuchtig
word'n und hat den Affesser bös vorg'nommen. Die Spott-
vögel aber zieh'n den heut noch auf mit der G'schicht', und
wenn ihn Einer recht wild machen will, darf er nur vom
Leichenverfiegeln anfangen. —
(Fortsetzung folgt.)
IV. Die Obsignation.
34
JUtt’m Ammerbauern, von dem ich neulich erzählt bab',
hat sich bei seinem Ableb'n 'ne Affär' zutrag'n, man könnt'
fich's närr'scher nit träumen lassen. Der gute Mann — unser
Herrgott tröst' ihn! — ist noch kaum rechtschaffen tobt g'wesen,
so ruckt ihm schon die Commisston in's Haus. Denn wenn
Einer d'Augen zumacht, bei dem's was wissen, da laufen fie
fich schier die Füss weg, damit ja Keiner zu spat kommt. A
Zeder will sein'« Theil hab'n, 's G'richt, die Geistlichkeit,
d'Erten. Den Armm — das Gute hat er — macht kein
Mensch irr' in seiner Ruh', und höchstens etwa schleicht a
Mäusl herbei und schaut fich nach der Verlassenschaft um, —
nach m letzten Brösel Kleienbrod.
Zu selbiger Zeit ist g'rad a nagelneuer Affesser zum Land-
g'richt kommen, so a proteschirt's Münchner Kindl, wie's ihnen
manchmal gleich von der Schul' her in d'Uniform verhelfen,
dieweil viel G'scheidtere praktizir'n müssen, bis ihnen der Bart
neunmal um den Tisch wachst. Der will heut' sein Probstuck
ableg'n und die Sach' recht gut machen. Also fangt er's
Obfignir'n an, und es ist keine Stub'n und kein Winkel im
ganzen Haus, kein AuSgang und kein Eingang, kein Schub-
ladl und kein Ofenthürl, wo er nit das Siegel anhest't. Die
Schwalb nnester hätt' er auch noch verpetschirt, wenn's ihm
nit z'hoch gwesen wär'n. Der Schreiber, a alter PraktikuS,
hat wohl g'seh'n, daß der Affesser in seinem Eifer den Fleck
neben's Loch setzt; aber er sagt kein Wörll dazu; denn das
Schreibervölkl ist a boshaft's Völkl, das den Beamten, wenn's
sein kann, gern anrennen läßt, damit'S hintennach was z'lachen
gibt. Die Wittib, die Kinder, die Freund', — du lieber Gott!
waS versteh'» wir Bauersleut' viel von Amtsg'schäften? Wir
glaub'n halt, was unsere Herr'n Beamten thun, das müßt'
akkurat so g'scheh'n und dürft' gar nit anders sein. Und wenn
unser Einer ja einmal merkt, daß die Sach' verkehrt anpackt
ist, und man sagt was dageg'n, so wird man ang'schnauzt,
daß man gern wieder still ist. Mit der Morgenröthen, mit'm
Licht und mit'm Fortschritt, wie wir's itzt ohne End' in den
Zeitungen lesen, wird's noch lang dauern, bis man davon
aufm Land Heraußen was zu spür'n krieg'n thut.
. Sv hab'n auch die guten Leuteln im Ammerhof ihre Ge-
danken g'habt, daß'S mit dem Affesser seinem Manipulir'n nit
richtig sein möcht', aber Niemand ttaut fich was dageg'n ein-
z'wenden. Sie lassen'S z'letzt noch geduldig g'scheh'n, daß der
Affesser auch die Thür' zu der Kammer versiegelt, wo der
Ammerbauer aufm Brett liegt. Erst wie die Commission schon
lang fort g'wesen ist, ist ihnen eing'fall'n, daß morgen die
Leich' sein sollt' und daß fie dazu toi». Hauptperson hab'n
müßten, nämlich den Todten. Was ist itzt z'machen? Das
Siegel dürfen's bei schwerer Sttaf nit abreißen. Also müssen
mitten in der Nacht a Paar von der Freundschaft vier Stunden
weit zum G'richt laufen, um den Ammerbauern aus seiner
Preson loszubitten. Der Landrichter, sagen's, ist kreuzfuchtig
word'n und hat den Affesser bös vorg'nommen. Die Spott-
vögel aber zieh'n den heut noch auf mit der G'schicht', und
wenn ihn Einer recht wild machen will, darf er nur vom
Leichenverfiegeln anfangen. —
(Fortsetzung folgt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Kleine Dorfgeschichten. IV. Die Obsignation"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Obsignation <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 7.1848, Nr. 149, S. 34
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg