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geführt, dringend verdächtig sei. Schließlich wurde noch hin-
zugefügt, daß er in Folge der Aufhebung der Untersuchung
wegen Mangel an Beweis, entweder eine Caution von 400 fl.
zu dem Zwecke zu stellen habe, daß er jedesmal auf ergangene
Forderung sich vor Gericht stellen, und ohne Wissen seines
Gerichts den Bezirk nicht verlassen wolle, oder unter die
spezielle Polizeiaufficht seines Wohnorts nach Strafgesetzbuch
Th. n. Art. 390 gestellt werde.
Unentschlossen, ob er sich das Leben nehmen, oder noch
länger in solcher Schmach fortleben »volle, kam Georg zu
Hause an. Mit dumpfem Schweigen hörten seine Berwandten
den Beschluß. Ter Schmerz, wenn er einmal auf einem
gewisien Punkte angekommen ist, verwandelt sich in Gefühl-
losigkeit und Abstumpfung für alles Folgende.
„Es handelt sich also um Geld!" seufzte Anton, „aber
i woher nehmen wir es? Wir sind ohnedies tief verschuldet!"
Der Vater sprach kein Wort, aber seine Kniee bebten,
; seine Lippen bewegten sich krampfhaft.
„So muß ich mich unter Polizeiaufsicht stellen!" sprach
! eintönig Georg; „cs ist hart, es ist eine Schande! aber was
! brauche ich noch nach der Schande zu fragen?"
„Um Gotteswillen, ermanne dich, Bruder!" rief 'Anna
j ihn umarmend; „sieh, noch lieben wir dich, noch hast du
deine Marie, wir Alle wollen ja von Herzen gern mit dir
leiden, mit dir tragen!"
„Jn Gottes Namen denn!" rief Georg und suchte Marien auf.
vm.
In demselben Monate, als Georg auf zwei Jahre unter
! polizeiliche Aufsicht gestellt und seine Familie deshalb in die
tieffte Bekümmerniß versetzt wurde, genas Anna eines lieb-
lichen Knaben, dessen Erscheinen dem alten Maierbauer auf
kurze Zeit einen Schimmer von Freude auf das tiefgefurchte
Antlitz hauchte.
Georg war in arge Schwermuth versunken, welche nur
Maria's freundlicher Blick und hingebende Liebe verscheuchen
konnte. Allein auch diese Erholung sollte dem Unglücklichen
' nicht ungeschmälert bleiben. Seit längerer Zeit wohnte Maria
für sich allein; als Braut mit dem geliebten Bräutigame in
einem Hause zu leben, dünkte dem kindlich-einfachen Mädchen
zu gefährlich! Sie glaubte sich sicherer, wenn sie Georg nur
am Abend, einige Stunden nach dem Feierabend sehen konnte.
Nun hatte aber die Gensdarmerie den Auftrag, Georg
streng zu überwachen, traf ihn aber doch mehrmals erst nach
neun Uhr zu Hause an, während die unter Aufsicht Gestellten
schon nach acht Uhr nicht mehr auf der Straße sein sollen.
Er wurde deshalb beim Amte angezeigt und die Gensdarmerie
beauftragt, ihn im Wiederbetretungssalle zu verhaften.
Nicht lange darauf ward Maria Mutter. Ms das Land-
gericht Kenntniß davon erhalten hatte, wurde sie vorgeladen.
Sie erklärte, daß sie und Worg in der sichern Hoffnung der
Genehmigung ihres Heivathsgeiuches, den Fehltritt begangen
hätten, aber auch gegenwärttg abermals gesonnen seien, ein
ähnliches Gesuch einzureichen.
Ties geschah auch — aber leider auch dieses Mal wur-
den sie sowohl auf den früheren Grund hin abgewiesen, als
auch deßhalb, weil Maria durch ihren Lebenswandel sich als
eine höchst leichtsinnige Person charakterisire.
Auf diese Weise war ihnen der Weg zu den vom Gesetz
vorgeschriebenen Formen, zur Ehe, verschlossen. Allein die
innige Liebe, deren Unterpfand Maria's Kind war, ließ sich
durch die Borenthaltung jener weltlichen Rechte nicht ver-
nichten. Georg und Maria, eng verkettet durch lange und
! schwere Prüfungen, konnten sich nicht mehr trennen; die Treue,
welche sie sich gelobt, hielten sie um so fester, je mehr ihre
Verbindung von außen bedroht war!
Georg, welcher jeden freien Augenblick bei Maria zubrachte,
war schon mehrmals wegen Uebertretung der achten Stunde
gesttaft worden, und ein zweites, kummervolles Jahr war kaum
abgelaufcn, als Maria zum zweiten Male Mutter wurde!
Zuni zweiten Male wurde sie auf's Amt citirt und wegen
ihres sittenlosen Lebenswandels zur Verantwortung aufgefordert.
„Zweimal," erwiderte Maria ruhig, „zweimal haben
wir den Versuch gemacht, dem Gesetze zu genügen — zwei-
mal wies man uns zurück."
„Und jetzt glaubt ihr Lumpenpack auf diese Weise die Ge- j
richte zur Genehmigung zu zwingen?" herrschte der Commissär.
„Zwingen? die Gerichte zwingen?" erwiderte Maria mit
schneidendem Hohne — „o nein! das haben wir längst einge-
sehen, daß wir das nicht können! — Aber ich bitte, laßt uns
in Ruhe, wir fallen ja Niemand zur Last und können die
Kinder und uns ernähren! Was die kirchlichen Formen be-
langt, so haben wir das mit unsrem Gewissen auszumachen
und auf alle etwaigen Gesetzesvortheile längst verzichtet!"
„Warte!" schrie der Commissär, „dein loses Maul soll
dir theuer zu stehen kommen — jetzt sollst du einmal die
: Nachtheile der Gesetze fühlen, »veil du von ihren Vortheilen
nichts wissen willst!" Mit diesen Worten entließ er das un-
glückliche Mädchen, die, nicht ahnend, welcher Beschluß ihr
und Georg drohte, zu ihren Kindern nach Hause ging.
An einem kalten Januartage des Jahres 1847 befand sich
Georg, der arbeitslos war, bei Marien. Er saß neben ihr
und freute sich seiner beiden Kinder, dem Einzigen, was ihm
außer Marien noch Freude machen konnte. Sie sprachen
von der Zukunft, und Georg war mit Marien übereinge-
kommen, nach Ablauf seiner Aufsichtszeit auszuwandern.
Tie ttauliche Unterhaltung der Beiden wurde durch den
Einttitt eines Gensdarmen gestört, der Georg sogleich mitgehen
hieß. — Georg befand sich ungefähr zehn Tage im Arrest,
während welcher Zeit der Commissär alle gegen ihn vorliegende
Beschlüsse und Anzeigen sammelte und auch Maria verhaften ließ.
An einem Sonnabend, Anfangs Februar, wurde Georg
zum Commissär gebracht.
„Wir haben Anstalten," begann dieser, „wo man Leute,
die, wie du, nicht anders zu bessern sind, auf einige Zeit unter-
bringt und zu bessern sucht. In eine solche Anstalt gehst du
! am Montag mit deiner säubern Geliebten ab. — Die über
- dich angefertigte Charakteristik enthält zehn polizeiliche Abwand-
Wic es einem ehrlichen Manne gehen kann!
I
geführt, dringend verdächtig sei. Schließlich wurde noch hin-
zugefügt, daß er in Folge der Aufhebung der Untersuchung
wegen Mangel an Beweis, entweder eine Caution von 400 fl.
zu dem Zwecke zu stellen habe, daß er jedesmal auf ergangene
Forderung sich vor Gericht stellen, und ohne Wissen seines
Gerichts den Bezirk nicht verlassen wolle, oder unter die
spezielle Polizeiaufficht seines Wohnorts nach Strafgesetzbuch
Th. n. Art. 390 gestellt werde.
Unentschlossen, ob er sich das Leben nehmen, oder noch
länger in solcher Schmach fortleben »volle, kam Georg zu
Hause an. Mit dumpfem Schweigen hörten seine Berwandten
den Beschluß. Ter Schmerz, wenn er einmal auf einem
gewisien Punkte angekommen ist, verwandelt sich in Gefühl-
losigkeit und Abstumpfung für alles Folgende.
„Es handelt sich also um Geld!" seufzte Anton, „aber
i woher nehmen wir es? Wir sind ohnedies tief verschuldet!"
Der Vater sprach kein Wort, aber seine Kniee bebten,
; seine Lippen bewegten sich krampfhaft.
„So muß ich mich unter Polizeiaufsicht stellen!" sprach
! eintönig Georg; „cs ist hart, es ist eine Schande! aber was
! brauche ich noch nach der Schande zu fragen?"
„Um Gotteswillen, ermanne dich, Bruder!" rief 'Anna
j ihn umarmend; „sieh, noch lieben wir dich, noch hast du
deine Marie, wir Alle wollen ja von Herzen gern mit dir
leiden, mit dir tragen!"
„Jn Gottes Namen denn!" rief Georg und suchte Marien auf.
vm.
In demselben Monate, als Georg auf zwei Jahre unter
! polizeiliche Aufsicht gestellt und seine Familie deshalb in die
tieffte Bekümmerniß versetzt wurde, genas Anna eines lieb-
lichen Knaben, dessen Erscheinen dem alten Maierbauer auf
kurze Zeit einen Schimmer von Freude auf das tiefgefurchte
Antlitz hauchte.
Georg war in arge Schwermuth versunken, welche nur
Maria's freundlicher Blick und hingebende Liebe verscheuchen
konnte. Allein auch diese Erholung sollte dem Unglücklichen
' nicht ungeschmälert bleiben. Seit längerer Zeit wohnte Maria
für sich allein; als Braut mit dem geliebten Bräutigame in
einem Hause zu leben, dünkte dem kindlich-einfachen Mädchen
zu gefährlich! Sie glaubte sich sicherer, wenn sie Georg nur
am Abend, einige Stunden nach dem Feierabend sehen konnte.
Nun hatte aber die Gensdarmerie den Auftrag, Georg
streng zu überwachen, traf ihn aber doch mehrmals erst nach
neun Uhr zu Hause an, während die unter Aufsicht Gestellten
schon nach acht Uhr nicht mehr auf der Straße sein sollen.
Er wurde deshalb beim Amte angezeigt und die Gensdarmerie
beauftragt, ihn im Wiederbetretungssalle zu verhaften.
Nicht lange darauf ward Maria Mutter. Ms das Land-
gericht Kenntniß davon erhalten hatte, wurde sie vorgeladen.
Sie erklärte, daß sie und Worg in der sichern Hoffnung der
Genehmigung ihres Heivathsgeiuches, den Fehltritt begangen
hätten, aber auch gegenwärttg abermals gesonnen seien, ein
ähnliches Gesuch einzureichen.
Ties geschah auch — aber leider auch dieses Mal wur-
den sie sowohl auf den früheren Grund hin abgewiesen, als
auch deßhalb, weil Maria durch ihren Lebenswandel sich als
eine höchst leichtsinnige Person charakterisire.
Auf diese Weise war ihnen der Weg zu den vom Gesetz
vorgeschriebenen Formen, zur Ehe, verschlossen. Allein die
innige Liebe, deren Unterpfand Maria's Kind war, ließ sich
durch die Borenthaltung jener weltlichen Rechte nicht ver-
nichten. Georg und Maria, eng verkettet durch lange und
! schwere Prüfungen, konnten sich nicht mehr trennen; die Treue,
welche sie sich gelobt, hielten sie um so fester, je mehr ihre
Verbindung von außen bedroht war!
Georg, welcher jeden freien Augenblick bei Maria zubrachte,
war schon mehrmals wegen Uebertretung der achten Stunde
gesttaft worden, und ein zweites, kummervolles Jahr war kaum
abgelaufcn, als Maria zum zweiten Male Mutter wurde!
Zuni zweiten Male wurde sie auf's Amt citirt und wegen
ihres sittenlosen Lebenswandels zur Verantwortung aufgefordert.
„Zweimal," erwiderte Maria ruhig, „zweimal haben
wir den Versuch gemacht, dem Gesetze zu genügen — zwei-
mal wies man uns zurück."
„Und jetzt glaubt ihr Lumpenpack auf diese Weise die Ge- j
richte zur Genehmigung zu zwingen?" herrschte der Commissär.
„Zwingen? die Gerichte zwingen?" erwiderte Maria mit
schneidendem Hohne — „o nein! das haben wir längst einge-
sehen, daß wir das nicht können! — Aber ich bitte, laßt uns
in Ruhe, wir fallen ja Niemand zur Last und können die
Kinder und uns ernähren! Was die kirchlichen Formen be-
langt, so haben wir das mit unsrem Gewissen auszumachen
und auf alle etwaigen Gesetzesvortheile längst verzichtet!"
„Warte!" schrie der Commissär, „dein loses Maul soll
dir theuer zu stehen kommen — jetzt sollst du einmal die
: Nachtheile der Gesetze fühlen, »veil du von ihren Vortheilen
nichts wissen willst!" Mit diesen Worten entließ er das un-
glückliche Mädchen, die, nicht ahnend, welcher Beschluß ihr
und Georg drohte, zu ihren Kindern nach Hause ging.
An einem kalten Januartage des Jahres 1847 befand sich
Georg, der arbeitslos war, bei Marien. Er saß neben ihr
und freute sich seiner beiden Kinder, dem Einzigen, was ihm
außer Marien noch Freude machen konnte. Sie sprachen
von der Zukunft, und Georg war mit Marien übereinge-
kommen, nach Ablauf seiner Aufsichtszeit auszuwandern.
Tie ttauliche Unterhaltung der Beiden wurde durch den
Einttitt eines Gensdarmen gestört, der Georg sogleich mitgehen
hieß. — Georg befand sich ungefähr zehn Tage im Arrest,
während welcher Zeit der Commissär alle gegen ihn vorliegende
Beschlüsse und Anzeigen sammelte und auch Maria verhaften ließ.
An einem Sonnabend, Anfangs Februar, wurde Georg
zum Commissär gebracht.
„Wir haben Anstalten," begann dieser, „wo man Leute,
die, wie du, nicht anders zu bessern sind, auf einige Zeit unter-
bringt und zu bessern sucht. In eine solche Anstalt gehst du
! am Montag mit deiner säubern Geliebten ab. — Die über
- dich angefertigte Charakteristik enthält zehn polizeiliche Abwand-
Wic es einem ehrlichen Manne gehen kann!
I