Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
154 .Hwei Arbeiter-Briefe.

Arbeiter ist jeder, der von der Arbeit leben muß, und
danach strebt, seine Lage zu verbeflern, d. h. nicht mehr zu
1 arbeiten.

Streng genommen, würde der Ehrenstand der Arbeiter
aufhören, wenn wir dies Ziel erreichten, aber wir werden
auch dann noch fortfahren, uns Arbeiter zu nennen; denn
dieser Name steht auch einem Könige wohl an. —

Ter erste Grundsatz, den wir bei dem Eintritte in unfern
Verein annehmen, ist der: Es muß anders werden! Wie?
das lassen wir vorläufig nicht merken; unsre Gegner und
Feinde, die Meister, haben von unsren Tendenzen so etwas
gerochen, und verlüumden uns dadurch, daß sie schreien: das
„Es muß anders werden" der Arbeiter heißt nichts anders,
als die Arbeit muß aufhören; aber weit gefehlt — so dumm
sind wir nicht, daß wir glauben, die Welt könne ohne Arbeit
bestehen, nein Jakob! die Arbeit soll bleiben, aber sie soll
von Anderen, als von uns gethan werden!

Wie die Communisten den Reichthum der Reichen nicht
theilen, sondern nur die Besitzer zwingen wollen, ihn anders,
als wie bisher anzuwenden, so wollen auch wir nicht die
Arbeit ganz aufheben, sondern nur anders vertheilt wissen;
daß wir nun bei dieser Theilung gut wegkommen, versteht sich
von selbst. Ohne daß wir Arbeiter ungerecht sind, wird es
dahin kommen, daß wir und unsere Kindeskinder gar nichts
mehr zu arbeiten brauchen, Nämlich so: tvie der Reichthum
vom Vater auf die Kinder sich sortgeerbt hat, so muß auch
angenommen werden, daß dem Arbeiter die Arbeit seiner
Ahnen zu gute kommt; so würde ich z. B., da meine ganze
Ahnenschaft dem Arbeiterstande angehört, wenigstens 120 Jahre
Arbeit in die Theilung einwerfen; dem Reichen nun, der von
seinen Altvordern her seinen Reichthum hat, wird in gleichem
Verhältnisse der Müßiggang seiner Eltern und Großeltern

zur Last geschrieben, und so geht es fort bis von allen Men-
schen das Capital der Arbeit und die Schuld des Müßig-
gangs ermittelt ist. — Das Resultat dieser einfachen Rechnung
ist folgendes: daß ich z. B. mit meiner Familie und meinen
Nachkommen 120 Jahre lang nicht zu arbeiten brauche,
während ein geborener Reicher mit seiner Familie 120 Jahre
lang arbeiten muß. — Nach einem gewissen Zeittaum würden
wir aber dann Alle und zwar gleichviel zu arbeiten anfangen
müssen, und dann ist der Arbeiterstand kein ausschließlicher
mehr, sondern umfaßt alle Classen der Menschheit.

Siehst du Jakob! das ist unsre Zukunft, das ist die Er-
rungenschaft unsrer denkenden Arbeiter. Diese letzten würden
nun nach unsrem Principe eigentlich schlecht wegkommen, da
ein jeder von ihnen eine gewisse Zeit lang gar nicht denken
dürfte; — sie haben aber einen Ausweg gefunden und sagen,
da wir, wenn uns das Denken versagt würde, keine Menschen
mehr sein würden und die Welt dadurch um viele Gedanken
kominen würde, so wird der denkende Arbeiter für alle Ewig-
keit von der Handarbeit befreit, und seine Aufgabe ist es,
den Begriff der Arbeit zu schätzen, d. h. unser eben aufge-
fundenes Rechnungs-Resultat immer wieder festzustellen. — Es
ist freilich ungerecht, daß die Denker immer denken d. h. arbeiten
müssen — aber dafür ist das Denken auch die leichteste Arbeit.

Unser Princip ist das allein wahre, das sagen Alle, die ich
noch gehört habe; daß die Meister sich nicht damit einverstan-
den erklären, liegt lediglich an ihren Vorurtheilen, welche sie
mit dem Reichthum überkommen haben. Von unsrem Vereine
könnte ich dir ein schönes Bild entwerfen, wenn ich jetzt Zeit
hätte; ich verschiebe es aber auf einen neueren Brief, und will
dir nur so viel versichern, daß es nie einen Verein in der
Welt gegeben hat, der, wie der unsere, eine so hohe schöne
Aufgabe zu erfüllen hatte. — Denke die Vertheilung der Arbeit!
Welcher Zauber liegt in diesen Worten, wenn sie so, wie von
uns verstanden werden? Jakob! die Seele geht mir auf in
ewigen Wonnen und einem 120jährigen Müßiggang!

Du wirst nun nichts eiligeres zu thun haben, lieber
Jakob! als einen Ahnenbrief — oder eine Stammtafel zu
entwerfen, die ich dem Central-Comitö für Organisation und
Regulirung der Arbeit einreichen werde.

Natürlich wirst du es verschweigen, daß dein Vater, der
ehrenwerthe Schneidermeister, Gott Hab ihn selig! die größte
Zeit seines Lebens sein Handiverk gar nicht betrieben, sondern
sich mit Karten-Kunststückchen in unsrem Dorf-Wirthshause
und dem Schmarotzen mit den Bauern ernährt hat — hiedurch
würden dir wenigstens 40 Jahre Arbeit entgeh'n — ebenso
werde auch ich das Gedächtniß meines edlen Vaters nicht schän-
den, der sein Handwerk, die edle Schmiedekunst, schnöde ver-
lassen, sich dem Trünke hingab und als Quacksalber und Pfuscher
in der Thierarzneikunde ein jämmerliches aber dennoch mit
den Wonnen des Müßigganges gewürztes Leben führte; mir
würde dadurch ebenfalls ein Capital von 30 Jahren Arbeit ent-
gehen und ich würde dadurch zum Diebe an meiner dritten
Generatton in absteigender Linie werden. Ten Stammbaum
darfst du aber nicht weiter als zum Ur-Ur-Vater führen, denn

1
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Zwei Arbeiter-Briefe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 7.1848, Nr. 164, S. 154
 
Annotationen