L«2 Der Wildschütz.
bürsche er aus ein Wild. Seine Brüder, gleichfalls mit Stöcken
statt mit Minien bewaffnet, folgten ihm in einiger Entfernung.
Endlich kamen sie ganz nahe an ihn heran, und die impro-
visirten Gewehre in Anschlag bringend, riefen sie: „Halt Lump!"
Ihre Augen leuchteten dabei voll Eifer und Zorn. Auch ihr
Bruder spielte seine Rolle gut, schlüpfte durch'die Hecke und
sprang davon. Als gälte es einen gar hohen Preis, so eilig
verfolgten ihn die Beiden, und endlich stürzte der Erste auf
das „Komm! Komm!" das ihm die Andern nachriefen, und wel-
ches das Abfeuern der Gewehre bedeuten sollte, erbärmlich
schreiend zusammen. Er klagte und jammerte, als sei er todt-
wund und streckte die gefalteten Hände den Brüdern entgegen,
als diese lachend und jauchzend herbei eilten. „Bringet mich
nicht um; ich Hab Weib und Kinder z'Haus!" klagte recht natür-
lich der kleine Schelm.
„Rix da. Tropf! Dir Hab' ich's schon lang' g'schworen, und
jetzt bist' halt doch a Mal eingangcn," rief da der Aeltere, den
Knieenden derb niederstoßend. Kurz, es half nichts, der Wild-
-schütze wurde erschlagen, und als sich dieser steif und todt stellte,
trugen ihn die Beiden nach der Hecke hin. und versteckten ihn
hier lachend unter dem Laub und den Zweigen.
Der Pfarrer, der in einem benachbarten Dorfe wohnte,
hatte an dem Jägerhaus vorüber schreitend dieses Spiel mit-
angcsehen. Er schüttelte den Kopf und betrübte sich, solche
blutdürstige und unversöhnliche Gedanken bei den Jägerkindern
in einem noch so zarten Alter zu entdecken.
„Was habt ihr denn da gemacht?" fragte er die Knaben,
als diese sich hinter der Hecke hinab schleichen wollten, um den
Pfarrer nicht grüßen zu dürfen.
„Wir haben g'spielt," antwortete der Aelteste.
„Jäger und Wildschütz, nicht wahr?"
„Ja, Herr Pfarrer!"
„Und den Wildschützen?" fragte der Geistliche wieder, „den
habt ihr niedergeschosien und trotz seiner Bitten vollends er-
schlagen ?"
„Ja Herr Pfarrer!" lachten die Knaben.
„Würdet ihr das auch wohl thun, wenn ihr einmal Jäger
seid?"
„Ei freilich!" rief der Aelteste, „denn wenns kein' Luchs,
keine Raubvögel, keine Füchs und keine Wildschützen gab’, dann
wär's erst schön a Jager z'sein, so aber muß man b'sonders
: wegen den Lumpcnschützen Tag und Nacht in den Bergen liegen."
„Wenn man aber Jeden tödten wollte," sprach gar ernst
der Pfarrer, „der einen Fehler begeht, so dürfte man ja im-
mer die Hand in Blut tauchen. Würdest du denn einen Men-
schen. der dir den Apfelbaum ableert, oder der dir eine Klaf-
ter Holz im Forste entwendet, auch tödten?"
„Nein, ich würde ihn tüchtig beuteln und zum Ortsvor-
steher führen."
„Das letzte wäre , recht, das erste aber müßtest du Unter-
lasten , denn das Gericht würde ihn schon nach dem Befunde
strafen."
„'s Gebetläuten ist vorbei, macht's, daß ihr in's Haus kommt's,
ihr Fratzen!" rief jetzt der Bruder der drei Knaben, ein Mensch
von etwa sechzehn Jahren. Er kehrte eben an der Hecke ab-
wärts vom Walde heim, und hatte so zufällig das vernommen,
was der Pfarrer in guter Absicht zu seinen Brüdern sagte.
Die Buben, froh, aus der Klemme zu gerathen, liefen davon,
und der aufgeschossene magere Bursche nahm nun eine recht
lümmelhafte, brutale Haltung an, blies sich aus einem kleinen
Pfeifchen, das er beständig im Munde hatte, den Rauch um
das mit Sommersprossen bedeckte dummboshafte Gesicht, und
fragte: „Meint's nit gar, Herr Pfarr', man sollt' d'Wildschützen
laufen lasten?"
„Ich meine, der Wildschütz ist ein Mensch," entgegnete dieser
sanft, „der als solcher auf Barmherzigkeit und Mitleid Anspruch
hat. und ich denke, es wäre genug, wenn man ihn für seinen
Frevel dem Gerichte übergäbe."
„Haben, Herr Pfarrer, muß man ihn z'erst! wenn man
ihn aber nicht kriegen kann, so heißt halt: Hulla, faß' Kügerl!"
„Und die Kugel, voreilig abgedrückt, tödtet oft einen auf
Abwege gerathenen jungen Menschen, dem sonst Niemand etwas
Uebles nachsagt, oder gar einen Familienvater, dem Weib und
Kinder in das frühe Grab nachweinen."
„Wer heißt ihn aussi geh'n, den Lumpen? Wildschütz ist
Wildschütz, der dem Jager grad so gut eine aufi druckt, wenn
er ihm's thun kann. — Nix da Bruder im G'spiel! — Gut
Nacht, Herr Pfarr. — Komm Harawaxel!" So rufend zog der
Bursch die Leine an, die an dem Halsband eines stämmigen
Dachshundes befestigt war, wendete sich um, und schritt mit
emporgezogenen Schultern und faulgesenktem Kopf dem Jäger-
hause zu.
„Allmächtiger Gott! welch rohe Sitten, der Herr möge ihnen
abhelfen," so sprechend schritt der Pfarrer über die bestäubte
Landstraße hin und bemerkte in Gedanken versunken nicht, wie
ein Knabe von etwa neun Jahren, an ihm vorüber, gegen das
Dorf schritt, den Hut zog und ehrerbietig grüßte.
Dieser Knabe trug einen Sack auf der Schulter; er ver-
doppelte die Schritte, als er in die Nähe des Jägerhauses kam.
Schon hatte er es im Rücken, als ihn ein rauhes „Halt!"
stehen hieß.
Der Knabe wendete sich um, und der Jägerbursche, der
vorhin in so unanständigem Tone mit dem Pfarrer geredet,
trat aus dem Hause. In der Weitung der Thüre wurde jetzt
auch sein Vater, ein alter Weidmann, sichtbar; neben diesem
stand der Gehilfe, ein großer, starker Mensch, mit langem
Kinn- und Lippenbart. Sein Auge blickte wild und verwegen,
und die Gelbe seiner Haut, wie die Schwärze seiner Haare und
seines Bartes gaben ihm ein unheimliches, vampyrartiges Aus-
sehen.
„Was hast denn du in deinem Sack?" fragte jetzt der Sohn
des Jägers den Knaben, der furchtsam zu ihm aufblickte.
„Kräuter zu Thec!"
Der Jägerbursche untersuchte den Sack, und als er die
bürsche er aus ein Wild. Seine Brüder, gleichfalls mit Stöcken
statt mit Minien bewaffnet, folgten ihm in einiger Entfernung.
Endlich kamen sie ganz nahe an ihn heran, und die impro-
visirten Gewehre in Anschlag bringend, riefen sie: „Halt Lump!"
Ihre Augen leuchteten dabei voll Eifer und Zorn. Auch ihr
Bruder spielte seine Rolle gut, schlüpfte durch'die Hecke und
sprang davon. Als gälte es einen gar hohen Preis, so eilig
verfolgten ihn die Beiden, und endlich stürzte der Erste auf
das „Komm! Komm!" das ihm die Andern nachriefen, und wel-
ches das Abfeuern der Gewehre bedeuten sollte, erbärmlich
schreiend zusammen. Er klagte und jammerte, als sei er todt-
wund und streckte die gefalteten Hände den Brüdern entgegen,
als diese lachend und jauchzend herbei eilten. „Bringet mich
nicht um; ich Hab Weib und Kinder z'Haus!" klagte recht natür-
lich der kleine Schelm.
„Rix da. Tropf! Dir Hab' ich's schon lang' g'schworen, und
jetzt bist' halt doch a Mal eingangcn," rief da der Aeltere, den
Knieenden derb niederstoßend. Kurz, es half nichts, der Wild-
-schütze wurde erschlagen, und als sich dieser steif und todt stellte,
trugen ihn die Beiden nach der Hecke hin. und versteckten ihn
hier lachend unter dem Laub und den Zweigen.
Der Pfarrer, der in einem benachbarten Dorfe wohnte,
hatte an dem Jägerhaus vorüber schreitend dieses Spiel mit-
angcsehen. Er schüttelte den Kopf und betrübte sich, solche
blutdürstige und unversöhnliche Gedanken bei den Jägerkindern
in einem noch so zarten Alter zu entdecken.
„Was habt ihr denn da gemacht?" fragte er die Knaben,
als diese sich hinter der Hecke hinab schleichen wollten, um den
Pfarrer nicht grüßen zu dürfen.
„Wir haben g'spielt," antwortete der Aelteste.
„Jäger und Wildschütz, nicht wahr?"
„Ja, Herr Pfarrer!"
„Und den Wildschützen?" fragte der Geistliche wieder, „den
habt ihr niedergeschosien und trotz seiner Bitten vollends er-
schlagen ?"
„Ja Herr Pfarrer!" lachten die Knaben.
„Würdet ihr das auch wohl thun, wenn ihr einmal Jäger
seid?"
„Ei freilich!" rief der Aelteste, „denn wenns kein' Luchs,
keine Raubvögel, keine Füchs und keine Wildschützen gab’, dann
wär's erst schön a Jager z'sein, so aber muß man b'sonders
: wegen den Lumpcnschützen Tag und Nacht in den Bergen liegen."
„Wenn man aber Jeden tödten wollte," sprach gar ernst
der Pfarrer, „der einen Fehler begeht, so dürfte man ja im-
mer die Hand in Blut tauchen. Würdest du denn einen Men-
schen. der dir den Apfelbaum ableert, oder der dir eine Klaf-
ter Holz im Forste entwendet, auch tödten?"
„Nein, ich würde ihn tüchtig beuteln und zum Ortsvor-
steher führen."
„Das letzte wäre , recht, das erste aber müßtest du Unter-
lasten , denn das Gericht würde ihn schon nach dem Befunde
strafen."
„'s Gebetläuten ist vorbei, macht's, daß ihr in's Haus kommt's,
ihr Fratzen!" rief jetzt der Bruder der drei Knaben, ein Mensch
von etwa sechzehn Jahren. Er kehrte eben an der Hecke ab-
wärts vom Walde heim, und hatte so zufällig das vernommen,
was der Pfarrer in guter Absicht zu seinen Brüdern sagte.
Die Buben, froh, aus der Klemme zu gerathen, liefen davon,
und der aufgeschossene magere Bursche nahm nun eine recht
lümmelhafte, brutale Haltung an, blies sich aus einem kleinen
Pfeifchen, das er beständig im Munde hatte, den Rauch um
das mit Sommersprossen bedeckte dummboshafte Gesicht, und
fragte: „Meint's nit gar, Herr Pfarr', man sollt' d'Wildschützen
laufen lasten?"
„Ich meine, der Wildschütz ist ein Mensch," entgegnete dieser
sanft, „der als solcher auf Barmherzigkeit und Mitleid Anspruch
hat. und ich denke, es wäre genug, wenn man ihn für seinen
Frevel dem Gerichte übergäbe."
„Haben, Herr Pfarrer, muß man ihn z'erst! wenn man
ihn aber nicht kriegen kann, so heißt halt: Hulla, faß' Kügerl!"
„Und die Kugel, voreilig abgedrückt, tödtet oft einen auf
Abwege gerathenen jungen Menschen, dem sonst Niemand etwas
Uebles nachsagt, oder gar einen Familienvater, dem Weib und
Kinder in das frühe Grab nachweinen."
„Wer heißt ihn aussi geh'n, den Lumpen? Wildschütz ist
Wildschütz, der dem Jager grad so gut eine aufi druckt, wenn
er ihm's thun kann. — Nix da Bruder im G'spiel! — Gut
Nacht, Herr Pfarr. — Komm Harawaxel!" So rufend zog der
Bursch die Leine an, die an dem Halsband eines stämmigen
Dachshundes befestigt war, wendete sich um, und schritt mit
emporgezogenen Schultern und faulgesenktem Kopf dem Jäger-
hause zu.
„Allmächtiger Gott! welch rohe Sitten, der Herr möge ihnen
abhelfen," so sprechend schritt der Pfarrer über die bestäubte
Landstraße hin und bemerkte in Gedanken versunken nicht, wie
ein Knabe von etwa neun Jahren, an ihm vorüber, gegen das
Dorf schritt, den Hut zog und ehrerbietig grüßte.
Dieser Knabe trug einen Sack auf der Schulter; er ver-
doppelte die Schritte, als er in die Nähe des Jägerhauses kam.
Schon hatte er es im Rücken, als ihn ein rauhes „Halt!"
stehen hieß.
Der Knabe wendete sich um, und der Jägerbursche, der
vorhin in so unanständigem Tone mit dem Pfarrer geredet,
trat aus dem Hause. In der Weitung der Thüre wurde jetzt
auch sein Vater, ein alter Weidmann, sichtbar; neben diesem
stand der Gehilfe, ein großer, starker Mensch, mit langem
Kinn- und Lippenbart. Sein Auge blickte wild und verwegen,
und die Gelbe seiner Haut, wie die Schwärze seiner Haare und
seines Bartes gaben ihm ein unheimliches, vampyrartiges Aus-
sehen.
„Was hast denn du in deinem Sack?" fragte jetzt der Sohn
des Jägers den Knaben, der furchtsam zu ihm aufblickte.
„Kräuter zu Thec!"
Der Jägerbursche untersuchte den Sack, und als er die