178 Der Wi
Schieß ich den Lumpen so schön auffi, und Han ihm mein
Knicker sn schön in's Glicht eini, und doch nit kriegen!
Tausend! tausend!"
„Nun Fritzel, hast du g'schossen?" rief jetzt der Gehiilfe,
herbei keuchend.
„Ja, den Grubenmartel Hab i nieder g stoße»; da liegt
der Bock, den der Lump z'ruck g'lassen hat. 'S Feuer auf-
! gehen und er unimi purzeln, i ihn bei der Maschen packen und
ihm mein Knicker in s G'sicht schlagen, war eins. I' denk,
der Kerl wird mir untern Händen hin, da schmeißt ini der
Lump in d Stauden eini und lauft davon!"
„Geh weiter!" lachte der Gehiilfe erstaunt, und machte
einige Schritte in der Richtung hin, wo Martin geflohen
war und das Gras niedergetrelen hatte. „Halt dich nicht
auf, Briiderl!" tröstete er den Kameraden, „den Feinspinner
kriegen wir schon. Ta schaug her, der Kerl schweißt ja
mordmäßig! Sapperlnft! was ist da z'machen?"
„Laß ihm den Harawaxel auf der Fährt nach, denn
thut sich der Tropf irgend wo nieder, so gibt der Harawaxel
Standlaut."
Der Gehülfe besann sich eine Weile, und sagte dann:
„Ich mein, wir schlagen Bögen,*) den Harawaxel können
wir ja allwcil noch auslassen."
Dabei blieb's. Der Jägerfritz lud seinen Stutzen wieder,
und dann fingen Beide zu kreisen an; denn nach dem dicken
und geronnenen Blut zu schließen, das hier und dort auf
dem Moose oder an einem Busche klebte, konnte der Wild-
schütze nicht weit flüchten.
Hoch im Mittag stand die Sonne. Sie entsendete einen
glühenden Brand. Ohne Erfolg hatten bis jetzt die Jäger
ld schütz.
gesucht, und erschöpft von dem eiligen Laufen und Stöbern,
ließen sich nun Beide unter den weitausgebreiteten Zweigen
einer Föhre nieder. Der Gehülfe griff in die Juppe und
nahm ein Stück kalten Wildbraten heraus, breitete ein
Papier ans den Rasen, schüttelte Salz und Pfeffer auf das-
selbe hin, und nun ließen sich Beide das Wildfleisch zu einem
Stück Schwarzbrod wohl schmecken. Auch der Branntwein-
flasche wurde iveidlich zugesprochen. Man kam überein nach
kurzer Ruhe den Dachshund, der herrlich auf den Schweiß
zu gebrauchen war. auszulassen.
Während dessen lehnte der verwundete Martin, etwa eine
halbe Stunde von den Jägern entfernt, an dem Stamm
einer Eiche. Er sah entsetzlich bleich aus. Bon Blutverlust und
Ermüdung erschöpft, empfand er einen glühenden Durst, und
in der ganzen Umgegend war keine Quelle, an der er sich
den lechzenden Gaumen hätte kühlen können. Er riß eine Hand
voll Gras ans und kaute es. Ein wilder unheimlicher Glanz
funkelte aus seinen Angen. Die Brombeersträuche hatten ihm
die nackten Kniee und die Hände blutend aufgerissen. Er keuchte
und stöhnte tief aus der Brust; sein Gesicht, das an der linken
Wange eine klaffende Wunde zeigte, überrieselte der Schweiß.
„Heilige Mutter Gottes!" rief er, die Hände faltend, „soll
es hier mit mir zu Ende gehen? O meine Kinder! o mein
armes Weib!" stöhnte er. Seine Kraft schien gebrochen. Er
ließ sich auf den Rasen niederfallen, und preßte die zitternden,
von Dornen wunden Hände auf die Seite, die ihm die Kugel
des Jägerfritzes aufgerissen. So lag er über eine Stunde da,
ein über das andere Mal von einem Gefühle von Ohnmacht
angeivaudelt. Da drang plötzlich das entfernte Bellen eines
Hundes zu seinem Gehör; er erhob den Kopf und lauschte.
Der Dachshund hatte seine Fährte angenommen, und das
Gekläffe desselben ividerhallte in dem schweigsamen und sonoren
Walde für den Wildschützen in furchtbaren Akkorden. Er raffte
sich auf und floh. Immer mehr näherte sich das Gekläff; den
Hund mußte er von seiner Fährte abbringen — oder er war
verloren.
„Alla! faß 's Füchsel, Harawaxel!" riefen jetzt die Jäger,
die eine Stunde, nachdem Martin neuerdings die Flucht er-
griffen hatte, an einem Weiher anlangten. Heftig bellte der
Hund gegen das Schilf. Alles wurde durchsucht, Martin aber
nicht gefunden; die Fährte hörte auf, und die Jäger um-
gingen nun, Jeder in einer andern Richtung, den Weiher.
Während dessen kletterte Martin an einer Steinwaud hin-
auf. Das Wasser rieselte von seinen Kleidern nieder; denn er
hatte soeben den Weiher durchschwommen, um den Hund von
seiner Fährte abzubringen. Seine Angen funkelten licht, wäh-
rend seine schlaffherabhängenden Arme, seine auf- und nieder-
fliegende Brust, und seine zuckenden Weichen von der gänzlichen
Erschöpfung seiner Kräfte zeugten. Oben angelangt, lauschte
er einige Minuten bald links, bald rechts, legte dann sein
geübtes Ohr, fähig den schivächsten Laut aufzufassen, an den
Boden, und >vcr ihn so platt ansgcstreckt gesehen hätte, würde
ihn sicher für tobt gehalten haben.
Ter Abend war nicht mehr ferne. Mit einem hohlen Sausen
') Kreise ziehen.
Schieß ich den Lumpen so schön auffi, und Han ihm mein
Knicker sn schön in's Glicht eini, und doch nit kriegen!
Tausend! tausend!"
„Nun Fritzel, hast du g'schossen?" rief jetzt der Gehiilfe,
herbei keuchend.
„Ja, den Grubenmartel Hab i nieder g stoße»; da liegt
der Bock, den der Lump z'ruck g'lassen hat. 'S Feuer auf-
! gehen und er unimi purzeln, i ihn bei der Maschen packen und
ihm mein Knicker in s G'sicht schlagen, war eins. I' denk,
der Kerl wird mir untern Händen hin, da schmeißt ini der
Lump in d Stauden eini und lauft davon!"
„Geh weiter!" lachte der Gehiilfe erstaunt, und machte
einige Schritte in der Richtung hin, wo Martin geflohen
war und das Gras niedergetrelen hatte. „Halt dich nicht
auf, Briiderl!" tröstete er den Kameraden, „den Feinspinner
kriegen wir schon. Ta schaug her, der Kerl schweißt ja
mordmäßig! Sapperlnft! was ist da z'machen?"
„Laß ihm den Harawaxel auf der Fährt nach, denn
thut sich der Tropf irgend wo nieder, so gibt der Harawaxel
Standlaut."
Der Gehülfe besann sich eine Weile, und sagte dann:
„Ich mein, wir schlagen Bögen,*) den Harawaxel können
wir ja allwcil noch auslassen."
Dabei blieb's. Der Jägerfritz lud seinen Stutzen wieder,
und dann fingen Beide zu kreisen an; denn nach dem dicken
und geronnenen Blut zu schließen, das hier und dort auf
dem Moose oder an einem Busche klebte, konnte der Wild-
schütze nicht weit flüchten.
Hoch im Mittag stand die Sonne. Sie entsendete einen
glühenden Brand. Ohne Erfolg hatten bis jetzt die Jäger
ld schütz.
gesucht, und erschöpft von dem eiligen Laufen und Stöbern,
ließen sich nun Beide unter den weitausgebreiteten Zweigen
einer Föhre nieder. Der Gehülfe griff in die Juppe und
nahm ein Stück kalten Wildbraten heraus, breitete ein
Papier ans den Rasen, schüttelte Salz und Pfeffer auf das-
selbe hin, und nun ließen sich Beide das Wildfleisch zu einem
Stück Schwarzbrod wohl schmecken. Auch der Branntwein-
flasche wurde iveidlich zugesprochen. Man kam überein nach
kurzer Ruhe den Dachshund, der herrlich auf den Schweiß
zu gebrauchen war. auszulassen.
Während dessen lehnte der verwundete Martin, etwa eine
halbe Stunde von den Jägern entfernt, an dem Stamm
einer Eiche. Er sah entsetzlich bleich aus. Bon Blutverlust und
Ermüdung erschöpft, empfand er einen glühenden Durst, und
in der ganzen Umgegend war keine Quelle, an der er sich
den lechzenden Gaumen hätte kühlen können. Er riß eine Hand
voll Gras ans und kaute es. Ein wilder unheimlicher Glanz
funkelte aus seinen Angen. Die Brombeersträuche hatten ihm
die nackten Kniee und die Hände blutend aufgerissen. Er keuchte
und stöhnte tief aus der Brust; sein Gesicht, das an der linken
Wange eine klaffende Wunde zeigte, überrieselte der Schweiß.
„Heilige Mutter Gottes!" rief er, die Hände faltend, „soll
es hier mit mir zu Ende gehen? O meine Kinder! o mein
armes Weib!" stöhnte er. Seine Kraft schien gebrochen. Er
ließ sich auf den Rasen niederfallen, und preßte die zitternden,
von Dornen wunden Hände auf die Seite, die ihm die Kugel
des Jägerfritzes aufgerissen. So lag er über eine Stunde da,
ein über das andere Mal von einem Gefühle von Ohnmacht
angeivaudelt. Da drang plötzlich das entfernte Bellen eines
Hundes zu seinem Gehör; er erhob den Kopf und lauschte.
Der Dachshund hatte seine Fährte angenommen, und das
Gekläffe desselben ividerhallte in dem schweigsamen und sonoren
Walde für den Wildschützen in furchtbaren Akkorden. Er raffte
sich auf und floh. Immer mehr näherte sich das Gekläff; den
Hund mußte er von seiner Fährte abbringen — oder er war
verloren.
„Alla! faß 's Füchsel, Harawaxel!" riefen jetzt die Jäger,
die eine Stunde, nachdem Martin neuerdings die Flucht er-
griffen hatte, an einem Weiher anlangten. Heftig bellte der
Hund gegen das Schilf. Alles wurde durchsucht, Martin aber
nicht gefunden; die Fährte hörte auf, und die Jäger um-
gingen nun, Jeder in einer andern Richtung, den Weiher.
Während dessen kletterte Martin an einer Steinwaud hin-
auf. Das Wasser rieselte von seinen Kleidern nieder; denn er
hatte soeben den Weiher durchschwommen, um den Hund von
seiner Fährte abzubringen. Seine Angen funkelten licht, wäh-
rend seine schlaffherabhängenden Arme, seine auf- und nieder-
fliegende Brust, und seine zuckenden Weichen von der gänzlichen
Erschöpfung seiner Kräfte zeugten. Oben angelangt, lauschte
er einige Minuten bald links, bald rechts, legte dann sein
geübtes Ohr, fähig den schivächsten Laut aufzufassen, an den
Boden, und >vcr ihn so platt ansgcstreckt gesehen hätte, würde
ihn sicher für tobt gehalten haben.
Ter Abend war nicht mehr ferne. Mit einem hohlen Sausen
') Kreise ziehen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Wildschütz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 7.1848, Nr. 167, S. 178
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg