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Der Liebe Grab.

Menschenfreundlicher Rath.

Wie junge, unbemittelte Literaten auch im Winter in einem
unheizbaren Zimmer arbeiten können, ohne zu frieren.

Der Liebe Grab.

Musternovellette.

(Schluß.)

II.

* In einer größeren, an der Ostsee gelegenen, vielen Auswanderern
wohlbekannten Hafenstadt herrschte reges, geschäftiges Treiben. Die
untergehende Sonne rüstete sich eben, ihre müden Glieder in den salz-
haltigen Meeresfluthen zu baden; am Strande lagen Matroscnhcmden
ausgebreitet, um beim fernen Klang der mächtigen Domglockc langsam
zu trocknen; die Waffeln riesiger Kauffartheischiffe wälzten sich melan-
cholisch im sanften Abendhauche, Gruppen eleganter Reiter ans Sperber-
hengsten galoppirten die Straße entlang, daß unachtsame Fußgänger
in japanischem Schreck zur Seite wichen — da tritt ein ziemlich
nachlässig gekleideter junger Mann aus einer der besuchtesten Restaurants.

Lebhaft gerstäckerirende, den verschiedensten Elementen
angehörige Gruppen, findet er hier in eifriger Conser-
vation begriffen. Während dort zwei Gelehrte, augen-
scheinlich Propylcen der Wissenschaft, die Möglichkeit der
Herstellung von- Mondscheinsäure ventilirten, besprachen
hier mehrere Oekonomcn die Mittel zur Vertilgung des
Eldoradokäfers.

Der junge Mann, in dem nur wenige, geistig
begabtere Leser jetzt schon den Bruder Olgas erkennen,
bestellte ein brutales Abendbrod nebst einer Flasche
musicirenden Weines. Nachdem er sich an den dclinquent
zubereiteten Speisen gelabt, die Flasche aber, deren Inhalt
verdient hätte, durch die Etiquette „nur Muth" illustrirt
zu werden, unmuthig bei Seite geschoben hatte, ließ er
sich vom Garyon eine Cigarre kleiner Fa§on, um nicht zu
lange daran leiden zu müssen, reichen und vertiefte sich,
dichte Rauchwolken ausstoßend, in folgenden Monocle:

„Tolle, wetterwendige Dinger, diese Frauenzimmer!"
sprach er zu sich selbst; „eben im Begriffe, von meiner
Frau Schwester verstoßen, mein Glück im fremden Welt-
theil zu suchen, empfange ich da ein honigsüßes Schreiben
ihrer Hand, das mich in liebeathmenden Worten mahnt,
ungesäumt an ihr verlangend' Herz zu eilen und über
ihre Person, wie ihr Vermögen rückhaltslos zu verfügen,
und doch weigerte sie sich noch vor wenigen Tagen in
den leidenschaftlichsten Ausdrücken, einen von mir im
Betrag von 2000 Mark ausgestellten, verfallenen Wechsel
einzulösen. Sei's d'rum, immer besser von ihrem Gelbe
zehren, als den Karren dieses Jammcrlebcns in der
Fremde weiterzuschieben." — Solcher, gestehen wir cs nur,
höchst leichtfertigen Lebensanschauung konnte freilich nur
ein martialisch verkommener Mensch, wie Carl Schulz es
war, huldigen. Von seinen Wechselgläubigern hart ge-
drängt, hatte er cs für gut gefunden, gleich den Kranichen
des Pfifficus nach Amerika fortzuziehen. — Jetzt natürlich
hatte er seinen Entschluß in Folge des Briefes seiner
Schwester geändert, und eilte nach dem Bahnhof, um
mittelst des bereitstehenden Güterzuges auf den Schienen,
die die Welt bedeuten, in rasender Eile an das Herz
seiner versöhnten Schwester znrückzufliegen. In später
Abendstunde, gerade zur Zeit, als die im ersten Kapitol
geschilderte Apostrophe ihren Abschluß fand, erreichte Carl
die Heimat, und da in Folge einer kurz vorher ausge-
brochenen Akademie, an der die dortigen Landbewohner
schwer zu leiden hatten, die zur Beförderung der Car-
violpost nöthige Bespannung nicht gestellt werden konnte,
so legte er den Weg von der Stagnation zum Gute
seiner Schwester zu Fuß zurück.

Endlich war das Ziel erreicht. Er wollte es zu so
später Nachtstunde vermeiden, Störung zu verursachen
und lenkte deßhalb, das Haus ganz pianino umgehend,
seine Schritte nach dem rückseitigen Oekonomiegebäude, dort
den Rest der Nacht zu vollbringen, als sein Blick wie zu-
fällig auf das geöffnete Fenster des Fremdenzimmers traf.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Menschenfreundlicher Rath"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1879
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1753, S. 66

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