Der Liebe Grab.
Ein Gedanke — ebenso furchtbar wie unglückselig
durchzuckte sein Gehirn. Sollten hier Diebe eingedrungen
sein, die dort ausgestellte Wirthschaftscasse seiner Schwester
zu leeren?
Schnell hatte Schulz eine im nahen Schuppen auf-
bewahrte Leiter erfaßt, sic geräuschlos an die Mauer gelehnt
und begann nun, ein von einem Matrosen erstandenes
Messer in Bereitschaft, diese behende, gleich einer Boa
Jnstructor, zu erklimmen.
Durch den ungewohnten Lärm ans seiner Be-
täubung erwacht, war Carl Meyer aus dem Bette gesprungen
und stand eben unschlüssig in der Mitte des Zimmers, als
Schulzens Gestalt im Fensterrahmen sichtbar wurde.
Mit dem Rufe „Räuber!" stürzte sich Schulz auf
den unglücklichen Meyer und stieß ihm das bluttriefende
Messer bis an die Klinge in die Brust. — Darauf aber
hatte Meyer nur gewartet.
Nachdem er sich überzeugt zu haben glaubte, in
dem Eindringling einen vermeintlichen Mörder zu sehen,
umfaßte er mit übermenschlicher Kraftanstrengung und der
Wuth eines Sandalen den Körper seines Gegners, hob
ihn über die Fensterbrüstung und schleuderte den Unglück-
lichen auf das Steinpflaster des Hofes, wo natürlich sein
Lcbcnsfaden von den unerbittlichen Warzen durchschnitten
wurde. Aber auch Meyern verließen jetzt die Kräfte. Noch
ein müder Blick auf Olga's verhüngnißvollen Brief und
er war der empfangenen Verletzung in Folge Hinzutritt
des Todes erlegen! — —
Sie wollte den nun genesen geglaubten Freund schon
in aller Morgenfrühe überraschen. Hurtig eilte sie die
Treppe hinan und öffnete schalkhaft lächelnd die Thüre
des Fremdenzimmers. Doch wer beschreibt die herz-
zerreißende Scenerie, die jetzt folgte? Wer beschreibt die
aufgelösten Haare, mit denen sie sich über den Leichnam
des tobten Geliebten warf? Als sic sich endlich einiger-
maßen versammelt, brachte das geöffnete Fenster und der
am Boden liegende Brief ein gräßliches Licht in das Drama.
Die Beklagenswerthc hatte, als sie vor acht Tagen
gleichzeitig ihrem Bruder und dem Busenfreunde geschrieben,
die behufs einstweiligen Trocknens vorher überschriebenen
Couverts, wahrscheinlich irregeleitet durch den Gleichlant
der Vornamen, verwechselt, und so war der schnöde Vcr-
bannnngsbrief in die Hände Meyers, das liebeathmende
Schreiben aber in die ihres leichtfertigen Bruders gcrathen.
Olga konnte sich nur schwer von solchen Schicksals-
schlägen erholen. Erst nach Umlauf von drei Monaten
heirathete sie einen Andern.
Und damit pnsior.
Strenge Disciplin.
Ein Sergeant geht in der Kaserne die Stiege hinauf
— in der einen Hand ein paar Würste, in der andern
das Brod dazu. Als er beinahe oben war, macht er eine
ungeschickte Wendung, rutscht aus und füllt auf dem
Strenge Disciplin. 67
Bauch die Stiege hinunter. In der Mitte derselben sanft er an einem
Rekruten vorbei, der — vorschriftsmäßig salutirt und ihn — ruhig
weiterfallen läßt. Als er endlich unten angekommen, steht neben ihm
ein anderer Rekrut, der stramm Front macht, Augen links, ebenfalls
salutirt — und den Sergeanten ruhig liegen läßt.
P r a r t i s ch e U n t c r r i ch t s i» c t h o d e.
„Wissen Sic, wie ich meine Tochter, die vom Französischen
nichts wissen wollte, dazu gebracht habe, daß sie es über Hals und
Kopf gelernt hat? Ich Hab' ihr — das Mädl ist 16 Jahre
alt und ein wenig coquet — von Zeit zu Zeit durch einen
Dienstmann einen Brief heimlich zustecken lassen. Sie nimmt die
Briefe, die natürlich französisch geschrieben sind, immer an und
studiert seit der Zeit Tag und Nacht, damit sie die Briefe verstehen
Ein Gedanke — ebenso furchtbar wie unglückselig
durchzuckte sein Gehirn. Sollten hier Diebe eingedrungen
sein, die dort ausgestellte Wirthschaftscasse seiner Schwester
zu leeren?
Schnell hatte Schulz eine im nahen Schuppen auf-
bewahrte Leiter erfaßt, sic geräuschlos an die Mauer gelehnt
und begann nun, ein von einem Matrosen erstandenes
Messer in Bereitschaft, diese behende, gleich einer Boa
Jnstructor, zu erklimmen.
Durch den ungewohnten Lärm ans seiner Be-
täubung erwacht, war Carl Meyer aus dem Bette gesprungen
und stand eben unschlüssig in der Mitte des Zimmers, als
Schulzens Gestalt im Fensterrahmen sichtbar wurde.
Mit dem Rufe „Räuber!" stürzte sich Schulz auf
den unglücklichen Meyer und stieß ihm das bluttriefende
Messer bis an die Klinge in die Brust. — Darauf aber
hatte Meyer nur gewartet.
Nachdem er sich überzeugt zu haben glaubte, in
dem Eindringling einen vermeintlichen Mörder zu sehen,
umfaßte er mit übermenschlicher Kraftanstrengung und der
Wuth eines Sandalen den Körper seines Gegners, hob
ihn über die Fensterbrüstung und schleuderte den Unglück-
lichen auf das Steinpflaster des Hofes, wo natürlich sein
Lcbcnsfaden von den unerbittlichen Warzen durchschnitten
wurde. Aber auch Meyern verließen jetzt die Kräfte. Noch
ein müder Blick auf Olga's verhüngnißvollen Brief und
er war der empfangenen Verletzung in Folge Hinzutritt
des Todes erlegen! — —
Sie wollte den nun genesen geglaubten Freund schon
in aller Morgenfrühe überraschen. Hurtig eilte sie die
Treppe hinan und öffnete schalkhaft lächelnd die Thüre
des Fremdenzimmers. Doch wer beschreibt die herz-
zerreißende Scenerie, die jetzt folgte? Wer beschreibt die
aufgelösten Haare, mit denen sie sich über den Leichnam
des tobten Geliebten warf? Als sic sich endlich einiger-
maßen versammelt, brachte das geöffnete Fenster und der
am Boden liegende Brief ein gräßliches Licht in das Drama.
Die Beklagenswerthc hatte, als sie vor acht Tagen
gleichzeitig ihrem Bruder und dem Busenfreunde geschrieben,
die behufs einstweiligen Trocknens vorher überschriebenen
Couverts, wahrscheinlich irregeleitet durch den Gleichlant
der Vornamen, verwechselt, und so war der schnöde Vcr-
bannnngsbrief in die Hände Meyers, das liebeathmende
Schreiben aber in die ihres leichtfertigen Bruders gcrathen.
Olga konnte sich nur schwer von solchen Schicksals-
schlägen erholen. Erst nach Umlauf von drei Monaten
heirathete sie einen Andern.
Und damit pnsior.
Strenge Disciplin.
Ein Sergeant geht in der Kaserne die Stiege hinauf
— in der einen Hand ein paar Würste, in der andern
das Brod dazu. Als er beinahe oben war, macht er eine
ungeschickte Wendung, rutscht aus und füllt auf dem
Strenge Disciplin. 67
Bauch die Stiege hinunter. In der Mitte derselben sanft er an einem
Rekruten vorbei, der — vorschriftsmäßig salutirt und ihn — ruhig
weiterfallen läßt. Als er endlich unten angekommen, steht neben ihm
ein anderer Rekrut, der stramm Front macht, Augen links, ebenfalls
salutirt — und den Sergeanten ruhig liegen läßt.
P r a r t i s ch e U n t c r r i ch t s i» c t h o d e.
„Wissen Sic, wie ich meine Tochter, die vom Französischen
nichts wissen wollte, dazu gebracht habe, daß sie es über Hals und
Kopf gelernt hat? Ich Hab' ihr — das Mädl ist 16 Jahre
alt und ein wenig coquet — von Zeit zu Zeit durch einen
Dienstmann einen Brief heimlich zustecken lassen. Sie nimmt die
Briefe, die natürlich französisch geschrieben sind, immer an und
studiert seit der Zeit Tag und Nacht, damit sie die Briefe verstehen
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Strenge Disciplin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1753, S. 67
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg