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Aus der Chronika des

alte Herr an der Frau Muetter Gefallen fände; käme da wieder
der alte Spruch zu Ehren, daß gleich sich gerne zn gleichem
gesellet, und wäre dieselbige zu ihme auch wohl übrigens sauber
gcnueg. Seind aber solches nicht recht undankbare, vermessene
Gedanken, der lieben, guten Herrin» also schnell eine Nach-
folgerin» zu wünschen? Weiß ich aber anders keine Ent-
schuldigung dafür, dann, daß die Lebendigen Recht haben, und
die Todten begraben seind.

Am Tag u. l. tir. Verkündigung.

Wie ist doch Alles ganz anders gekombcn, als ich in
freventlichem Leichtsinne vermeinet! Der Jungfrauen Liebreiz
hat auch des alten Herrn Herz gefangen, und heute hat Er bei
der Muetter umb die Tochter geworben, und Sie hat einge-
williget. Dieses Hab' ich vom Jungherrn selber, der wie ein
Sinnloser in mein Gelaß gestürzt komben und mir in ver-
wirrter Rede das Entsetzliche mitgctheilt hat. Die jungen Leute
waren längst eins, und gerade heut' ivolltc sich der Jungherr
der Muetter anvertraucn. Da erfuehr Er ans ihrem Munde
die Vernichtung all' seines Höffens; ein fürchterlicher Zusammen-
stoß hat sich mit dem Vater zuegetragen, der Ihn ans dem
Hause gestoßen, darinnen seine Wiege gestanden. Er ist außer
Ihm und will verzweifeln. Ich befürchte das Aergste.

Alles, was ich von Ihme erlangen können, ist, daß Er
vorderhand dem Befehl folgen will; beim alten Klaus, dem
Waldheger, soll Er derweilen Unterschlupf suechen, und müßte
ich Ihme geloben, Botschaft zu bringen von seiner Geliebten,
die nicht lassen will von Ihme, und ginge es geradeaus in
den Tod. Was soll nunmehro geschehn? Wie soll ich ein-
lösen das Gelöbniß, so ich der Entschlafenen gethan, den Sohn
zu schützen vor dem Zorne des Vaters, wann, wie Sie voraus-
geseh'n, die Beiden entbrennen in grimmigem Hader?

Und kein Anderer, denn ich, darf sich unterfangen, dem
Alten entgegenzutreten in seinem Willen! Noch ist der Hand-
scharstreich des Janitscharen nicht bezahlt, dessen Narbe an-
heut noch blutroth über meinem kahlen Scheitel flammet, den
ich erhalten, als ich den Herrn in der St. Gotthardter Türken-
schlacht heraushieb airs dem gräßlichsten Gemetzel, auch hat Er
seine Schuld noch nicht vergessen. Sei es denn also gewagt,
noch heute — und wenn es mißlingt? Jst's denn des Ueberlegens
werth, so es gilt mit dem Einsatz eines alten Lebens zu ge- I
Winnen das Lebensglück zweier jungen! Doch wie? Ich will
hinabsteigen zu Ihrer Ruehestatt und im Gebet Erleuchtung
suechen. —

Und ich habe sie gefunden, und Gottlob, es ist ge-
lungen; mit zitternder Hand schreibe ich nieder, was ich soeben
erlebt. Als ich mich niedergeworfen vor dem Altäre ans den
Stein, der die Gruft verschließt, und aufblickte zur Ampel, da-
rinnen brennet das ewige Licht, da gedachte ich unwillkührlich
dessen, was ich niedergeschrieben von der verloschenen Kerze,
und es überkam mich gleich einer Ahndung, als feie nunmehro
der Schlüssel zum Gewissen des Herrn in meine Hand ge-
geben. Ich erhob mich gestärkt und voll Zuversicht, und ging
wieder hinauf durch den allbereits dunkelnden Burghof, meines

Schlosses Rauhenfels.

Amtes zu walten, und die Lichter hinaus in's Gemach des
Herrn zu tragen.

Folgend meiner Eingebung steckte ich aber nicht, wie sonst,
zweeir neue, frisch angezündete Kerzen in den schweren, silbernen
Armleuchter, sondern ließ das eine, herabgcbrannte Stümpchen
von gestern im rechten Leuchterarme stecken, nur den linken mit
einer neuen Kerze versehend. Nachdem ich nun beide entzündet,
trat ich damit in des Herrn Gemach, der finster brütend am
Tische saß, und stellte den Leuchter schweigend vor Ihne hin.

Als Er nun aufblickend die nnschicksame Bedienung be- !
merkte, führ Er mich an mit Schärfe: „Wie, Schurke, bist Du
verrückt 'worden im Gehirn, daß Du nicht einmal mehr zwcen
Kerzen finden kannst, die zusammenpaßen?" Da aber faßte ich mir
ein Herz, also sprechend: „Wohl, o Herr, paßt ein abgebranntes >
Licht gar übel zu einem erst neu entzündeten, und mag Der ;
gescholten werden als ein Schwachsinniger, so es nntcrninimt.
Beide zu paaren; wie aber mueß Der geheißen werden, so ein
junges, frisches Leben sich vermäße zu ketten an ein altes, dem
Grabe zuwelkendes! ?"

Da sprang Er wild empor, den Leuchter erfassend und
in die Höhe schwingend; ich aber sank vor Ihme auf die Kniee,

mein Haupt beugend und harrend des Streichs, der es zer-
schmettern würde.

Der Streich aber blieb aus; ich hörte, lute der Herr den
Leuchter heftig auf den Tisch niederstieß, und als ich aufsehend
zuerst ans Ihn und dann auf den Leuchter blickte, wurde ich
Etwas gewahr, das mir gleich einem Wunder erschien. Das
Stümpchen im rechten Arme brannte noch hell, die Kerze aber
im Linken war inmitten abgebrochen und hing erloschen niedcr-

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus der Chronika des Schlosses Rauhenfels"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Adamo, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1757, S. 99

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