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Die Heilquelle, ober: die Quelle des Unheils.

burger nur mit Goldburgerinnen in die Ehe treten, so ist die
sämmtliche Einwohnerschaft mehr oder weniger nahe mit einander
verwandt, und es kann dort Niemand das Haus verlassen, ohne
sogleich auf einen Schwager oder eine Schwägerin, auf einen
Oheim oder eine Muhme, auf einen Vetter oder eine Base
zu stoßen.

Man sieht, das Städtchen Goldburg lebt in äußerster
Abgeschlossenheit, und diese Abgeschlossenheit hat ihren Grund
in einem unbegrenzten Stolz. Die Goldburger hielten sich von
jeher für erfahrener, klüger, weiser, schlauer, geriebener und
durchtriebener als alle anderen Menschenkinder, und deßhalb
waren sie auch von jeher wenig beliebt in den benachbarten
Städten und Ortschaften, von denen sic an Thätigkcit und
Gewerbfleiß und daher auch an Wohlstand bei Weitem über-
troffcn wurden. In den anderen Städten regte man Arme
und Beine und brachte es vor sich; die Goldburger aber saßen
in den Weinhäusern, schmiedeten hinter dem Glase täglich neue
Pläne zu Unternehmungen und sahen schon im Voraus das
Geld millionenweise nach ihrem Vaterstädtchen fluthen. Statt
der Fluth herrschte jedoch die Ebbe immer mehr, und während
die nächste Umgebung mehrere Millionäre zählte, besaß Gold-
üurg nicht einen einzigen, wohl aber sehr viele Bürger, denen
zn einer Million wenigstens eine volle Million fehlte.

So gingen die Dinge dort immer mehr bergab, als die

Goldburger eines Tages durch eine Neuigkeit überrascht wurden,
welche einen unbeschreiblichen Jubel in Aller Herzen erregte. Fast
sämmtliche Einwohnerschaft eilte an's Mehlthor, wo sich das
Haus des Stadtraths Kleber befindet, drängte und quetschte
sich in den Hof des genannten Hauses, stolperte und strauchelte
daselbst zwischen den Stein- und Schutthaufen, bis sic sich
endlich mit eigenen Augen von dem glücklichen Ereignis; über-
zeugten.

Erwähnter Stadtrath hatte nämlich beschlossen, den Hof
hinter seinem Hanse in einen Gemüsegarten zn verwandeln, und
zu diesem Zwecke ließ er eine Scheuer und einen Schuppen
niederreißen. Beim Allsgräben der Fundamente zeigte sich
eine Quelle, auf deren Oberfläche man mehrere kleine Bläschen
wnhrnahm. Was war da noch lange zn zweifeln? Die Quelle
sprudelte, und der Stadtrath war überzeugt, daß er im
Besitz einer Mineralquelle, einer Heilquelle, einer Glücksquelle
sei. Der Medicinalrath Klumpert, den er sogleich nach dieser
Entdeckung Herbeigerusen, bestärkte ihn in dieser Ueberzeugnng.
Goldburg durfte jetzt einer herrlichen Zukunft entgegenschen.
Es handelte sich nun darum, die Nachricht von der Entdeckung
zu verbreiten und die Quelle einzufassen. Vor allen Dingen
mußte man dem Kind einen Namen geben. Diese Frage wurde
in einer langen Reihe von Sitzungen im Stadtrath eröffnet.
Man wollte die Quelle erst „Goldquelle" nennen wegen
ihrer Kostbarkeit sowohl, als auch wegen der Goldernte, die sie
der Stadt verhieß. Man ließ aber diesen Namen fahren und
glaubte ihn am geeignetsten durch „Hiilfsqnellc" zn ersetzen,
von wegen der Hülfe, die sic den Leidenden und zugleich der
so sehr hülfsbedürftigcn Stadt zn bringen berufen schien. Allein
auch dieser Name wurde bestritten. Endlich nmrde der Name
j „Unverhofft" einstimmig angenommen.

Der Medicinalrath Klumpert hatte inzwischen mit Beihülfe
des Stadtapothekers Schachtele die chemische Analyse der
Quelle glücklich gu Stande gebracht und ließ schon vierzehn
Tage nach der Entdeckung derselben unter dem mit großen Buch-
staben gedruckten Titel: „Die Goldbnrgcr Heilquelle
Unverhofft" eine Brochüre erscheinen, in welcher er wissen-
schaftlich nachwies, daß dieselbe — die Quelle nämlich —
innerlich wie äußerlich gebraucht, alle acuten und chronischen
Krankheiten heile und sich daher gegen Herzleiden und Magen-
leiden, gegen Ohrensausen und Nasenpolypen, gegen Frostbeulen
und Sommersprossen, gegen Schwindel und Rothlanf: kurz,
gegen alle Gebresten bewähre, mit denen die boshafte Natur
die arme Menschheit heimsncht.

Diese Schrift, die in mehreren tausend Exemplaren nach
allen Richtungen versendet wurde, fand in Goldburg begeisterte
Leser und Leserinnen, brachte jedoch — beiläufig gesagt —■
dieselben in nicht geringe Verlegenheit. Der Medicinalrath
erwähnte nämlich in seiner patriotischen Hervorbringung sehr
häufig der Nymphen und Nnjaden; doch nur Wenige, außer
dem Medicinalrath, wußten, was diese Personen mit fremd-
klingenden Namen bedeuten. Der gebildete Theil der Bevölker-
ung wendete sich daher an den Obcrstencrcinnehmcr Wachtel,
der das Brockhans'schc Convcrsationslexicon besaß, das einzige
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Heilquelle, oder: die Quelle des Unheils"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

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Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Adamo, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 73.1880, Nr. 1833, S. 82
 
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