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Aus der Chronika des

halte und darunter eine blühweiße, krapfenrundc Schulter herfür-
gucktc, was mich ihres braunen Gesichts wegen baß Wunder
nahm; war aber solcher Anblick also appetitlich, daß ich alter
Sünder mich nicht enthalten knnnte, ihr in der Geschwindigkeit
einen Schmaz daraufzudrucken; sic aber fuhr blizschncll herum,
wie eine Eidechse, und gab mir mit dem Kochlöffel, mit dem
sie eben in der siedenden Suppe gerührt, eines aus das Maul,
daß nur Alles flizte und patschte, dazu mit Heller Stimme
rufend: „Da, Du alter Schlecker, das ist gut für Deines-
gleichen, aber die Lust ans Hcndlflcisch laß' Dir vergehen!"
worauf ich für diesesmal mit leerem Magen abfahren mucsscn
und hatte ich bis zum Mittag der Weile übrig's genug, recht
eindringlich innc zu werden, lvic in meinen Jahren ein kräftiges
Süpplein mehr Wärme verleiht, als verliebte Narrenthaiding,
und ein alter Esel dreimal dümmer dasteht, als ein junger, so
er das Maul nach Rosen spitzt; sind mir aber die Stimme
und die blizenden Augen längst wühl bekannt, dnfiir will ich
allaugenblicks meine Hand in den siedenden Suppentopf stecken.

Als ich heute morgens, um Frau Armgart abzulösen,
zum Herrn in's Gemach eintrat, fand ich ihn bereits munter,
und winkte mir derselbe, als sic uns verlassen, mich zu ihm
zu Bette zu sezen, lvoranf er also anhub zu reden: „Wie Du
dich erinnern wirst, ist Erich von Birken — solches ist der
Name des Vaters der Gemalin unseres Jungherrn — kurz
nach der Schlacht von St. Gotthardt, während Du todwund
im Feldspital gelegen, im Gefechte mit einer türkischen Streif-
schaar gefallen. Also ist der allgemeine Glauben; lvic cs aber
eigentlich damit zuegegangen, will ich Dir jezo erzälen.

Schlosses Rauhensels.

Nachdeme der Feind in wilder Flucht seinen Abzug ge-
nomben, blieben wir ezliche Tage zu unserer Erholung miijsig
nicht weit vom Schlachtfelde liegen. Ich und mein Waffen-
bruder benuzten die Ruhezeit zu Ausritten in die Umgegend,
und waren dabei immer ohne Begleitung, weilen vom Feinde
keine Spur mehr lvahrzunemben. Da lvir nun eines Tages vom
Lager eine ziemliche Strecke entfernt durch ein gebüschreiches
Thal dahinritten, überall die Verwüstung gewahrend, so die
Türken hinter sich gelassen, Hub mein Freund also an: „Ist
cs nicht eine Schande, daß lvir uns jezo mit diesen Mord-
brennern herumhauen muesscn, da doch der Halbmond längst
ans Europa verjagt sein könnte, so der Herzog von Friedland
seine Waffen gegen ihn gewendet hätte, anstatt das eigene
Vaterland zur Einöde zu machen."

Nun war. aber mein Freund, wie dir wissentlich, um Vieles
jünger denn ich, dahero ich gcleg'nen Falls das Ansehen des
Aelteren geltend zu machen pflegte. Verwies ihm also solche
vermessene Rede aus das Strengste, Massen der glorreiche Herzog
für den allein wahren Glauben gefachten; da lachte er aber
bitter auf und rief: „So Held Gnstavns noch einmal in
Deutschland erscheinen würde, lvollc er der Erste sein, der zu
seiner Fahne reite!" worauf ich, da ich nun klärlich sah, daß
er ein Kezer, zornig entgcgnete: „Daß ich alsdann »erhoffte,
ihn auf dem Schlnchtfeldc zu treffen, um ihn als einen Ver-
räther zu züchtigen, ja solches könne ans der Stelle geschehen."
Dabei riß ich in rasender Wuth das Schwert heraus und
drang auf ihn ein, kam auch nicht früher zur Besinnung, bis
er mit dem Ausruf: „Mein armes Weib und Kind!" zum
Tode verwundet vom Pferde sank.

Als ich nun, in Verzweiflung abgesprungen, das aus der
Brustwunde hervorstürzende Blut zu stillen versuechte, da er-
schallte plözlichen vom Rande des Thaies her wildes Allah-
rufen, worauf Erich mit matter Stimme sprach: „Bruder, mit
mir ist cs vorbei, rette Dich und sorge für mein Weib und
dabei ihm der Athem verlöschte.

Da ich nun unvermögend war, so ich ihn 311 mir auf's
Pferd nahm, den schnellen Rennern der Ungläubigen zu ent-
rinnen, so mußte ich ihn liegen lassen, sprengte in's Lager
zurück, wechselte das Pferd und kehrte mit meiner Schwadron
alsoglcich auf den Unglücksort zurück; fanden wir aber weiter
nichts, als die Blutlacke, darin er gelegen, ihn hatten aber die
Feinde, obwohl sterbend, mitgenombcn; so haben wir denn nie
mehr von ihme gehört und ist er verschollen geblieben."

Nachdem er, von der langen Rede erschöpft, eine Weile
schweigend dagelegen, begann er von Neuem: „Ich habe das
Bewußtsein meiner Unthat verschwiegen in der Seele getragen,
habe, so viel ich konnte, für die ©einigen gesorgt, und will
ich, da cs mit mir zu Ende geht, auch in der Beichte mein
Herz entlasten, magst Du dahero den Leutpriester ans dem
Dorfe heute Nachmittag hieher bescheiden."

Als ich ihme nun einwarf, solches Aeußerstc sei wohl noch
lange nicht zu befürchten, ansonsten der Medicns uns gclviß
darauf vorbereitet, da winkte er abwehrend und sagte: „Dessen
Hab' ich eine ganz sichere Gewähr, denn Erich war heute in
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus der Chronika des Schlosses Rauhenfels"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Adamo, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 73.1880, Nr. 1838, S. 122
 
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