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Deutsche Kriegszeitung — 1917

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Hefte 35-39, September 1917
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lummer 39

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tätigkeit bei Dünaburg, am Stochad und
bei Brody, aber an melcher Stelle ihm
wirkiich Gefahr drohe, schien er doch nicht
recht erkannt zu haben, und so kam denn,
da unsere Heeresleitung ihre Pläne nicht
vorher mitzuteilen pslegt, die Meldung
von dem Durchbrechen der russischen
Stellungen nordwestlich von Jakobstadt
am 21. September für Freund und Feind
gleichermahen überraschend.

Der Durchbruch bei Iakobstadt

erfolgte unter dem Befehl des General-
eutnants Gras v. Schmettow nach wohl-
aorbereitetem Plan. Artillerie- und Mi-
nenwerferwirkung bahnte der tapferen
Lnfanterie den Weg, und die Flieger
unter Führung des Prinzen Sigismund
von Preußen ließen es sich trotz der un-
günstigen Witterung nicht nehmen, den
Angriff kräftig zu unterstützen. — Jakob-
stadt, dieser wichtige Etappenort für die
Verpflegung der russischen Dünasront,
war durch einen 40 Kilometer breiten
und etwa 10 Kilometer tiesen Brücken-
kops nach Westen hin gesichert. Gelang
es, in diesen Brückenkopf einzubrechen, so
mußte die Stadt in unsere Hände fallen,
und die russische Gesamtfront an der
Düna war sodann stark erschüttert. Der
Angrifs gelang vollkommen, und der ge-
schlagene Feind flüchtete unter Hinter-
lassen großer, noch nicht zu übersehender
Beute auf das rechte Ufer der Düna. Ja-
kobstadt war unser, und am nächsten
Tage erreichten unsere Truppen bereits
das linke Flußufer auf der ganzen
Strecke von Liwenhof bis Stockmanns-
hof. Noch ist die Zahl der- Gefangenen
vlicht voll bekannt, denn viele Russen,
die der Gefangenschaft nicht ent-
gehen können, halten sich noch im Wald-
gebiet des genommenen Brückenkopses
verborgen, aber bis zum 24. abends war
ihre Zahl bereits ans 4710 Mann gestie-
gen. An Geschützen sielen den Siegern
65 in die chände, darunter eine vollstän-
dig bespannte und mit Munition verse-
hene Batterie und fünf schwere Geschütze
von 26- bis 28-Zentimeter-Kaliber. Wtr
sagten bereits, daß Jakobstadt ein chaupt-
ctappenort gewesen sei, und die Lorräte
an Brot und Mehl, die zu vernichten die
Russen keine Zeit mehr gehabt hatten,
waren dementsprechend groß. Die Beute
an Maschinengewehren und Kriegsgerät
aller Art konnte bisher noch nicht ge-
zählt werden. — Wir fügen hierunter
aie Beschreibung eines Augenzeugen über
die Emnahme von Jakobstadt, die im
^Berliner Lokal-Anzeiger" erschien, bei:

Vor Jakobsladt, 22. September. Seit
tungefähr 14 Tagen hatten die Russen ^

mehrfach gemeldet, daß sie am sogenann- >
ten Brückenkopf von Fakobstadt, einem
Gebiet von 400 im Osten und Norden von
Äer Düna begrenzten Quadratkilometer,
Veränderungen an unserer Front fest-
stellen könnten, die auf einen Angrifs deu-
teten. Und doch ist ihnen dieser Angriff
überraschend gekommen, dank der wohl-
durchdachten Wahl unseres Ausgangs-
punktes. Es hatten sich drei Möglichkei-
ten geboten, unseren Angrisf anzusetzen.
Warum gerade die unwahrscheinlichste,
die aus dem Sumpfe zwischen Rudsan
und Rashe, westlich von Jakobstadt ge-
wählt worden ist, darüber schriftlich mehr.
Heute zunächst so viel, daß aus dieser nur
1200 Meter breiten Enge sich am 21.
früh 5 Uhr der Fnsanterieangrisf ent-
wickelte, nachdem um 3 Uhr 30 mit der
Vergasung der feindlichen Artillerie und
dem Minenwerfen begonnen worden war.
Unser Stoß hatte doppelte Richtung:
eine solche nach Osten aus Jakobstadt zu,
um durchzubrechen, mit Teilen nach Sü-
den und Norden auszurolleu, wo beson-
dere russische Anlagen das nötig machten,
einen Gegenangriff aus Jakobstadt abzu-
weisen und nach Sicherung der rechten
Flanke nach Norden abzubiegen, um dem >
zweiten Angriff, der nach Norden gerich-
tet war und das Gelände im großen
Dünabogen erobern sollte, zu unterstützeu.
Die Eroberung von Fakobstadt selbst war
ins Auge gefaßt, doch sollte sie auf den
uüchsteu Tag verschoben werden, wenn
die Stärke des feindlichen Widerstandes
und die Schwierigkeit der Wege unserer
Jnfanterie große Hindernisse bieten soll-
ten. Der WAtervoraussage gemäß
schlug das bisher günstkge Wetter wäh-
rend des Angriffs um. Unsichtigkeit und
widrige Winde kamen zu den Regen-
güssen, aber unsere prüchtige Jnfanterie
war in ihrem Kampseifer aus beiden
Linien gegen Jakobstadt und gegen Ren-
neberg schon so weit vorwärts gekommeu,
daß bereits in der Mittagsstunde die
Einnahme von Jakobstadt befohlen wer-
den konnte. Dieser chauptaktion ging
ganz auf dem linken Flügel, also west-
lich der „Stoßgruppe Nord", eine kleinere
und ganz aus dem rechten Flügel, also
süblich der Ostgruppe, eine größere Ne-
benaktion zur Seite, die im Lause des
Tages mit der Hauptaktion vollstündig
zusammenschmolzen. Ganz im Süden
waren sie auch noch von einer Demonstra-
tion begleite-t. Den ersten stärkeren
Widerstand leisteten die Russen noch in
der Roshänge, einen zweiten der Ost-
gruppe bei Jedaporre, einen dritten der
Nordgruppe bei Schüle am beginnenden
Nachmittag. Der Gegner hat sich auch

uoch mehrmals gesetzt und am zähesten
wohl, als es ihm klargeworden war, daß
es Jakobstadt galt. Hier hat er sich na-
mentlich in dem Vorgelände, in den vor-
gelagerten Wäldern mit allen Kräften die
Nacht hindurch gewehrt, so daß wir erst
am 22. frühmorgens 4 Uhr in die von den
Russen angezündete Stadt haben ein-
ziehen können. Auch an Plünderungen
haben sie es natürlich nicht fehlen lassen.
Eleichzeitig ist das andere Ziel erreicht
worden, die vollständige Süuberung der
großen Dünaschleife, so dah sich zur
Stunde, von versprengten und herum-
irrenden Truppenteilen abgesehen, wohl
kein Russe mehr auf dem linken Ufer be-
findet. Die Beute beträgt bis jetzt 3840
Manu nebst 79 Offizieren, darunter ein
Regimentskommandeur, 57 Geschütze,
darunter schwerste Kaliber, aber abge-
sehen von allen Grabengeschützen eine
Unmenge von Maschinengewehren und
leichten Minenwersern und sehr viel Ma-
terial. Auch die Verluste an Toten und
Verwundeten müssen bei den Russen sehr
groß gewesen sein; bei uns sind sie glück-
licherweise durchaus mäßig. Neben drei
festgestellten ganzen Divisionen hat uns
eine Menge noch nicht bestimmter Reser-
ven gegenübergestanden. Geschlagen
haben sich diese Truppen alle gut.

Und nun noch ein Wort über:

Die Vedeulung unseres Durchbruchs bei
Jakobstadt.

Nachdem die russtsche 12. Armee durch
srische Truppen verstärkt in dem Höhen-
und Waldgelände der lioländischen Aa
sich wieder verschanzt und der Gegner
seinen linken Flügel der im Norden ent-
standenen Defensivflanke bei Koken-
husen an die Düna und in
das nördlich und östlich des genannten
Ortes gelegene Hügelgelände verlegt
hatte, glaubte die russische cheeresleitung
offenibar, weiteren ungünstigen Folgen
unseres Sieges von Riga erfolgreich vor-
gebeugt M haben. Wurde doch diese An-
sicht auch in Deutschland von Leuten ge-
teilt, die sich nicht überlegten, daß ein
weiterer Vorstoß unserer stegreichen 8.
Armee in der Richtung auf das noch 500
Kilometer entfernte Peters-burg entweder
eine außerordentliche Verstärkung un-
seres Flügels oder aber eine ,Verdüm
nung von dessen Front verlangt haben
würde, die selbst einem geschlagenen,
aber immer noch über beträchtliche Re- >
serven verfügenden Gegner gelgenüber
Gefahren in sich getragen haben würde,

die unsere „erst wägende und dann wa-
gende" Führung nicht ohne zwingende
Gründe herausbeschwört.

Der neue deutsche Durchbruch nordöst-
lich von Jakobstadt witd Freund und
Feind die Augen darüber geöfsnet haden,
daß es seine guten Gründe hatte, wenn
wlr uns weiter nördlich mit dem Vor-
schieben von Sicherungstruppen vor den
russischen Stellungen von der Ostsee bis
zur Düna, halbwegs Friedrichstadt—Ja-
kobstadt genügen ließen, und daß dies
keines-wegs einem Einstellen unserer
Offensivbewegungen gleßchkam. Mög-
lich, daß nunmehr der Russe mit Ent-
lastungs-versuchen weiter südlich antwor-
ten wird, ab-er sicher, daß unsere
Heeresleitung auf derartige Versuche in
vollstem Maße vorbereitet sein wird.
Gegenmaßnahmen der Russen haben sich
bis jetzt in nur schwacher Form bemerkbar
gemacht. Wir können wenigstens die am
22. erfolgte Beschießung von Pinsk, wo-
durch in dieser Stadt Brände entstanden,
sowie die lebhafte Tätigkeit der russischen
Artillerie südlich von Baranowitfchi und
westlich von Luck mit der Eroberung von
Jakobstadt wohl in Zusammenhang brin-
gen, wenn darin vielleicht auch nur Äie
nervöse Befürchtung des Ferndes zum
Ausdruck kommt, daß er auch dort vor
deutschen Überraschungen mchbPcher sein
könne.

Auf der Front de^ Erzhetzogs Joseph

ging es während der Berichtswoche recht
lebhaft zu, doch haben wir die Überzeu-
gung, daß die dort kämpfenden Russen
und Rumänen bei ihren Unternehmun-
gen mehr öurch die eigene Lage sich zum
Handeln gezwungen fehen, als durch die
Ereignisse auf dem rechten Flügel im
Norden. Dies gilt zweifellos von den
heftigen Angriffen, di-e von den.Rumänen
am 18. September gegen unfere Höhen-
stellungen am Oitoz bei Grozesci gerichtet
wurden. Es gelang ihnen zwar zunüchst,
«i diefe ihnen kürzlich entrissene Stellung
einzudringen, aber sie wurden sodann mit
schweren Verlusten und unter Einbuße
an Gefangenen geworfen. — Auch bei
Varnita wiederholten die Rumänen
ihren Angrisf vom 17. Septemser cchne
jeglichen Erfolg und versuchten «uch bei
Muncelul von neuem vergeblich, den
starken Sperriegel der Heeresgruppe
Mackensen zu erschüttern. — Der nächste
Tag brachte russische Angriffe in der Bu-
kowina westlich von Arbora, aber die
russische Führung war hier mehr auf
 
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