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Nummer 39

7

hätten sich bei den U-Boot-Jägern
dedeutende Schwierigkeiten ergeben. Ein
ainerikanischer Sachverständiger be-

rechnet den Schiffsraummangel unserer
Feiude uud kommt dabei zu

folgeudem Ergebnis, das mit
deu hier kürzlich angestellten
Betrachtungen vollstäudig über-
einstimmt: „Der Gefahrpuukt
für den Verband wird beiFort-
dauer des U-Boot-Krieges aru
Schluß dieses Inhres erreicht.

Will er den Krieg dann weiter
fortsetzen, so kann er es nur
durch Abrüstung von Schiffen,
die bisher zu militärischen
Zmecken verwendet wurden,
anderenfalls würde die Han-
delsflotte selbst für die Bewäl-
tiguug der dringendsten bür-
gerlichen Einfuhr nicht länger
ausreichen. Gelingt es der
Schissbauindustrie des Verban-
des bis Ende dieses Jahres
nicht, die durch Versenkung,

Unfälle und natürliche Ab-
nutzung erlittenen Verlufte
durch Neubauten auszuglei-
chen, so ist der Krieg für die
Alliierten verloren." Auf derss
anderen Seite fängt England
an, seinen Verbandsgenossen
Vorhaltungen darüber zu ma-
chen, daß ihre chandelsflotten
außerstande seien, ihrer Auf-
gabe gerecht zu werden und
daß England dafür in unge-
bührlichem Maße habe in die
Bresche treten müssen. Man
scheine der Auffassung zu sein,
daß die britische chandelsflotte
unerschöpflich sei und habs
außerdem die chauptarbeit auf
den britischen Schiffsraum ab-
gewälzt. Jedenfalls geht aus
solchen Auslassungen hervor,
daß eine Strömung besteht, die
Englands eigene Jnteressen
stärker berücksichtigt sehen
möchte, und es wäre keines-
wegs erstaunlich oder mit den
Lehren der Geschichte im Wi-
derspruch, wenn bei fortschrei-
tendem U-Boot-Krieg eines
Tages England seinen Schiffs-
raum seinen Zwecken allein
dienstbar machen würde. Mö-
gen die Verbandsgenossen
sehen, wie sie mit ihrem eige-
nenSchiffsraum fertig werden,
das heißt, verhungern. Damit
auch in den Vereinigten Staa-
ten die Bäume nicht allzusehr
in den chimmel wachsen und die
Schisfbaumärchen nicht allzu
üppig ins Kraut schießen, wird
von erheblichenAusständen der
amerikanischen Werftarbeiter
berichtet.

Außerdem hat es auch den
schein, als ob man in England beginnt,
die chilseleistung durch eine amerikanische
Europaarmee mit etwas nüchterneren
Augen anzusehen. Ein Liverpooler chan-

delsfachblatt stellt Berechnungen an über
den Schiffsraum, der dazu nötig wäre,
um ein amerikanisches Heer auf den euro-
päischen Kampfplatz zu bringen und dau-
ernd mit allem Ersorderlichen zu versor-

haben. Das ist nach unseren Erfahrungen
noch wesentlich zu knapp gerechnet. Aber
selbst dieser Zahl gegenüber kommt das
Blatt zu der Erkenntnis: „Es ist wirk-
lich und wahrhaftig ein ernstes Schisss-

An-

gen. Es kommt dabei zu dem Schluß,
daß die Vereinigten Staaten, um eine
Armee von 500 000 Mann in der Ge-
fechtslinie zu halten, ständig einenSchiffs-
raum von 1 700 000 Br.-Reg.-T. nötig

raumproblem, dem sich die Vereinigten
Staaten gegenüber sehen, und die deut-
schen Prahlereien enthalten doch ein
Körnchen Wahrheit, das einige Beachtung
verdient." England und die Vereinigten

Staaten sind unterdes zusammen eifrig
bemüht, möglichst viele neutrale Schiffe,
in ihre Gewalt zu bekommeich
um sie für die Kriegsbedürf-s
nisss des Verbandes nutzbar machenj
zu können. Man legt in Eng-
land der amerikanischen Re-
gierung nahe, die durch das
Ausfuhrverbot in amerikani-
schen chäfen still liegenden
neutralen Schisfe, die den Ver-
einigten Staaten zudem man-
che Schwierigkeiten verur-
sachen, einsach zu reguiriereu
und die Ladung zu verkaufen.
Die Neutralen haben also noch
allerlei freundliche Über-
raschungen von ihren Be-
schützern zu erwarten.

Von Zeit zu Zeit veröffent-
lichen die Niederlande die
Zahlen der an ihrer Küste an-
getriebenen Minen. Im Au-
gust sind 25 Minen an die
holländische Küste gelangt, da-
von sind 22, also 88 v. §).,
englischer cherkunft, und nur
eine einzige, also 4 v. H., war
deutsch.

Seit Beginn des Krieges
sind 2219 Minen angespült
worden, darunter allein 1534
englische. Man ersieht daraus
ohne weiterss, welch unge-
heure Gefahr der Schiffahrt
nach dem neutralen Holland
für alle in Betracht kommen-
den Völker aus diesem faft
ausschließlich englischen Mi-
nensegen erwächst, und wie
fahrlässig die englische See-
kriegführung handelt, die mit
Vorliebe die Rückfichtslosigkeit
unserer Seekriegführung im
Munde führt.

Die britische Admiralität
teilt mit: Schiffe der belgischen
Küstenpatrouille beschossen am
22. September morgens die
Marinewerke in Ostende mit
befriedigendem Ergebnis. Un-
sere Luftpatrouille schoß drei
feindliche Wasserflugzeuge nic-
der. Die Beschießung muß so
unbedeutend gewesen sem, datz
sie in unseren Berichten nicht
einmal erwähnt ist. Außerdem
teilt die Admiralität noch mit,
daß Marineflugzeuge am 15.
September zwischen Ostende
und Blankenberghe einen An-
griff auf feindliche Schiffe un-
ternahmen. Ein großer Tor-
pedojäger wurde mittschiffs ge-
troffen, ein, wahrscheinlich
aber zwei, Fischdampfer wur-
den verserM Bei uns ist in-
dessen festgestellt worden, daß
es sich um einen eng-
lischen Angriff auf eine flämische Fischer-
flotille vor Ostende harkdelt. Keines un-
ferer Torpedoboote war in der Nähe,
es ist daher auch keines getroffen
worden. r»

Zzvttgescmgener Nr. 759. »

Von

Mcirtln ceistikow.

Wie sehnsüchtig blickte ich in Ar-
changelsk die Schiffe, die dort lagen, an.
Es kamen verschiedene norwegische
Dampfer, die uns sicher gut zustatten ge-
kommen wären, die Bewachung war aber
zu streng, um über Bord zu springen. Jn
der Stadt angelangt, wurden wir wieder
aneinander gekettet; und ins Gefängnis
gesührt. Hier war es ganz angenehm;
das Efsen war reichlich. Allerdings war
es furchtbar schmutzig, aber damit konnte
man uns schon lange nicht mehr impo-
nieren. Auch deutsche Leidensgenossen

trafen wir, es waren Veute, die nach ärzt-
licher Untersuchung entweder nach
Deutschland oder aber ins Jnnere des
Archangelskschen Gouvernements geschickt
werden sollten, und die hier so lange zu
warten hatten, bis ihr Schicksal entschie-
den war. Auch ein paar deutsche Ma-
trosen gab es hier, die aus ihrer Flucht
fast an derselben Stelle wie wir gesangen-
genommen worden waren.

Von Archangelsk wurden wir mit der
Bahn nach Wologda transportiert und
von dort nach eintägigem Aufenthalt

weiter nach Wjatka. Auf diesem Trans-
port setzte ich wieder einen Rubel von dem
eingenähten Gelde zu. chier trafen wir
auch eine deutsche Vauernfrau, die von
den Russen bei dem Einbruch in Ost-
preußen durch die Schulter geschossen und
nachher mittzeschleppt worden war. Die
arme Person war halb verrückt gewor-
den; trotzdem sie lange in einem Hospital
gelegen hatte, war ihre Schulter nach
einem Iahr noch immer nicht heil. Jetzt
wurde sie nach russischer Art von Ge-
fängnis zu Gefängnis geschleppt und

7. Zoctsstzung

sollte nach Perm. Wir sprachen ihr, so
gut es eben ging, gut zu, helfe-n konnten
wir ihr nicht.

Jn Matka angekommen, wurden wir
unter scharfer Bewachung, diesmal aller-
dings ohne Ketten, nach dem Gefängnis
gebracht. Wehmütige Erinnerungen an
das vorige Jahr beschlichen uns. Als
wir auf dem chof des Gesängnisses
standen, bemerkten wir zwei Männer,
die uns doch nicht wie Russen aussahem
Wir machten uns an sie heran und ließen
ein paar deutsche Worte sallen; sie spitzten
 
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