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2. Grabungsgeschichte und Forschungsstand

2.1 Die Ausgrabung

Das Nymphaeum Traiani, ein von Ti. Claudius Aristion und seiner Gattin lulia Lydia Laterane errichteter Brunnen mit zweigeschoßiger
Tabemakelfassade, wurde unter der Grabungsleitung von F. Miltner12 im Rahmen der Ausgrabungstätigkeit an der Kuretenstraße13
ausgegraben. Um eine Bewertung von Befundsituation und Dokumentation zu ermöglichen, soll im folgenden auf die Aufzeichnungen
im handschriftlichen Tagebuch14 eingegangen werden: Den zumeist täglichen Eintragungen gemäß schnitt man das Gebäude erstmals am
1. September 1957 an und und bezeichnete es zunächst - wahrscheinlich nach einer flavischen Inschrift15 - als „Domitianssockel“16. In
den folgenden Tagen fand man hier Architekturteile und Skulpturen (Taf. 2, 2), wobei sich am 4. September „zwei mehr oder weniger
vollständige Schrankensteher, die von Köpfen schlechter Arbeit bekrönt sind“ als zu einer späteren Ausstattungsphase des Nymphaeum
Traiani gehörende Hermen identifizieren lassen (Taf. 3, 1). Ein Fund vom 5. September 1957, die Plinthe einer Statue Kaiser Traians mit
Inschrift, führte schließlich zur Benennung des Monuments (Taf. 3, 1). Ab 8. September wird das Bauwerk im handschriftlichen Tagebuch
„Trajaneum“ bzw. ab 1. Oktober auch „Nymphaeum Traiani“ genannt.
Im folgenden verzeichnet das Tagebuch am 8. September eine „Grobaufnahme der verstürzten Architekturstücke“ l7, tags darauf war die
„östliche Begrenzungsmauer“ der Anlage erreicht (Taf. 4, 1). Architekturstücke wurden aus dem Weg geräumt und die Grabung wurde, dem
Verlauf der Kuretenstraße folgend, fortgesetzt, zumal für Miltner eine Erforschung des städtebaulichen Zusammenhangs Vorrang vor dem
Einzelmonument hatte18. Erst am 1. Oktober, nachdem die weiter westlich an der Kuretenstraße gelegene Alytarchenstoa freigelegt war,
wurde die Tätigkeit am Nymphaeum Traiani mit einem andernorts freigewordenen Förderband fortgesetzt (Taf. 4, 2). Die Aufzeichnungen
bis zum 7. Oktober geben keinen Aufschluß über Befundsituation und Sturzlage der Architektur. Einzig die Skulpturenfunde wurden
im handschriftlichen Tagebuch verzeichnet19, wobei aber offenbar keine Fundnummern vergeben wurden; zumindest sind diese in den
Unterlagen nicht verzeichnet, so daß man bei der Identifizierung auf Beschreibungen angewiesen ist. Die letzte Grabungstätigkeit dieser
Kampagne beim Nymphaeum Traiani erfolgte offenbar - wiederum den im Tagebuch verzeichneten Statuen zufolge - am 16. Oktober. Auch
hier ist nur von „zahlreicher Architektur“ die Rede, nähere Angaben werden nicht gemacht.
Für das Frühjahr 1958 sind vom 29. April bis zum 23. Mai „Aufnahmearbeiten an der Architektur des Trajansnymphäums“ verzeichnet20.
In der Herbstkampagne 1958 kam es im Zuge der Aufnahmearbeiten offenbar nochmals zu größeren Erdbewegungen, da am 24. und am
31. August die Auffindung von Statuenfragmenten verzeichnet ist. Auch die das Nymphäum an West-, Nord- und Südseite umgebenden
Strukturen wurden in diesem Zeitraum freigelegt. Zunächst ließ Miltner die im Brunnenbecken gefundenen Statuen vor Ort aufstellen21
(Taf. 5, 1). In der Grabungskampagne 1960 unter der Leitung von F. Eichler wurden sie ins Museum Selpuk gebracht22.

12 Zur Person F. Miltners s. Ulf, Miltner, 47-59; Wohlers-Scharf, Forschungsge-
schichte, bes. 157-159; Stiglitz - Knibbe, Wiederbeginn, 68 f.; G. Wlach, Franz
Miltner, in: 100 Jahre ÖAI, 126-128; Krierer, Miltner, 217-224. Nachrufe auf F.
Miltner: F. Eichler, ÖJh 44, 1958, Beibl. 1; J. Keil, Gnomon 31, 1959, 654 f.; ders.,
AlmanachWien 110, 1960, 361-372.
13 Quatember, Kuretenstraße, 271-278. Zur Ausgrabungstätigkeit Miltners in Ephesos s.
auch Wiplinger - Wlach, Ephesos, 58-75, zur Kuretenstraße bes. 66-69; Wohlers-
Scharf, Forschungsgeschichte, 126-134.
14 Die zitierten Tagebücher befinden sich im Archiv des Österreichischen Archäologi-
schen Instituts in Wien, s. auch die Zusammenstellung im Anhang. Darüber hinaus
liegen - abgesehen von einigen Fotos - für die betreffenden Jahre keine Unterlagen
zum Thema vor.
15 Es handelt sich dabei um eine Inschriftplatte zur unter Domitian erfolgten Fassung
der Bäche Marnas und Klaseas, die „in der Vorderwand des Prunkbeckens [...] in
Wiederverwendung“ gefunden wurde, vgl. Miltner, Grabungsbericht 1957, 343-346;
IvE II, 415. s. zuletzt Scherrer, Femwasserversorgung, 50 (Testimonium 5h). Der
Fundort des Stücks liegt sicher im Bereich des Nymphaeum Traiani. Inwiefern es
als Spolie wiederverwendet wurde, muß unklar bleiben, da in der Beckenbegrenzung
keine Platte fehlt.
16 Das von Miltner geführte handschriftliche Tagebuch vermerkt an diesem Tag: „Auf der
Kuretenstrasse vor und neben dem Domitianstempel Architekturstücke, Gesims und
Bogenabschluß.“ Trotz der eigenartigen topographischen Angabe - der Domitianstem-

pel liegt von der Kuretenstraße relativ weit entfernt und der seit 1926 in Ephesos tätige
Miltner hätte sicherlich eine präzisere Angabe gewählt - ist es sehr wahrscheinlich,
daß es sich bei dem angesprochenen Bau um das Nymphaeum Traiani handelt: Zum
einen spricht eine spätere handschriftliche Anmerkung unterhalb des betreffenden
Textes, die wahrscheinlich von F. Eichler stammt, vom Nymphaeum Traiani, zum
anderen nennen die Tagebucheinträge der folgenden Tage den „Domitianssockel“ auf
der Kuretenstraße, so daß naheliegt, daß es sich bei dem zunächst am 1. September
erwähnten „Domitianstempel“ um eine Verschreibung handelt. Die Bezeichnung
„Domitianssockel“ wiederum geht auf die in der vorangegangenen Anm. erwähnte
Inschrift zurück.
17 Unklar bleibt, ob einzelne Bauglieder aufgenommen wurden oder ein Plan der Sturz-
lage erstellt wurde. Im Archiv des ÖAI sind keine entsprechenden Zeichnungen mehr
vorhanden.
18 s. dazu auch Wohlers-Scharf, Forschungsgeschichte, 315. Neben dem Stadtplan galt
das Interesse vor allem dem Auffinden von Statuen.
19 Zu näheren Angaben die Fundorte der Skulpturen betreffend s. Kap. 7.2.
20 Vgl. den schematischen Grundriß der Anlage von K.-H. Göschl, publiziert bei Milt-
ner, Grabungsbericht 1957, 341 f. Abb. 173.
21 Miltner, Grabungsbericht 1957, 337 Abb. 171; einige Statuen waren allerdings bereits
1957 ins Museum überführt worden, vgl. den Tagebucheintrag vom 27. Oktober 1957.
22 Eichler, Bericht ÖAW 1960, 74.

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