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Pülz, Andrea M.; Bühler, Birgit; Melcher, Michael; Schreiner, Manfred; Schwarcz, David Zsolt; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Mitarb.]
Byzantinische Kleinfunde aus Ephesos: ausgewählte Artefakte aus Metall, Bein und Glas (Band 18,1: Textband): Textband — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.51987#0302
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V Die metallverarbeitenden Werkstattbereiche im Hanghaus 2 {David Zsolt Schwarcz)

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die Gusstiegel häufig mit einer zusätzlichen externen Tonschicht (dem sog. Mantel) versehen1592.
Auch sind auf der Innen- und/oder Außenseite mehrerer Gusstiegel verschmolzene Metallreste
erhalten geblieben (Farbtaf. 126 Abb. 1), deren naturwissenschaftlichen Untersuchungen für die
Zukunft geplant sind1593. Derzeit kann nur vermutet werden, dass während des Gussverfahrens
Kupferlegierungen verwendet wurden; allein ein einziges Gusstiegelfragment weist Goldreste
auf der etwas verglasten Innenseite auf.
Die Gussformen stehen in Zusammenhang mit dem Wachsausschmelzverfahren (Farbtaf. 127
Abb. I1594), wobei das plastisch gebildete Wachsmodell in Ton eingebettet und anschließend eine
einteilige geschlossene oder eventuell mehrteilige Gussform gestaltet wird. Während des Trock-
nens bei niedriger Hitze wird das Wachs flüssig und verlässt die Form, wodurch ein negativer
Abdruck des zu gießenden Objekts hinterlassen wird. Aufgrund der bisher identifizierbaren Stü-
cke wurden Fingerringe, verschiedene Schnallentypen1595 und weitere kleinformatige Artefakte
entweder einzeln oder in Serie1596 durch Gießen in diesen beiden Produktionsstätten hergestellt.
Unter den Buntmetallobjekten befinden sich zahlreiche zerschnittene und einige getriebene
Bleche, Blechstreifen und Drähte (Werkstattabfall) sowie Fragmente von Bronzestatuen. Letztere
wurden vermutlich zum Wiedereinschmelzen >gehortet<, jedoch weisen die vielen (unfertigen)
makroskopisch oder auch mikroskopisch sichtbaren Reparaturstellen daraufhin, dass vermutlich
auch Reparaturarbeiten an älteren Bronzestatuen durchgeführt wurden. Viele der fast vollständig
erhaltenen (?) Objekte sind wahrscheinlich als Habfertig- oder Fertigprodukte zu interpretieren,
wodurch sie eventuell als Bestand der vor Ort arbeitenden MetalIhandwerker gedeutet werden
können, wie beispielsweise die Schnalle T 8 (Taf. 1 Farbtaf. 1) ohne Dorn oder der Fingerring
ID 1321597 mit vielen groben Werkzeugspuren und ohne Einlage (Farbtaf. 127 Abb. 2).
Unbedingt erwähnt werden soll noch der sog. frühbyzantinische Hortfund, der etwa 20 m
westlich der Werkstatt in Raum 46 im Kanal entlang der Stiegengasse 3 (Fundjahr 1997) gefun-
den wurde1598. Das Fundmaterial besteht aus mehr als 150 unterschiedlichen Eisen- und Bunt-
metallobjekten1599, deren Bestandteile hohe Übereinstimmungen mit den Funden aus den zwei
bereits erwähnten Werkstattbereichen zeigen. Eine engere Beziehung mit einer Buntmetallverar-
beitung lassen mehrere Gusszapfen, die gegossenen Schnallendorne, die mit dem nicht entfern-
ten Gusszapfen verbunden sind (T 71 [Taf. 6 Farbtaf. 5], T 75 [Taf. 6]), das Werkzeug G 150
(vermutlich eine Punze [Taf. 69 Farbtaf. 74]), dessen (positive) Arbeitsfläche mit der (negati-
ven) Form eines kleinen bearbeiteten Blechs aus Raum 46 übereinstimmt, und weitere Objekte,
die Schnittspuren aufweisen und dementsprechend als sekundär (?) verwendete Rohmaterialien

1592 Vgl. »added layers« bei Bayley - Rehren 2007, 50 und »Lutum« bei Furger 2018, 40-48.
1593 Im Jahr 2013 wurden 15 Proben aus den Innenflächen ausgewählter Gusstiegel entnommen und von M. Mehofer
(VIAS, Wien) durch Rasterelektronenmikroskopie (REM) untersucht. Aufgrund der qualitativen Analyseergeb-
nisse konnten folgende Buntmetalllegierungen nachgewiesen werden: 1. Kupfer-Blei-Legierung (= bleihaltiges
Kupfer), 2. Kupfer-Zink-Blei-Legierung (= bleihaltiges Messing), 3. Kupfer-Zinn-Blei-Legierung (= bleihaltige
Zinn-Bronze), 4. Kupfer-Zink-Zinn-Blei-Legierung (= bleihaltiger Rotguss). Weitere Proben wurden von Tiegeln
verschiedener Fundorte in Ephesos zwischen den Jahren 2014 und 2016 entnommen; von diesen wurden 34 Stück
ausgewählt und durch das REM analysiert.
1594 Für die Ennöglichung der CT-Untersuchungen gebührt C. Topal (Direktor des Ephesos Museums in Selçuk), E.
Korkmaz, dem ÖAI und der Grabung Ephesos sowie dem Krankenhaus in Selçuk, an dem die CT-Aufhahmen
durchgeführt wurden, besonderer Dank.
1595 Einige Exemplare zeigen große Ähnlichkeiten mit den spätantik-frühbyzantinischen B-förmigen Schnallen (vgl.
Lyne 1999, 103. 105. 107 Abb. 3. 4), den nierenförmigen Schnallen (vgl. Schulze-Dörrlamm 2009,1 51) und den
ovalen Schnallen (vgl. Schulze -Dörrlamm 2009,1 54-63).
1596 Vgl. die Gussfomien zum Gießen einzelner Schnallen und mehrerer Fingerringe auf Abb. 4.
1597 Aufgrund der unsicheren Datierung und des fehlenden Fundkontexts wurde der Fingerring ID 132 (AO: Gra-
bungshausdepot) nicht in den Katalog aufgenommen.
1598 Die Fundunistände des sog. Hortfunds sind nicht eindeutig, aber aufgrund der bislang zur Verfügung stehenden
Daten kann geschlossen werden, dass der Hortfund aus drei Fundensembles, die sein- nahe beieinander gefunden
wurden, besteht.
1599 Vgl. die Vielfalt der ausgewählten Objekte im Katalog: A 41-43, A 83, G 18, G 49-50, G 105-107, G 117-118,
G 150, S 3, S 13, S 66, S 163, T 1, T 5, T 71, T 75, T 80, T 116
 
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