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Praschniker, Camillo; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Das Cömeterium der Sieben Schläfer — Forschungen in Ephesos, Band 4,2:, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.45626#0022
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mehrere Meter zurückliegenden Stirnwand ragen noch drei Nischenbogen über den hüllenden Schutt heraus.
Die mit Stuck überzogene Decke, die im Laufe der Zeit eine schmutziggraue Tönung angenommen hat, ist
über und über mit Namensaufschriften von Besuchern bedeckt, die ihr Kommen und Gehen der Nachwelt
überliefert wissen wollten. In der Südwand aber öffnet sich eine größere Nische, in der ein aus dem Fels
gehauenes Arkosol von Ruß ganz geschwärzt ist. Doch das ist nicht das Werk neugieriger Besucher; umher-
liegende Münzen griechischer wie türkischer Währung, Tuchstücke an dürre Äste gebunden, Hufeisen und
herabgebrannte Kerzenstummel lehren, daß hierher fromme Beter kamen, christlichen wie mohammedani-
schen Bekenntnisses, um sich mit kleinen Opfern vertrauensvoll bittend an ihren Gott zu wenden. Gleiche
Spuren frommen Glaubens ließen sich auch an dem nördlichen Felskanal erkennen und die Leute wußten zu
erzählen, daß hier die sieben wunderbaren Schläfer begraben lägen. Noch am Abend des 31. Oktober 1926
hatte eine betende Hand einen Ast mit Tuchstückchen an die Mündung des Felskanals gesteckt, am 1. No-
vember setzte dann die Grabung ein, freilich die geheimnisvolle Einsamkeit der stillen Stätte störend, doch
in dem Wunsch, an Legende haftenden Glauben durch klares Wissen zu ersetzen.
* *
*
In der Kampagne des Jahres 1926 wurde vornehmlich der große Saal an der Südseite der Schlucht aus-
gegraben und der daran angeschlossene Kirchenraum in den wesentlichen Umrissen festgestellt; zudem gelang
es noch, die bauliche Verbindung mit der Abmauerung des im nördlichen Schluchtteil gelegenen Felskanals
aufzuklären2). Im folgenden Jahre wurden dann die Kirche selbst mit dem unter ihr liegenden Kammersystem,
weiter die im Osten und Süden und schließlich die im Norden anschließenden Baulichkeiten freigelegt 3). Eine
kurze Kampagne im Jahre 1929 war der Untersuchung der nördlichsten Partie und der Vervollständigung
der zeichnerischen und photographischen Aufnahmen gewidmet, eine Arbeit, die auch noch 1930 fortgesetzt
wurde und erst 1931 ihren Abschluß fand.
Es darf erwähnt werden, daß die Ausgrabung sowohl im Hinblick auf die abzuführenden bedeutenden
Schuttmassen als auch auf die verschiedenen Höhenlagen der einzelnen Bauteile nicht geringe Schwierigkeiten
zu überwinden hatte; doch diese Schwierigkeiten und ihre Lösungen im einzelnen zu schildern, wäre kaum
von Vorteil, da die jeweils getroffenen Maßnahmen so speziellen Charakter haben mußten, daß ihnen keine
allgemeine Gültigkeit zukommen kann.
Ein auch nur flüchtiger Blick auf den Gesamtgrundriß (Beilage 1) bestätigt, was ja von vornherein zu
erwarten steht, daß die Anlage nicht einem einmaligen Baugedanken entsprungen ist, sondern, gemäß den sich
geltend machenden Bedürfnissen immer weiter ausgreifend, in mehreren Abschnitten erwuchs, wobei natur-
gemäß auch die ursprüngliche Form der Schlucht maßgebend war. Den Kern, aus dem und um den sich die
gesamte Anlage entwickelte, stellt die Kirche mit dem unterirdischen Kammersystem, der sogenannten Kata-
kombe, und dem westlich anschließenden großen Bestattungssaal dar. Daß zu gleicher Zeit das im Norden
der Kirche vorgelagerte kleine Mausoleum erbaut wurde, darf gleich hier unter Hinweis auf die genauere Be-
gründung S. 38 angemerkt werden. Wie dann diese Anlage durch Einbeziehung des Daches für Bestattungs-
zwecke und durch Einfügung der zwei Räume zwischen dem Mausoleum und dem Bestattungssaal erweitert
wurde, wird uns erst unten (S. 41) des näheren zu beschäftigen haben. Diese schon an und für sich keines-
wegs einheitliche Anlage, die wir als Kirchenkomplex 4) unter einem Begriff zusammenfassen wollen, liegt auf
einer Felsstufe, die nördlich der Kirche ziemlich schroff etwa sechs Meter tief abfällt, während sie nach Osten
fast eben über die Kirche hinausgreift und in einer Breite von mehreren Metern nach Süden umbiegt.
Als dieser Bau den steigenden Bedürfnissen nicht mehr genügte, bezog man nunmehr die tiefe Schlucht
nördlich der Kirche in die Anlage ein, indem man hier einen mehrere Stockwerke umfassenden Bau einschob,
der im Westen mit seiner Decke in die Ebene des Kirchenvorhofes eingriff, im Osten aber noch höher bis auf
das Niveau des am Nordrand der Schlucht gelegenen Plateaus sich erhob. Ob zugleich mit diesem Komplex,

2) J. Keil, Österr. Jahresh. XXIII 1926 Beibl. 285 ff.
3) J. Keil, Österr. Jahresh. XXIV 1929 Beibl. 8 ff.

*) Über die einzelnen Teile des Kirchenkomplexes vgl. die
ausführlicheren Darstellungen u. S. 18.
 
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