Overview
Metadaten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VI Sonstige Ausstattung

1 DECKEN
Die jeweiligen Deckenkonstruktionen der Räume in der WE 6 können anhand des Baubefundes für die Mehrzahl der Räume erschlossen
und rekonstruiert werden. Sie können in zwei Gruppen gegliedert werden: 1. Holzbalkendecken und 2. Gewölbedecken, die sich in Ton-
nengewölbe und in Zentralgewölbe gliedern lassen.
1.1 Holzbalken - oder Kassettendecke im Marmorsaal 31
Ein aufgrund seines Seltenheitswertes spektakulärer Befund kann aus drei zwar stark zerstörten aber dennoch in der Interpretation ein-
deutigen Fundobjekten erschlossen werden. Der Marmorsaal 31 war offensichtlich mit einer dekorierten Holzkassettendecke ausgestat-
tet, deren Tragbalken mit geschnitzten Meereswesen dekoriert und deren Kassettenfelder von einem ebenfalls geschnitzten, lesbischen
Kymation gerahmt waren. Die Dekorationen waren zusätzlich mit Blattgold belegt.
Der Grabungsverlauf im Marmorsaal 31 und die entsprechenden Einträge im Tagebuch wurden bereits an anderer Stelle1 ausführlich
beschrieben, im Rahmen dieser Gesamtpublikation zur WE 6 seien die Ergebnisse zusammenfassend wiederholt. Während der Freile-
gung der bodennahen Zerstörungsschichten wurden im Marmorsaal wiederholt verkohlte Holzbalken gefunden, deren Dimensionen und
Fundlagen von Vetters sorgfältig aufgelistet und in Skizzen dokumentiert wurden2 (Taf. 68.1). Sie waren vergesellschaftet mit zahllosen,
überwiegend großformatigen Eisennägeln3 und Klammern (Taf. 68.2-3), sowie an einigen Stellen mit großen Bronzescharnieren (Taf.
234, B 301)4. Mehrfach wird im Grabungstagebuch gemeinsam mit den Holzfunden auch Goldflitter5 erwähnt. Vetters interpretierte die
Holzfunde und ebenso die Metallteile als Bestandteile eines Baugerüstes, da er lange überzeugt war, dass es sich bei Raum 31 um einen
offenen Hof gehandelt habe, zumal dort zum Zeitpunkt der Zerstörung nachweislich Reparaturarbeiten an den Marmorwandverklei-
dungen stattgefunden hatten6. Als 1987 unter dem Schutzbeton einer bis dahin unausgegrabenen Restfläche im S des Marmorsaales 31
weitere mächtige verkohlte Holzbalken zutage kamen (Taf. 10.35-36), auf denen sogar noch Reste von Schnitzereien - Wesen eines
Meeresthiasos und ein lesbisches Kymation - erhalten waren, deutete Vetters diese Sensationsfunde als Bestandteile eines hölzernen
Türsturzes7. K. Herold gelang die Konservierung der Balken, die in das Depot des Efes Müzesi in Selguk kamen, sein Bericht liefert die
Dokumentation der Restaurierungsmaßnahmen und genaue Angaben zu den Abmessungen und zur Dekoration8. Durch seinen unmittel-
bar anschließenden Ruhestand und Aufgaben im Präsidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat Vetters selbst diesen
Fund nicht weiter behandelt.
Die Frage einer antiken Überdachung des Marmorsaales 31 wurde erst im Rahmen der Publikationsvorbereitungen zum H 2 wieder aufge-
nommen. U. Outschar, die als Verantwortliche der Grabung 1988 im Peristylhof 31a und Bearbeiterin der Keramik aus beiden Hanghäu-
sern den Befund gut kannte, war durch ihre Dissertation9 mit der Konstruktion steinerner Deckenbalken und Kassettendecken aus Ephesos
bestens vertraut, sie schlug mündlich mehrfach vor, die verzierten Balken als Kragkonstruktion einer U-förmigen Galerie im S-Teil des
Marmorhofes/saales 31 zu interpretieren. Für diese Lösung schienen zunächst auch mehrere sehr tief in das Mauerwerk der südlichen
O-und W-Mauer eingelassene Balkenlöcher zu sprechen10, die aber bei genauer Analyse für eine derartige Konstruktion zu unregelmä-
ßig und eher als Rüstlöcher zu deuten sind. Entscheidende Hinweise zugunsten einer Dach- und Deckenkonstruktion des Marmorsaales
lieferte seit 1997 L. Bier (f), der sich als Bearbeiter und Bauforscher des Bouleuterions in Aphrodisias11 zum Vergleich auch mit dem
ephesischen Bouleuterion und seiner Überdachung auseinander setzte, und es letztlich auch zur Bearbeitung und Publikation übernahm12.
Im Rahmen von zahlreichen Diskussionen zeigte Verf. ihm die umfangreichen Metallfunde aus großen Nägeln und Klammern, die in
Kisten in der WE 6 im H 2 verblieben waren (Taf. 68.2-3), die Dokumentation der mit Reliefs geschmückten Balken und einen im Depot

1 Thür, Dach- und Deckenkonstruktion, 237-241; Thür, Holzbalkendecke,
197-205.
2 MTB 1985 vom 12.8., 14.8., 15.8., 21.8. 22.8.
3 Rathmayr, Kap. XVIII. 19.1; XVIII.26.
4 Rathmayr, Kap. XVIII.2.2, B 301-B 314.
5 MTB 1985 vom 14.8. und 20.8.
6 MTB 1985 vom 12.8., 14.8., 15.8., 16.8., Vetters, Ephesos 1985, 95 f.; Vetters,
Ephesos 1986/87, 97.

7 Vetters, Ephesos 1986/87, 97.
8 Herold, Holzbalken.
9 U. Outschar, Ornament und Fläche. Konstruktion, Gliederungsschema und Dekor rö-
mischer Steindecken in Ephesos (Unpubl. Diss. Universität Wien 1989).
10 Vgl. Thür, Kap. III.2.15.
11 L. Bier, The Bouleuterion, in: C. Ratte - R. R. R. Smith (Hrsg.), Aphrodisias Papers 4.
New Research on the City and its Monuments, JRA Suppl. 70 (2008) 144-168.
12 L. Bier, The Bouleuterion at Ephesos, FiE IX/5 (2011).

175
 
Annotationen