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XII Graffiti und Steininschriften

Das Material der WE 6 unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht von jenem der anderen Wohneinheiten, was auch mit der abweichenden
Ausstattung und Verwendung zusammenhängt. So fehlen hier etwa Ausgabenlisten, Alphabete und Hinweise auf gesellige Veranstaltun-
gen. Andererseits liefern Vermerke von der Vertäfelung des Marmorsaales 31 interessante chronologische und arbeitstechnische Hin-
weise. Zahlreiche Einzelfragmente stammen aus den oberen Etagen, wobei es in manchen Fällen durchaus möglich ist, dass sie aus der
oberhalb gelegenen WE 4 stammen. Die in den früheren Wohneinheiten begonnene Nummerierung der Graffiti (GR) und Kleininschrif-
ten (IKL) wird hier fortgesetzt, dazu treten hier erstmals Steininschriften (IST). Die Inschriften von der Marmorvertäfelung entsprechen
in ihrem Charakter eher den Graffiti und werden daher auch unter diesen behandelt, jedoch in einem eigenen Abschnitt (GR 255-307).
1 DIPINTI
Dipinti finden sich in der WE 6 einerseits als kleinteilige Fragmente zweier großer Wandinschriften in Raum 36b (GR 230 und 231),
andererseits auf den Rückseiten von Marmorplatten als Eigentums- (GR 283) und Arbeitsvermerke (z. B. GR 271, 303, 307). Vereinzelt
gibt es auch dekorative Bemalungen (GR 278). Beischriften zu dargestellten Figuren fehlen völlig, da die Wohneinheit kaum mit entspre-
chenden Szenen versehen wurde.
2 RITZZEICHNUNGEN
Hier sind in erster Linie Darstellungen der Athena (GR 242) sowie zweier Jünglinge (GR 243 und 244), alle aus Raum 42, zu nennen.
Köpfe sind auch auf Einzelfragmenten zu erkennen (GR 207, 220, 222). Tiere fehlen mit Ausnahme eines Löwenkopfs (GR 210A) gänz-
lich, hingegen finden sich vereinzelt geometrische Muster (GR 211 und 212) und architektonische Zeichnungen (GR 219). Besonders
hervorzuheben sind zwei Dekorationsmuster auf Marmorplatten (GR 280 und 281).
3 RITZINSCHRIFTEN
Aufzeichnungen kommerzieller Art finden sich praktisch nur in Raum 42; hier ist mehrmals von finanziellen Aufwendungen die Rede
(GR 251 und 252; auch die Strichliste GR 234 und die häufigen Zahlzeichen weisen in dieselbe Richtung). Emotionale Ausbrüche zeigen
die Liebesklage GR 228 sowie der Fluch gegen eine Ehebrecherin (GR 238). Gedächtnisinschriften sind an abwesende Freunde gerichtet
(GR 223 und 229). Segenswünsche sind gelegentlich anzutreffen (GR 200 und 204), aber nicht so häufig wie in den anderen WE. Ein
Epigramm ist vielleicht in GR 203 erhalten.
Die Marmortafeln zeigen mehrfach Aufschriften, die schon im Steinbruch angebracht wurden (GR 255, 282, 284-286). Arbeitstechni-
sche Vermerke betreffen einerseits die Aufteilung der Werkstücke (GR 256 und 287; dazu sind auch die zahlreichen Steinmetzzeichen zu
rechnen), andererseits die Anbringung der Platten (GR 257, 271, 293 und 307).
4 SPRACHE UND SCHRIFT
Im Vergleich zu den anderen Wohneinheiten sind hier lateinische Graffiti relativ häufig vertreten (GR 218,221,241, 254,255,282-285),
einmal auch in griechischer Transkription (GR 293). Späte Formen wie z. B. \|/copia und T£Tpco(ypEva) in GR 251 sowie ’OVlou (GR 303)
sind ebenfalls zu beobachten.
Die Schriftformen entsprechen dem Spektrum der anderen WE. Besonders sorgfältig in Monumentalschrift ausgeführt sind die beiden
gemalten Inschriften GR 230 und 231.

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